Graz - Düster, grau, aus Stahlgerüsten und geschwärzten Wänden zusammengeschraubt, steht dieses Amerika vor dem Einwanderer Karl Roßmann. Claudius Körber wandelt als Roßmann konzentriert und dünnhäutig durch das Land, das ihm fremd bleibt, obwohl ihn gleich bei seiner Ankunft der gutsituierte Onkel (Stefan Suske) unter seine Fittiche nimmt.

Nach durchwegs erfolgreichen und teilweise preisgekrönten Produktionen wie Alice, Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten oder Sommernachtstraum kehrte der 34-jährige Theaterberserker aus Ungarn, Viktor Bodó, ein weiteres Mal ans Grazer Schauspielhaus zurück. Wie schon zuvor in einer dramatischen Bearbeitung von Das Schloss erarbeitete Bodó wieder eine Bühnenfassung von einem Kafka-Text. Diesmal nahm er sich das Romanfragment Amerika zur Brust und eröffnete damit die Saison. Bodós Szputnyk Shipping Company aus Budapest ist kongenial mit dem Ensemble des Grazer Hauses eingespielt.

Fast alle sind sie in Mehrfachrollen eingesetzt und werfen sich die Sätze zu wie Jongleure. Neben Körber und Suske glänzen vor allem Péter Jankovics, András Lajos, Jan Thümer. Ein Vergnügen ist es auch, Katharina Klar, Katharina Paul und Kata Petö zuzusehen - egal, ob sie gerade Revuegirls geben oder als Engel mit Tennisschlägerflügeln eine Szene einrahmen. Petö nimmt als Brunelda fast gruselige Züge an, wenn sie aus einer kleinen Wanne heraus ihre Umwelt beherrscht und dabei doch zutiefst verletzlich wirkt.

Die Bühne von Juli Balázs, die allerlei Klappen, Türen, Luken bereithält, wandelt sich im Laufe des Abends immer wieder - etwa vom Schiff zum Landhaus zum Hotel und so weiter.

Bodó beweist abermals, dass er sich trotz rauschhafter Bilder auch der hochkomplexen Textwelt Kafkas nähern kann. Sein Amerika lebt zwar vom Slapstick, ebenso aber von ruhigen Anspielungen. Etwa in einer Szene, in der Roßmann die Freiheitsstatue aus der Ferne ansieht und ihre Fackel für ein Schwert hält - eine nicht unwichtige Passage für Graz, da die neben der Oper stehende Skulptur Lichterschwert von Hartmut Skerbisch aus diesem Grund ein Schwert trägt. Bei Bodó sitzt Roßmann nicht in einem Boot, sondern sieht sich die Statue aus einem Flugzeug an.

Bodó lässt die Techniker noch während des Stücks das Bühnenbild abbauen - eine schöne Metapher für das Fragmentarische des Textes, dem er einen eigenen Schluss verpasst: Die Musiker werden in den Himmel gezogen, bis der swingende Sound (Musik: Klaus von Heydenaber), der über allem lag, vom langen Applaus abgelöst wird. (Colette Schmidt/DER STANDARD, 1. 10. 2012)