Gerhard Steinkogler im September 2012 im Cafe Albrecht. "Was ich erlebt habe, erleben andere in drei Leben nicht."

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Wien - Am Meer ist Gerhard Steinkogler seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gewesen. Aber die Alte Donau ist erstens auch Wasser und zweitens nicht schlecht. Der Sommer hat ihn gebräunt. "A gute Farbe kannst dir überall holen." Steinkogler sitzt im Cafe Albrecht in der Simmeringer Hauptstraße, für Ende September ist es kuschelig warm. "Gemma in den Schanigarten." Das Albrecht ist sein zweites Wohnzimmer, der Wirt sagt, "der Gerhard ist unser liebster Stammgast". Der Gerhard trinkt kleine Moccas.

Fotos aus alten Zeiten hat er mitgebracht, die Zeitungsartikel hat er ausgeschnitten und in Alben gebündelt. Ein bisserl vergilbt sind sie, aber man kann sie durchaus lesen. Irgendwo hat er eine Kiste mit Videos von seinen Spielen, aber VHS ist praktisch ausgestorben, es zahlt sich folglich nicht aus, danach zu suchen. Zeit hätte er. Steinkogler ist seit 2011 Frühpensionist, elf Jahre lang hat er bei der MA 6 gearbeitet, die Stadthauptkassa war sein Revier.

Wie er den Tag verbringt? "Ich mache alles und nichts, versuche zu schlafen, treffe Freunde oder bin alleine." Jedenfalls schluckt er täglich 24 Pulver. "Bis an mein Lebensende." Ein paar für die Nieren, ein paar fürs Herz, den Rest für beides. "Ich beschwere mich nicht. Das ist der Preis des Ruhms. Was ich in meinem Leben erlebt habe, erleben andere in drei nicht." Abgesehen davon ist Steinkogler ein gläubiger Mensch. "Leider auch ein gutgläubiger. Manchmal bin ich ganz schön blöd gewesen. Wahrscheinlich hätte ich mehr aus meiner Karriere rausholen können. Wurscht, man kann die Vergangenheit nicht ändern."

Rückblick. Der kleine Steirerbua aus Graz war ein Riesentalent. Schnell, wendig, kopfballstark, bereits als 17-Jähriger wurde er in den Profikader des GAK aufgenommen. Sie nannten ihn Copa, weil er schon als Hosenscheißer von Brasilien geträumt hat. "Von Pele und den anderen." Internationale Klubs wurden auf ihn aufmerksam, Werder Bremen schlug im Dezember 1979 zu, die Ablöse betrug 5,5 Millionen Schilling. Für damalige Verhältnisse war das der pure Wahnsinn. Da hatte Copa auch schon das erste Länderspiel hinter sich (vier weitere folgten), beim 3:1 gegen Ungarn schoss er das letzte Tor. Bremen ist irgendwie schiefgegangen, das Engagement begann mit einem Seitenbandriss und endete nach nur sieben Einsätzen und einem Treffer.

Steinkogler trifft in Barcelona

Im Sommer 1980 holte ihn die Wiener Austria, Copa schaffte den Durchbruch. Meistertitel 1981, im Europacup der Cupsieger eliminierte er mit zwei Toren Panathinaikos Athen. Und dann hat die Austria auch noch Barcelona ausgeschaltet. Steinkogler traf im Camp Nou, Endstand 1:1, die Auswärtstorregel machte das Wunder möglich. "Das vergisst man nie."

Es folgten kurze Gastspiele in Innsbruck und beim Stammverein GAK, 1984 schlug die Austria erneut zu. Zwei weitere Meistertitel waren die Beute. "Ich bin eben ein richtiger Austrianer", sagt Copa. Freundschaften fürs Leben hat er geknüpft, mit dem Herbert Prohaska, dem Felix Gasselich, dem Ernst Baumeister und anderen. "Tolle Menschen, überhaupt nicht abgehoben. Sie haben den kleinen Steirerbua akzeptiert. Vielleicht auch deshalb, weil ich immer Respekt hatte. Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück."

Das verdiente Geld hat Copa nicht gerade nachhaltig angelegt. "Wir haben im Moment gelebt. Wurscht. Ich bin bescheiden. Weil mir nichts anderes übriggeblieben ist." Der Mensch erinnert sich ohnedies lieber an die schönen Dinge. "Der Polster, der Nyilasi und ich haben im Sturm gespielt. Das muss man sich einmal vorstellen." Vorstellen muss man sich auch Folgendes: 1986 wechselte er zur Vienna. Und Copa durfte mit dem legendären Argentinier Mario Kempes in einer Mannschaft arbeiten. Er selbst wollte immer nach Südamerika, und plötzlich ist Südamerika zu ihm auf die Hohe Warte gekommen. "Unvergesslich, der Mario." Steinkogler erzielte in 322 Bundesligapartien laut offizieller Statistik 99 Tore. "Ich glaube, es waren 100."

Die Karriere klang in Unterligen aus, 1995 ist er auf dem Fußballfeld zusammengebrochen. Ärzte diagnostizierten eine schwere Medikamentenvergiftung. Als Folge des dauernden Fitspritzens. "In meiner Zeit ist auf Teufel komm raus fitgespritzt worden. Die Kader waren nicht so groß, auch ich selbst wollte immer nur spielen und gewinnen."

Die Nieren versagten, Steinkogler musste viermal pro Tag Bauchdialysen vornehmen. "Das ist keine Lebensqualität, da wird man überdrüssig." Der Zustand verschlimmerte sich, fast vier Jahre wartete er auf eine passende Spenderniere. Anfang 2010 konnte eine transplantiert werden. Nach der Operation ist eine Naht geplatzt, Copa sagt: "Ich war eigentlich tot. Es ging um Sekunden."

Legendenklub-Mitglied bei der Austria

Am 29. September 2012 ist Gerhard Steinkolgler 53 Jahre alt geworden. Er hat im Cafe Albrecht vorbeigeschaut, hätte sich ganz gerne die Austria gegen den WAC gegeben. "Ich bin ja im Legendenklub." Aber sein 24-jähriger Sohn Manuel hat in der Oberliga B mit Kapellerfeld in Gerasdorf gegen Großfeld gekickt. "Man muss Prioritäten setzen." Manuel hat übrigens 0:3 verloren.

Copa hat keine großen Pläne, höchstens ein paar Wünsche. "Meinem Buam soll es gut gehen. Auch ich will noch ein Zeiterl dableiben. Und ein schönes Wetter wäre auch nicht schlecht." Brasilien wird sich wohl nicht mehr ausgehen. "Man kann nicht alles haben. In der Alten Donau kann man auch schön schwimmen." (Christian Hackl, DER STANDARD, 1.10.2012)