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Assad senior und junior.

Reuters/Hariri
Graphik: Standard

Damaskus/Wien - Bisher gibt es nur unbestätigte Berichte darüber, dass in der Heimatstadt der Assads, Kardaha, Gewalt zwischen alawitischen Clans ausgebrochen ist, genauer gesagt, dass sich Teile der Stadt gegen die Familie des Präsidenten gewandt haben. Männer des Uthman- und des Khair-Clans sollen im Beisein Muhammed al-Assads, einem Cousin zweiten Grades von Bashar al-Assad, gesagt haben, die Assads sollten aus Syrien verschwinden. Daraufhin kam es zu einem Kampf, bei dem mehrere Männer, darunter Mohammed, lebensgefährlich verletzt oder getötet wurden. Kardaha, wo sich das Mausoleum von Bashars Vater Hafiz al-Assad befindet, soll abgeriegelt sein.

Berichte von Anfang September, wonach Kardaha von der Free Syrian Army (FSA) unter Granatenbeschuss genommen wurde, wurden ebenfalls nicht bestätigt. Aber es stimmt auf alle Fälle, dass der Krieg in das alawitische Kerngebiet vordringt, immer öfter werden Alawiten-Orte von der FSA angegriffen. Damit sollen angebliche Rückzugspläne der Alawiten in ihre alten Siedlungsgebiete vereitelt werden. In Kardaha haben die Menschen viel zu verlieren, während der Assad-Zeit floss viel Geld in das ursprünglich arme Städtchen. Allerdings gibt es nicht nur Berichte, dass auch Alawiten Assad den Rücken kehren, es sollen auch neue alawitische Pro-Regime-Milizen entstehen, die Lijan al-Shaabiya (Volkskomitees).

Die Region um Kardaha ist auch der Entstehungsort der gefürchteten "Shabiha" (Gespenster). Auch Mohammed al-Assad war ein Shabiha-Chef. Heute eine gefürchtete alawitische Miliz, waren sie ursprünglich Halbstarke und Schmuggler, die mit dem Import von im sozialistischen Syrien verbotenen Luxusgütern aus dem Libanon Geld machten.

Etwa Mitte der 1970er-Jahre tauchte der erste Shabih aus der Assad-Familie auf: Malik al-Assad, Stiefsohn eines Halbbruders von Hafiz, der damals bereits Präsident war. Als Malik in den Waffenschmuggel einstieg - gerade Ende der 1970er-Jahre, als die Baath-Herrschaft von Aufständen bedroht war -, setzte der Onkel Präsident dem Treiben ein Ende. Das Schmuggelgeschäft ging jedoch an Fawwaz und Mundhir, Söhne von Hafiz' religiös verwirrtem Bruder Jamil, über - die als "echte" Neffen des Präsidenten erst einmal Narrenfreiheit hatten. Mit ihnen verfestigte sich der Name Shabiha, denn sie benützten für ihren Schmuggel den größten Mercedes, Shabah genannt, der wie ein Geist aus dem Nichts kam und im Nichts verschwand.

Im Grunde waren die Gangs, die von einzelnen Familienmitgliedern kontrolliert wurden, nichts anderes als eine Mafia. Anfang der 1990er wurde es Hafiz al-Assad zu bunt, er sprach ein Machtwort, und Sohn Basil (der 1994 bei einem Autounfall starb) wurde zum Aufräumen abkommandiert.

Auch unter Bashar al-Assad hörte man nichts von ihnen - aber sofort nach Ausbruch der ersten Gewalt im Frühjahr 2011 waren sie wieder da, diesmal als besonders grausame paramilitärische Gruppen, die gezielt Zivilisten durch Gräueltaten abschrecken sollen, sich der Rebellion anzuschließen. Sie morden und vergewaltigen und sind verantwortlich für den starken konfessionellen antialawitischen Trend, den der Aufstand genommen hat. Umso wichtiger wäre es, dass sich, wie offenbar in Kardaha, Alawiten von Assad lossagen. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 3.10.2012)