Gustav Klimt gehörte ohne Zweifel zu den wichtigsten Malern Österreichs. Bevor er 1918 starb, arbeitete er vor allem in einem Haus im 13. Wiener Gemeindebezirk. Ein bunt wuchernder Garten, der Hauch von Erotik und zahlreiche Affären mit seinen Models waren die Zutaten, welche Klimts Inspiration an diesem Ort zu Werken wie etwa "Goldene Adele" beflügelten. Am Sonntag wurde die Klimt-Villa eröffnet und ist somit für die Öffentlichkeit wieder zugänglich.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Schönheitsfehler 1: Dieses Haus war zu Klimts Zeit jedoch keine kitschige Villa im Rosenkavalier-Stil, sondern ein kleines Atelier-Häuschen. Klimt hat die Villa in dieser Form nie zu Gesicht bekommen. Die Bezeichnung Klimt-Villa ist somit eigentlich irreführend, denn sie erzeugt ein Bild, als hätte Klimt in einer luxuriösen Villa gelebt.

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Schönheitsfehler 2: Das alte Atelier-Häuschen war spürbar kleiner und bescheidener als die nun rekonstruierte Villa, die erst durch die Überbauung nach Klimts Tod entstand. Darauf wird nun zwar auf kleinen Tafeln im Inneren hingewiesen, vielen Besuchern ist trotzdem nicht klar, dass Klimt nicht in einer Luxusvilla wohnte. Das fälschlich angenommene Bild könnte korrigiert werden, z.B. wenn die Dimension des alten Atelier-Häuschens wie in dieser Fotomontage (strichlierter Bereich) markiert wäre.

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Schönheitsfehler 3: Auch von Klimts großer Inspirationsquelle, dem Garten, blieb wenig über. Einst als üppig und bunt wuchernd beschrieben, ist er nun eine große Grasfläche, die sich eher zum Golfspielen eignet. Als Vorlage für farbenfrohe Bilder mit vielen Blumen dient er leider nicht mehr. Vielleicht könnte man durch eine Verwilderung des Gartens einen Teil von Klimts Aura "wiederbeleben". Internationale Beispiele wie etwa Monets Garten in Giverny zeigen, dass dies durchaus möglich ist.

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Wie authentisch ist also das Herzstück der Klimt-Villa - sein ehemaliges Atelier? Nach seinem Tod wurde es überbaut, wobei auch das große Originalfenster entfernt und der Raum bis zu den Stützpfeilern der Terrasse erweitert wurde. Eine Korrektur dessen erfolgte nun beim Umbau durch den Architekten Eduard Neversal. In Absprache mit dem Bundesdenkmalamt wurde das Atelier wieder auf den Stand von 1923 rückgebaut. Die damals entsorgten Fenster wurden anhand von alten Schwarzweiß-Fotos von Moritz Nähr rekonstruiert.

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Schönheitsfehler 4: Auch im Inneren der Villa dominieren leider die Kopien. Ein originaler Kasten von Klimt? Ein Bett? Ein Teppich? Eine Staffelei? Ein Pinsel? Leider Fehlanzeige. Die nach alten Fotos nachempfundene Ausstattung ist zwar visuell aufwändig, jedoch nur eine Replik des Originals. Neue Wege ging man auch bei der Wahl der möglicherweise authentischen Wandfarbe: Sie wurde vom Bundesdenkmalamt mit einem Computerprogramm aus Schwarzweißbildern "errechnet".

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Und genau die "nachempfundene Rekonstruktion" sämtlicher Details wird von einigen - wie etwa dem Wiener Kulturpublizisten Robert Schediwy - kritisiert: "Authentizität ist ein Mythos, auch der Kölner Dom, der Campanile oder das Schloss Herrenchiemsee sind zu einem großen Teil nicht echt. Klimt war ein Schönzeichner, der in den Salons der bürgerlichen Oberschicht hing. Dass nach seinem Tod aus dem kargen Klimt-Atelier eine Villa der Oberschicht wurde, ist eine originelle Anekdote am Rand". Der Autor des Buches "Wiener Stadtbildverluste" freut sich aber trotzdem, dass das Gebäude vom Bundesdenkmalamt gerettet wurde.

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Dass das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde, ist tatsächlich ein Grund zur Freude, denn die sonst von dieser Behörde angewandten Regeln sprechen eigentlich dagegen. So wurde etwa der Denkmalschutz für die Reste des 140 Jahre alten Römischen Bades beim Praterstern im Juni 2012 vom Landeskonservator Friedrich Dahm mit folgender Begründung abgelehnt: "Denkmalschutz ist Substanzschutz. Daher werden Rekonstruktionen nicht nur vom Bundesdenkmalamt, sondern auch international nicht unterstützt: Sie imitieren die formale Gestalt des Originals, ohne physisch oder materiell original zu sein. Jeder Laie würde eine solche Rekonstruktion mit dem Original verwechseln. Eine Rekonstruktion des römischen Bades ist daher aus der Sicht der Denkmalpflege nicht zu unterstützten."

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Bei der Restaurierung der Klimt-Villa hingegen war die Rekonstruktion jedoch eine der wichtigsten Voraussetzungen: So wurde etwa das Dach komplett entfernt und das ursprüngliche Flachdach wieder hergestellt.

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Schönheitsfehler 5: Die auffälligste Rekonstruktion ist das komplett neue, dem alten Kupferdach nachempfundene Dach im südlichen Trakt der Villa. Es wurde anhand von Fotos nachgebaut. Der Eindruck des Zimmers, das einst zum Wäschetrocknen genutzt wurde, ist dem Original sehr gut nachempfunden - allerdings aus denkmalpflegerischer Sicht jedoch ähnlich "echt" wie der Kulissenbau am Prater Hauptplatz (siehe Begründung zwei Bilder zuvor).

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Ähnlich detailverliebt auch die Renovierung im ersten Stock der Villa, die nun als Seminar- und Veranstaltungsraum genutzt wird. Hier konnte ungleich mehr von der Originalsubstanz gerettet werden.

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Wie extrem Klimts altes Atelier-Häuschen nach seinem Tod umgebaut wurde, kann man übrigens an einem Detail am Gang im Erdgeschoß erkennen: Den ehemaligen Außenflächen mit ihren alten Fenstern (rechts) setzte man kurzerhand eine neue Außenwand mit repräsentativeren Rundbögen davor (links) und konservierte so die Mauer, die einst am einzigen erhaltenen Foto der Süd-Ansicht aus 1917 zu sehen. (Michael Hierner, derStandard.at, 2.10.2012)

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