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"Mit dem heutigen Tag ist die Causa Birnbacher nicht abgeschlossen. Man sieht die Methoden der Part-of-the-game-Mentalität. Mit dem heutigen Wissen kann man andere Vorgänge, die Jahre zurückliegen, beurteilen."

Foto: AP/Eggenberger

Josef Martinz, ehemaliger Chef der Kärntner ÖVP, wurde am Montag zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Auch wenn die Urteile in der Causa Birnbacher noch nicht rechtskräftig sind, sieht die Kärntner Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle ein deutliches Signal."Das Urteil hat gezeigt, dass Politiker für ihr Handeln Verantwortung übernehmen müssen", sagt sie im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Welche Konsequenzen sehen Sie nach dem Urteil im Birnbacher-Prozess für Kärnten?

Stainer-Hämmerle: Der Volksmund hat immer gesagt: "Politiker kommen eh davon." Das Urteil hat aber gezeigt, dass Politiker für ihr Handeln Verantwortung übernehmen müssen. Andere Politiker wie Ernst Strasser oder Alfons Mensdorf-Pouilly sollten jetzt noch nervöser werden. Dort geht es auch um Provisionszahlungen, Zahlungen, Honorare ohne gerechtfertigte Leistung oder Korruptionsvorwürfe. Bei Uwe Scheuch hat man schon gesehen, dass Korruption kein Kavaliersdelikt ist. Das gilt jetzt auch für Untreue. 

In Kärnten ist schon im Vorfeld einiges in Bewegung geraten durch die Rücktritte. Wie sich die politische Veranwortung auswirken wirkt, entscheidet der Wähler am Wahltag. Das Problem ist aber, dass die Wähler nicht mehr differenzieren können.

derStandard.at: Wie bewerten Sie die unbedingten Haftstrafen?

Stainer-Hämmerle: Fünfeinhalb Jahre Haft für Martinz sind überraschend hoch. Es wird aber ähnlich argumentiert wie bei Scheuch: mit Generalprävention, dass man also ein Zeichen setzen wollte. Peter Rosenstingl hat damals im Jahr 2000 sieben Jahre bekommen, es gibt aber in der Zweiten Republik kein vergleichbares Urteil.

derStandard.at: Zumindest in diesem Prozess ist die FPK strafrechtlich davongekommen?

Stainer-Hämmerle: Noch nicht ganz. Es ist sehr spannend, wie Richter Manfred Herrnhofer in der Urteilsbegründung andere Personen wie FPK-Finanzlandesrat Harald Dobernig und Ex-FPK-Chef Uwe Scheuch einschätzt. Dobernig ist ja immer noch im Amt. Herrnhofer hat gesagt, dass er die Anschuldigungen gegen Dobernig und Scheuch glaubwürdig findet. Mit dem heutigen Tag ist die Causa Birnbacher nicht abgeschlossen. Man sieht die Methoden der Part-of the-game-Mentalität. Mit dem heutigen Wissen kann man andere Vorgänge, die Jahre zurückliegen, beurteilen.

Das Gericht ist aber sehr unter Druck gestanden. Es gab eine Doppelerwartung: Die Öffentlichkeit hat ein symbolhafte, deutliches Urteil verlangt, andererseits durfte es aber kein Politurteil sein, wie es jetzt Martinz vorwirft. Der Vorwurf schwebt im Raum. Die Staatsanwaltschaft und mit ihr auch die Justiz standen im Vorfeld stark in der Kritik, weil das Verfahren zweimal eingestellt wurde.

derStandard.at: Werden die Urteile vor dem Obersten Gerichtshof halten?

Stainer-Hämmerle: Ob der OGH die Urteile bestätigen oder abmildern wird, ist schwierig zu beurteilen. Es ist für viele andere Vorgänge, die noch untersucht werden müssen, ein exemplarischer Fall. Es ist immer eine Frage der Bewertung von Schuld und Unschuld. Bei Untreue muss man wissentlich gehandelt haben. Darauf hat Martinz seine Verteidigung aufgebaut, dass er es nicht bewusst gemacht hat und es keinen Tatplan gegeben hat.

derStandard.at: War die Strategie von Martinz glaubhaft?

Stainer-Hämmerle: Martinz stellt sich immer als Opfer dar. Ihm wurde immer vorgeworfen, dass er keine Schuldeinsicht hat. Mir ist seine Haltung seit Jahren nicht schlüssig. Mir war nie klar, wie man das Zwölf-Millionen-Euro-Honorar verteidigen konnte. Das war eigentlich schon ein Rücktrittsgrund ohne Anklage.

Die Kontrollinstanzen haben damals versagt. Die handelnden Personen waren sich schon sehr sicher, dass sie schalten und walten können, wie es ihnen gefällt. Diese Zeiten sind vorbei, es gibt noch eine kontrollierende Instanz, und das ist die Justiz. Man muss es auch im Verlauf sehen: Der erste Schritt war die Verurteilung von Scheuch, jetzt Martinz. Unter Verdacht stehen noch Dörfler und Dobernig, das kann schon einiges an mutigen, deutlichen Urteilen mit sich bringen.

derStandard.at: Welche Auswirkungen gibt es für die kommende Wahl in Kärnten?

