Einfahrt zu einer Kohlemine in Tete, Mosambik: Um den Rohstoffboom zu bewältigen, sind qualifizierte Arbeitskräfte aus Europa gefragt - aber nicht unbeschränkt.

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Nicht immer sind sie dort willkommen.

 

"Viele Portugiesen kommen hierher, weil sie zu Hause keine Arbeit finden. Das ist in einem armen Land wie Mosambik ein großes Problem. Hinzu kommt, dass manche von ihnen sich wie die alten Kolonialherren aufspielen", echauffiert sich Nelly Jacob Nuambe. Die 25-jährige Modedesignerin ist nicht die einzige Mosambikanerin, die sich über die Umkehrung der Geschichte aufregt: Während ihre Landsleute früher bei den ehemaligen Kolonialherren Arbeit suchten, strömen jetzt tausende Portugiesen in den Südosten Afrikas.

Nicht immer sind sie willkommen. "Illegale Portugiesen ausgewiesen" berichten mosambikanische Zeitungen. In Portugal beträgt die Arbeitslosigkeit 15,4 Prozent, trotz eines 78-Milliarden-Euro-Rettungspakets schrumpfte die Wirtschaft laut Eurostat im zweiten Quartal 2012 um 1,2 Prozent. In Mosambik hingegen, dem bislang viertärmsten Land der Welt, wuchs sie, zuletzt um durchschnittlich sechs Prozent jährlich.

An diesem Boom wollen auch die ehemaligen Kolonialherren teilhaben. Täglich kommen neue Wirtschaftsflüchtlinge in der 8500 Kilometer entfernten Ex-Kolonie an. Laut Schätzungen leben derzeit über 120.000 Portugiesen in Mosambik. Ihre Vorfahren hatten das Land jahrhundertelang ausgequetscht, ehe sie es 1975 Hals über Kopf verließen. Kurz darauf brach in der Ex-Kolonie ein Bürgerkrieg aus, bis zu 900.000 Menschen starben. Die Wirtschaft brach zusammen,

In der Folge interessierte sich kaum jemand für das riesige Land mit rund 22 Millionen Einwohnern. Bis vor wenigen Jahren Kohle und Gas gefunden wurden und einen Rohstoff- und Bau-Run auslösten. Doch nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten Krieg gibt es in dem Küstenstaat, in dem 80 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiten, kaum qualifiziertes Personal, um die Ressourcen zu Geld zu machen. Vor allem portugiesische Ingenieure wittern ihre Chance.

"Die Leute brauchen uns, um ihr Land voranzubringen, und wir brauchen gutbezahlte Jobs, die es bei uns zu Hause kaum noch gibt", sagt etwa der portugiesische Baugeologe Vasco Gomes, den eine portugiesische Baufirma nach Mosambik geschickt hat. Eigen- und Fremdwahrnehmung unterscheiden sich hier teilweise frappierend: Alle Mosambikaner über 45 Jahren können sich noch gut daran erinnern, dass gute Stadtteile für die weißen Kolonialherren reserviert waren und Schwarze nur Zutritt hatten, wenn sie dort arbeiteten. Doch aus dem kollektiven Gedächtnis vieler ausgewanderter Portugiesen scheinen diese beschämenden Reminiszenzen verschwunden zu sein.

Damit auch Mosambikaner am Rohstoff-Boom teilhaben, bemühen sich staatliche Stellen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Entwicklungsbanken um Ausbildung in dem Land. Denn rund 45 Prozent der Bewohner Mosambiks sind Analphabeten.

Furcht um die "guten Jobs"

Einer, der von den Programmen profitiert, ist der 21-jährige Mosambikaner Santos Manhinque. Er besucht in der Hauptstadt Maputo ein von der GIZ unterstütztes Berufsbildungszentrum und lässt sich zum Elektriker ausbilden. Später, hofft er, werde er einen der begehrten Jobs in der Rohstoffindustrie ergattern. "Solange wir noch nicht die notwendige Ausbildung haben, brauchen wir gute Vorschriften, die regeln, dass uns Portugiesen und andere Ausländer nicht die ganzen guten Jobs wegschnappen", sagt er.

Mosambikanische Politiker haben diese Ängste vor den Arbeitsmigranten verstanden: "Laut unseren strengen Gesetzen kann ein Ausländer nur eingestellt werden, wenn kein gleichqualifizierter Mosambikaner zur Verfügung steht. Zudem darf höchstens ein Zehntel der Belegschaft aus dem Ausland stammen", sagt die für die Berufsausbildung zuständige stellvertretende Bildungsministerin Leda Hugo. "Allerdings", räumt sie ein, "kein Entwicklungsland der Welt, in dem plötzlich viele Rohstoffe entdeckt werden, kann den Boom mit nationalen Kräften allein bestreiten." (Philipp Hedemann aus Maputo /DER STANDARD, 2.10.2012)