100 Mio. Euro für Wiener Forschung - WWTF feiert 10-jähriges Bestehen
WWTF-Chef wünscht sich mehr visionäre Forschungsvorhaben - Festakt am 17. Oktober
Wien - Seit Juli 2002 ist der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) aktiv. In seinem nunmehr zehnjährigen Bestehen hat der Fonds insgesamt um die 100 Millionen Euro in etwa 150 wissenschaftliche Projekte investiert sowie 14 Forscher über Stiftungsprofessuren oder Förderschienen für Jungforscher nach Wien geholt. Geschäftsführer Michael Stampfer sieht nun die Zeit reif, in Wien visionärere und risikoreichere Forschungsvorhaben anzugehen. Am 17. Oktober wird das Jubiläum des WWTF im Wiener Rathaus gefeiert.

"Wir sind sehr zufrieden, was Publikationen, Karrieren, Kooperationen und Entwicklungslinien von Forschungsfeldern betrifft", klar sei aber auch, dass "nicht jeder in Science, Nature oder PNAS publiziert und dann auch noch ein Patent draufsetzt", resümierte der WWTF-Chef. Im Hinblick auf die im kommenden Jahr stattfindende Evaluation der Aktivitäten des Fonds brauche man sich aber "vor anderen nicht verstecken".

Nischenpolitik

Als kleiner Player in der Forschungsförderung sei es einfacher, wenn man anerkenne, "dass man eine Nische gut bespielen, aber nicht alles zugleich machen kann", so Stampfer. Man beschränke sich daher darauf, bestimmte Forschungsaktivitäten in bestimmten Feldern gezielt zu fördern. Stolz ist der WWTF-Chef darauf, Einkommen vieler Jungforscher für einige Zeit gesichert zu haben und so zur Entwicklung einiger Forscherkarrieren beigetragen zu haben. Man müsse sich aber darüber im Klaren sein, dass die WWTF-Gelder nur ein einzelner Beitrag seien, trotzdem könne man so "entscheidende Impulse" setzen.

Mehr als 40 Mllionen Euro wurden bisher im Bereich Lebenswissenschaften ausgeschüttet - einem Gebiet, in dem Wien bereits seit längerer Zeit stark wahrgenommen werde. Die Angewandte Mathematik unterstützt man seit 2004, die Informations- und Kommunikationstechnologien folgten 2008, und 2011 rückten die Kognitionswissenschaften an die Stelle der "Creative Industries", in die man in den ersten Jahren viel investiert habe. Der WWTF ziehe ganz bewusst "Felder nicht von null auf hoch". Stampfer: "Nur dort, wo wir eine Stärke sehen, gehen wir auch hinein." Die Spezialisierungen könne man sich "leisten, da es mit dem Wissenschaftsfonds FWF einen etablierten Förderer für alle Bereiche gibt".

Finanzierung

Die Mittel für die Ausschreibungen kommen alljährlich von der Stadt-Wien-nahen Bankenstiftung AVZ, in der die Anteile an der italienischen Bank-Austria-Mutter UniCredit geparkt sind. Der WWTF hat jährlich Anspruch auf zwei Drittel ihres Gewinns. "Zusätzlich finanziert uns die Stadt Wien ein Programm für die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften", so Stampfer. Aufgrund der österreichweit "ziemlich einzigartigen" Konstellation gebe es zwar Budgetschwankungen, insgesamt verfüge der Fonds aber über eine stabile finanzielle Ausstattung von jährlich etwa zwölf Millionen Euro.

Man sei aber keinesfalls nur "Geldverschenker", da es klarerweise immer mehr Projektideen gibt als man fördern könne. Der "Geldverschenker" müsse sich daher an klare Kriterien und Prozeduren halten. Die Auswahl der Projekte erfolgt in Zusammenarbeit mit internationalen Experten. 

Häupls Aufruf

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat andessen an die Privatwirtschaft appelliert, künftig doch mehr Geld für die Forschung in der Bundeshauptstadt locker zu machen. Ein höheres finanzielles Engagement vor allem bei der Grundlagenforschung wäre sehr wünschenswert, sagte das Stadtoberhaupt in der Bürgermeister-Pressekonferenz.

"Liebe Wiener Wirtschaft, liebe Industrie, liebe Finanzdienstleister: Ihr seid herzlich dazu eingeladen, dabei zu helfen, dass der WWTF noch mehr Gutes tun kann", so die Häupl'sche Bitte. Schließlich habe der Fonds sicherlich kein Problem damit, auch mit dreimal so hohen Mitteln wie jetzt umzugehen. Natürlich wolle er, Häupl, großen Firmen wie Siemens, Baxter oder General Motors ihre "erheblichen" Investitionen in der Stadt nicht absprechen. Aber dieses Geld fließe vorrangig in die betriebliche Forschung, die jedoch oftmals auf öffentlich finanzierter Grundlagenforschung fuße. Ein größeres Engagement der Privatwirtschaft in diesem Sektor wäre deshalb "eine vernünftige Geschichte".

Die Zukunft

Als weitere Aufgabe sieht es der WWTF, Wissenschafter nach Wien zu bringen. Etwas, was Stampfer "gerne noch viel öfter machen würde". Bei der Besetzung von Stiftungsprofessuren gehe es vor allem darum, Forscher zu holen, die "lebende Verbindungsbrücken" zwischen Disziplinen bilden oder "in Bereichen, wo Wien schon gut ist, noch jemanden dazuzusetzen". Bisher hat man sieben Stiftungsprofessoren geholt. Im Rahmen des Programms "Vienna Research Groups" konzentriert man sich seit 2010 darauf, vielversprechende junge Wissenschafter nach Wien zu holen und ihnen den Aufbau einer Forschungsgruppe zu ermöglichen.

Der Forschungsstandort Wien habe in den vergangenen 20 Jahren jedenfalls "gewaltige Sprünge" gemacht. Damit einher geht auch der Wunsch, dass in den nächsten Jahren noch mehr Projekte mit risikoreichen Forschungsfragen zum Zug kommen. Die Zeit sei nun reif dafür, da Wien mittlerweile über die nötigen wissenschaftlichen Kapazitäten verfüge, um auch sehr ambitionierte und visionäre Vorhaben umzusetzen. (APA/red, derStandard.at, 6. 10. 2012)