Wo befand sich der letzte Fischmarkt in Wien? Welche Lebensmittelfälschungen gab es? Und was waren die Aufgaben der Marktrichter? Seit Ende September können die Wienerinnen und Wiener im neuen Marktamtsmuseum in Floridsdorf die Geschichte der Wiener Märkte und des Marktamtes in Wort und Bild erfahren.

Foto: derStandard.at/Lechner

Bis 1969 gab es in der damaligen Marktamtsdirektion im Wiener Rathaus ein "altes" Marktamtsmuseum. Dort waren unter anderem Gewichte, Waagen sowie Pilz-, Fisch- und Apfelsortenmodelle ausgestellt. Als die Direktion im selben Jahr in ihre heutigen Räumlichkeiten am Modenapark in Wien-Landstraße übersiedelte, war nur mehr Platz für einzelne Schaustücke. Doch selbst diese Stücke wurden rund um die Jahrtausendwende in ein Depot am Großgrünmarkt Wien-Inzersdorf gebracht.

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Durch Zufall entdeckte Marktamtssprecher und Lebensmittelkontrollor Alexander Hengl die Ausstellungsstücke bei einer Visite in einem Keller des Großgrünmarktes. Teilweise waren sie durch die dortige Feuchtigkeit bereits in schlechtem Zustand. "Um die Gegenstände zu retten, habe ich sie mit Kollegen in die freistehenden Büroräume des Magistrats am Schlingermarkt gebracht. Dabei ist die Idee zum 'neuen' Marktamtsmuseum entstanden."

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Rund 300 Exponate sind bisher - nach historischen Epochen geordnet - in den drei Schauräumen des Museums ausgestellt. Von Februar bis Oktober 2012 arbeitete Hengl jeden Mittwoch an der Realisierung seiner Idee. "Am spannendsten war dabei das Aufstöbern weiterer Ausstellungsstücke", erzählt er. "Ich war in Kellern und auf Dachböden, habe in Kästen gekramt und sämtliche Räumlichkeiten des Marktamtes durchforstet." Auch Leihgaben aus der Bevölkerung haben bereits den Weg ins Museum gefunden und werden gerne angenommen.

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An den Wänden angebrachte "Ahnentafeln" führen die BesucherInnen chronologisch durch die Geschichte des Marktamtes. Entstanden ist es 1839, als die k. k. Hofkanzlei die Zusammenlegung aller Marktinspektionen Wiens zu einer einzigen Dienststelle bewilligte. Alle Kommissäre der Marktaufsicht mussten von da an eine Befähigungsprüfung ablegen. Zu ihren Pflichten zählten die Einhebung der Marktgebühren sowie Aufgaben der Sanitäts-, Veterinär-, Lebensmittel-, Gewerbe- und Straßenpolizei.

Das historische Foto zeigt einen Schaukasten mit beanstandeten Waren des Wiener Marktamtes um 1890. Der offizielle Titel des Amtes lautete damals "Vereinigte Marktpolizei-Aufsichtsanstalt".

Foto: Marktamtsmuseum

Die Geschichte der Wiener Märkte begann bereits um 1150. Viele Gassen- und Straßennamen der Inneren Stadt erinnern heute noch an die Verkaufsorte der mittelalterlichen Gewerbetreibenden: Tuchlauben, Bäckerstraße, Bauernmarkt, Fleischmarkt, die Fischerstiege oder die Wollzeile. Zentrum des gesamten Wiener Markt- und Handelslebens war lange Zeit der Hohe Markt.

Gewichtseinheiten waren Pfund und Zentner (siehe Bild); Preise, Maße und Gewichte wurden von den Marktaufsehern überwacht. Erst 1871 löste das Kilogramm das Pfund als Gewichtseinheit ab.

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Das gesamte Marktgeschehen wurde früher akribisch in handgeschriebenen Tabellen festgehalten. So gibt es unter anderem ein Buch mit "Tabellen über die Approvisionierung und die Handhabung der Markt- und Sanitätspolizei in Wien" und sogar "Tabellen über die Anzahl der in den Jahren 1873 bis 1882 im Wiener Wasenmeisterrayon eingefangenen Hunde und eingesammelten Aeser und über das vertilgte Aasmateriale". Wasenmeister waren damals für die Verwertung und Beseitigung von Tierkadavern zuständig.

