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Auch durch dubiose Export-Import-Geschäfte entgehen dem Staat immer mehr Einnahmen.

Foto: EPA/Qilai Shen

Wien - Durch dubiose Export-Import-Geschäfte, Scheinrechnungen, das nicht Offenlegen von Umsätzen und Vorsteuerausfälle infolge von Insolvenzen entgehen dem österreichischen Staat zusehends mehr Einnahmen. Heuer fehlen dadurch im Budget voraussichtlich 2,3 Milliarden Euro, errechnete der Linzer Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider. Dies sei ein Zuwachs von rund 5 Prozent gegenüber 2011 und entspräche immerhin fast zehn Prozent der Umsatzsteuereinnahmen, die das Finanzministerium für 2012 veranschlagt hat (24,1 Milliarden Euro). "Da wird enorm geschummelt", sagte Schneider.

Betrug nimmt seit Jahren zu

Doch auch schon in den Jahren davor nahm der Umsatzsteuerbetrug der Österreicher deutlich zu - 2011 belief sich die Steigerungsrate im Jahresabstand auf 5,3 Prozent, 2010 auf 5,6 Prozent und 2009 sogar auf 12 Prozent. Seit 2001 hat sich das am Staatsbudget vorbeigeschleuste Volumen von 1,12 auf 2,27 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.

Vor über zehn Jahren hatte sich der Umsatzsteuerbetrug noch auf 3,44 Prozent der gesamten Produktions- und Importabgaben belaufen, heuer sind es laut Schneider immerhin fast 5 Prozent.

Das Gros des Mehrwertsteuerbetrugs entsteht dem Wirtschaftsprofessor zufolge mit betrügerischen Karussellgeschäften, also im Zuge von Export-Import-Geschäften, wo Güter und Dienstleistungen nur vermeintlich exportiert werden, die Mehrwertsteuer rückvergütet wird, aber dann wieder zurück nach Österreich "importiert" wird.

Mehrwertsteuerbetrug hinter klassischer Steuerhinterziehung

Die Deutschen stehen den Österreichern in Sachen Mehrwertsteuerbetrug in nichts nach - die Tendenz ist auch bei den Nachbarn steigend. Heuer erreicht das hinterzogene Volumen in dem bevölkerungsmäßig rund zehnmal so großen Land Schneiders ersten Hochrechnungen zufolge 23,8 Milliarden Euro, im Vorjahr waren es noch 22,6 Milliarden Euro und 2010 rund 21,5 Milliarden Euro.

In der EU ist der Mehrwertsteuerbetrug mittlerweile der zweitgrößte Posten an Steuerhinterziehung - gleich hinter der klassischen Steuerhinterziehung. "Sicherlich sind in der EU einheitlichere Verrechnungssysteme und einheitlichere Systeme der Steuerbetrugsbekämpfung notwendig, damit das 'Durchreichen' der Mehrwertsteuer entfällt und sie nur beim Endverbraucher einzuheben ist", schlägt Schneider als Gegenmittel vor. Damit würde auch der Betrug der Steuerrückvergütung entfallen.

In Österreich vermisst Schneider engagierte Politikmaßnahmen gegen die gängige Praxis des Mehrwert- bzw. Umsatzsteuerbetrugs. "Da könnte man mehr Druck machen." Derzeit würden exportfreudige Länder wie Österreich und Deutschland bestraft. Die vielen falschen Steuerrückvergütungsdeklarationen belasten den Staatshaushalt.

Finanzministerium kritisch

Das Finanzministerium steht den Ergebnissen und Methoden zum Umsatzsteuerbetrug in Österreich kritisch gegenüber. Einige Ergebnisse der von Schneider heute vorgestellten Studie würden sich auch mit dessen eigener Studie, wonach die Schattenwirtschaft seit drei Jahren sinke, widersprechen, sagte Sektionschef Wolfgang Nolz, im Ministerium für Steuerangelegenheiten zuständig. "Schneiders Methode ist wackelig", so Nolz. Er vermutet Rechenfehler.

So dürfte laut Nolz die von Schneider für das Jahr 2009 errechnete hohe Steigerungsrate beim Umsatzsteuerbetrug von 12 Prozent auch darauf zurückzuführen sein, dass im Jahr 2008 der Mehrwertsteuersatz für Medikament von 20 auf 10 Prozent halbiert worden sei, was sich auch deutlich auf die Steuereinnahmen 2009 ausgewirkt habe. Schneider dürfte diesen Effekt nicht herausgerechnet haben, meint Nolz. "Die Methode kann daher insgesamt nicht stimmen", so der Sektionschef.

Laut Nolz kann es auch nicht stimmen, dass mehr als 2 Mrd. Euro am Staatsbudget vorbeigeschleust werden, da eine solcher Fehlbetrag gar nicht budgetiert werde. "Im Budget fehlt nichts", so Nolz. Auch dürften die von Schneider angenommenen steigenden Wachstumsraten beim Umsatzsteuerbetrug eher damit zusammenhängen, dass auch das Umsatzsteueraufkommen insgesamt gestiegen sei.

Die Diskussion darüber, wie die Mehrwertsteuerlücke berechnet werden kann, gebe es schon ewig, so Nolz. Unter dieser Lücke versteht man die Differenz zwischen dem makroökonomisch möglichen zum tatsächlichen Umsatzsteueraufkommen. Schneiders Zahlen würden quasi suggerieren, dass diese Lücke größer geworden sei. Auch dieses Ergebnis würde im Widerspruch dazu stehen, dass angeblich die Schattenwirtschaft zurückgehe.

Zurückgewiesen wird von Nolz auch die Aussage von Schneider, dass er engagierte Politikmaßnahmen vermisse. "Das stimmt natürlich nicht, Österreich ist jenes Land, das immer energisch dagegen vorgegangen ist", so der Sektionschef. So sei Österreich etwa schon vor Jahren für die Einführung des Reverse Charge-Modells gewesen, um den Vorsteuerbetrug zu verhindern, sei damit aber bisher nicht durchgekommen. Man sei weiter daran, ein System zu favorisieren, mit dem Mehrwertsteuerbetrug in der Unternehmenskette verhindert werden kann. Derzeit gebe es die Idee des Split-Payments, bei der die Vorsteuer nicht an ein Unternehmen sondern an das Finanzamt bezahlt werden soll. (APA, 3.10.2012)