Stainer-Hämmerle: Die FPK versucht es immer als System ÖVP darzustellen, wenn man sie mit dem "System Haider" konfrontiert. Ich bin mir nicht sicher, ob das gelingen wird. Das ist die Strategie des Abstreitens und Nichtwissen. Auf der anderen Seite haben wir den neuen ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer, der zugegeben hat, dass Fehler gemacht wurden, aber auch Konsequenzen gezogen hat.

Ich kann nicht einschätzen, welche Strategie beim Wähler besser ankommt. Aus demokratiepolitischer Sicht wünsche ich mir, dass die ÖVP-Strategie besser angenommen wird. Das hängt noch mit anderen Faktoren zusammen. Es gibt eine Vermischung all dieser Vorfälle, die das Image der Politik insgesamt einfach verschlechtert haben. Der meistgehörte Satz in Kärnten ist: "Man kann ja da keinen mehr wählen." Im Moment sind die Kärntner kaum mehr bereit zu differenzieren, sie haben sehr stark das Gefühl, betrogen worden zu sein.

derStandard.at: Welche Parteien profitieren von den Skandalen?

Stainer-Hämmerle: Die Grünen werden die Partei sein, die gewinnt. Das ist ein relativ risikoloses Unterfangen. Sie starten aber bei fünf Prozent und werden sich, wenn es gut geht, verdoppeln können. Die SPÖ müsste den Ball besser aufnehmen. Sie verhält sich zu passiv und läuft auch Gefahr, selbst beschädigt zu werden. Einerseits, weil sie auch Regierungspartei war, andererseits, weil die FPK alles versucht, um ihr auch Skandale anzuhängen wie die Topteam-Affäre.

derStandard.at: Welche Chancen hat das Team Stronach?

Stainer-Hämmerle: Stronach hat in Kärnten sicher gute Chancen, aber jeder Neue hätte wegen der hohen Politverdrossenheit in Kärnten gute Chancen. Stronach hat aber genug Ressourcen und mit Gerhard Köfer einen bekannten Spitzenkandidaten, der Politprofi ist. Es gibt aber auch die Affäre um den Verkauf des Schlosses Reifnitz, wo Stronach dabei war. 

Der Ausgang der Wahl hängt stark davon ab, welche Anschuldigungen gerade im Raum stehen und welche Prozesse laufen. Ich vermute, dass es eine Schlammschlacht werden wird. Ich bin mir nicht sicher, ob Dobernig überleben wird, aber es ist auch die Frage, wie sehr sich die FPK noch einen Rücktritt leisten kann. Mit ein wenig Glück könnte es auch gut für die FPK ausgehen. Sie haben sich stabilisiert, sind in Umfragen wieder auf Platz eins. Es bleiben bei allen Parteien nur noch die Hardcore-Wähler über, da hat die FPK ein großes Potenzial, das darf man nicht unterschätzen.

Das Urteil hat zwar eine Symbolwirkung, aber das darf man nicht überschätzen. Es ändert sich auch am Wahltag nicht die Welt. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Wahltag oder ein Urteil die Handlungsfähigkeit des Landes gewährleisten kann. Es werden nach der Wahl die gleichen Personen Funktionen haben und es wird sich nichts in der Konstruktivität der politischen Zusammenarbeit ändern. Das ist meine größte Sorge.

derStandard.at: Wie schätzen Sie die Wahlbeteiligung ein?

Stainer-Hämmerle: Wenn viele zu Hause bleiben, spricht das für die Grünen. Allerdings spricht es auch für die FPK, die Wählerschichten mit ihren patriotischen Slogans über Kärnten und Zusammenhalt gut mobilisieren kann. Die Bevölkerung ist sehr verdrossen und bereit, kurzfristig über ihre Wahl zu entscheiden. Eine hohe Wahlbeteiligung kann es auch noch werden, wenn der Wahlkampf sehr emotional geführt wird. Das würde ich mir aber für Kärnten auch nicht wünschen.

derStandard.at: Welche Auswirkungen sehen Sie auf Bundesebene?

Stainer-Hämmerle: Alle Skandale in Kärnten sind immer negativ für die FPÖ, das ist sehr stark verknüpft. Inwieweit es der ÖVP schaden kann, ist unklar. Martinz ist aber nicht der alleinige Sargnagel der ÖVP. Sie haben größere Schwierigkeiten mit Strasser, Grasser oder Mensdorff-Pouilly. Kärnten ist und war nie ein Hoffnungsgebiet für die ÖVP.

Das hat man auch daran gemerkt, wie sehr das Problem Martinz, das schon seit 2008 bekannt war, beiseitegeschoben wurde. Die Strategie von Generalsekretär Hannes Rauch, dass weder Strasser noch Martinz Parteimitglieder sind, ist zu einfach. Es gibt in Kärnten nicht viele ÖVP-Wähler, jetzt sind es noch ein paar weniger, das ist nicht so tragisch. (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 2.10.2012)