Gnade vor Recht? - "Der Kaufmann von Venedig".

Foto: Christian Brachwitz

Linz - Am Ende weint auch der Himmel. Es regnet von der Decke auf die ohnehin schon unter Wasser gesetzte Bühne. Es ist das unklare Ende einer unscharfen Inszenierung von Shakespeares Kaufmann von Venedig am Landestheater in Linz. Obwohl Gerhard Willert, der nicht nur Regie führt, sondern auch selbst übersetzt hat, bemüht ist, die Geschichte zügig voranzutreiben: Aus zeitökonomischen Gründen belässt er das Ensemble fast immer auf der Bühne. Auf Kaffeehaussesseln sitzen die Schauspieler aufgefädelt, warten hinter venezianischen Renaissancebögen auf ihren Auftritt und quietschen dann in Gummistiefeln über die Bühne. Das komplexe Spiel um Neid, männliche Verlustängste und das Pochen auf Recht braucht nur knappe zweieinhalb Stunden.

Der venezianische Kaufmann Antonio bürgt für seinen Freund Bassanio beim jüdischen Geldverleiher Shylock. Die beiden sind sich in alter Feindschaft verbunden, Antonio hat Shylock mehrfach öffentlich gedemütigt, da der, nicht an das christliche Zinsverbot gebunden, eben solche einheben kann. Diesmal aber macht Shylock eine Ausnahme: Anstelle von Zinsen will er ein Pfund Fleisch aus Antonios Brust, sollte der das Geld nicht fristgerecht zurückgeben. Genau das geschieht.

Es kommt zur Gerichtsverhandlung, die Männer schrammen knapp am Blutverlust vorbei, gerettet und gleichzeitig vorgeführt werden sie von der Listigkeit der Frauen, ein Glücksgriff auch besetzungstechnisch: Barbara Novotny (Portia) und Judith Richter (Nerissa). Ebenso Thomas Bammer als Antonio und Lutz Zeidler als Shylock. Aufgesetzt wirkt, wie Willert zur Frage, ob der Kaufmann nun antisemitisch ist oder nicht, Stellung bezieht: Während Shylocks Monolog ("und wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht?") kommen alle Schauspieler nach vorn und blicken betroffen ins Publikum.

Schade auch, dass manche Schauspieler ihren Text nicht sprechen, sondern nachgerade brüllen, vor allem Anna Eger als Shylocks Tochter Jessica. Eine Inszenierung, die irgendwie unscharf ist, ein wenig verkrampft und eben blass. (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 2.10.2012)