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Im überdimensionalen "Preiseberichtebuch" ist die Tätigkeit der Marktaufsicht in Wien von 1848 bis 1897 festgehalten - tabellarisch, versteht sich. Der damalige Höchtspreis für ein Kilo Äpfel ist dort ebenso nachzulesen wie die Zahl der jährlich vertilgten Rinder und Schweine in Wien.

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Das älteste Stück des Marktamtsmuseums: ein Protokollbuch des "Marktbeschaudienstes" aus 1774

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Auch das Marktgeschehen zur Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit wird im Marktamtsmuseum beleuchtet. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen 1938 wurde das österreichische Lebensmittelgesetz durch das deutsche ersetzt. Nach der Machtübernahme wurde das Marktamt gänzlich umorganisiert, Bedienstete ausgetauscht oder zwangspensioniert. Jüdischen InhaberInnen von Markt- und Straßenständen wurde die Bewilligung zum Betrieb entzogen, das Marktfahrertum verboten.

Nach dem Krieg blühte der Schwarzhandel. Das Marktamt beschlagnahmte bis 1948 rund 2000 Waggonladungen an Lebensmitteln, die dann in den regulären Verkauf bzw. in die Ausgabe gegen Lebensmittelmarken gelangten.

Im Bild vorne zwei Stempel aus der russischen Besatzungszone.

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Eine wichtige Aufgabe der Lebensmittelkontrollore ist es bis heute, verdorbene oder "kranke" Ware aus dem Verkehr zu ziehen. Dafür ist mitunter auch botanisches Grundwissen gefragt.

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In der Ausstellung sind auch Werkzeuge der Lebensmittelaufsicht von heute und anno dazumal zu sehen. Die Fleischbeschauer inspizierten das Geschlachtete genau, damit eine Fratschlerin - eine typische Wiener Marktfrau - nicht mit mangelhafter Ware handelte.

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Viele Betrügereien konnten durch die Kontrollen der Marktkommissäre aufgedeckt werden. So wurde immer wieder gefälschte Milch gefunden, in der Wasser, Mehl und Stärke, aber auch Seife, Kalk oder Soda verarbeitet waren. Auch künstlich eingefärbte Wurst, mit Tannin eingefärbter, eisenhältiger Rum, mit Kokosfett vermengtes Butterschmalz oder manipulierte Gewichte wurden entdeckt.

Im Bild ein Alkoholvolumsprozent-Messgerät aus dem ehemaligen Marktamtslabor, mit dem gepanschter Wein aufgespürt wurde.

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Heutzutage werden in Wien 17 Detailmärkte abgehalten sowie vier temporäre Märkte, zwei Antiquitäten- und ein Flohmarkt sowie der Wiener Großgrünmarkt. Dazu kommen 120 anlassbezogene Märkte von Privatorganisationen, die das Marktamt bewilligen muss, sowie Gelegenheitsmärkte wie die Neujahrsmärkte.

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Die Aufgaben der MarktamtsmitarbeiterInnen wurden stetig erweitert. Zu ihnen gehört auch die Vergabe der Marktplätze und -stände.

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Die AufseherInnen kontrollieren auch die Einhaltung der Marktordnung, sind für Straßenstände und die Wiener Schanigärten zuständig. Die LebensmittelinspektorInnen führten 2010 insgesamt 14.320 Kontrollen in Betrieben durch.

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Heute bildet das Marktamt mit seinen neun Abteilungen die KonsumentInnenschutzabteilung MA 59. (isa/derStandard.at, 3.10.2012)

Marktamtsmuseum Wien

Floridsdorfer Markt 5, 1210 Wien

Geöffnet nach Voranmeldung, Eintritt frei

Anmeldung zu Führungen und Kontakt für Leihgaben unter 01/4000-59255

Links:

Marktamtsmuseum Wien

Das Marktamtsmuseum bei der Langen Nacht der Museen

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