Richard Wadani an dem Ort, an dem er das Denkmal für die Wehrmachtsdeserteure sehen will - am Ballhausplatz bei der Präsidentschaftskanzlei und dem Kanzleramt. Was gegen diesen Standort sprechen würde? Wadani: "Es gibt keine Gründe."

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STANDARD: Seit zwei Jahren verhandeln Sie mit SPÖ und Grünen über ein Denkmal für Wehrmachtsdeserteure. Ist ein Ergebnis in Sicht?

Wadani: Es wurden zwar Standorte aufgenommen, und es wird viel diskutiert, aber auf unsere Argumente wird nicht eingegangen. Ganz im Gegenteil: Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny will uns bloß einen Platz im Rahmen der Neugestaltung des Äußeren Burgtors am Heldenplatz oktroyieren. Da machen wir nicht mit.

STANDARD: Was stört Sie an diesem Standort?

Wadani: Im Arbeitsabkommen der rot-grünen Stadtregierung wurde ein eigenständiges Denkmal festgehalten. Außerdem weiß niemand, wie die Neugestaltung des Äußeren Burgtors samt Krypta aussehen wird, geschweige denn, wann das fertiggestellt werden soll. Wir wollen auch keine Gedenktafel in irgendeinem Raum, sondern ein Denkmal.

STANDARD: Wird das Denkmal, wie angepeilt, 2013 stehen?

Wadani: Mit dem Standort Ballhausplatz, den wir wollen, würde es sich eher ausgehen. Alles andere verzögert nur. Für mich ist klar, wenn das Denkmal 2013 nicht steht, wird es sehr schwer sein, dass es noch kommt. Da glaube ich dann nicht mehr daran.

STANDARD: Warum haben Sie sich auf den Ballhausplatz festgelegt?

Wadani: Der Grund gehört der Gemeinde Wien und war immer schon für ein Denkmal vorgesehen, und er liegt ideal zwischen Präsidentschaftskanzlei und Bundeskanzleramt - also sehr zentral mit Blick auf den Heldenplatz.

STANDARD: Was spricht dagegen?

Wadani: Es gibt keine Gründe. Man will uns woanders hindrängen und diskutiert und diskutiert.

STANDARD: Wird die Sache in die Länge gezogen?

Wadani: Klar. Das ist offenbar der Versuch, uns als die Verhinderer dastehen zu lassen.

STANDARD: Warum soll der Kulturstadtrat das tun?

Wadani: Sie können nicht "Nein" sagen, weil ein Denkmal im Regierungsabkommen vereinbart ist. Sie können es aber so auf die Spitze treiben, dass man uns den schwarzen Peter zuschiebt. Ich glaube, die wollen kein Denkmal.

STANDARD: Mailath-Pokorny sagt, es werde nichts gegen Sie und das Personenkomitee entscheiden.

Wadani: Das sagt er. Gleichzeitig wird der Ballhausplatz als Standort nicht akzeptiert. Worauf wartet er? Wir Überlebenden sind nicht mehr viele. Wir haben zwar die Rehabilitierung durch ein Gesetz erlebt, wir möchten aber auch das Denkmal erleben.

STANDARD: Sie sind 89 Jahre alt. Wissen Sie, wie viele andere Wehrmachtsdeserteure noch leben?

Wadani: Das ist schwierig zu sagen. Wir sind als Deserteure ja praktisch nie zusammengekommen. Das hängt auch damit zusammen, dass sich sehr viele nicht deklariert haben. Und viele sind natürlich längst verstorben. Wenn die Stadt weiter nichts macht, sind alle tot. Dann ist der Fall erledigt, man kann das in ein Geschichtsbuch hineinschreiben und fertig.

STANDARD: Man hat nicht dazugelernt?

Wadani: Nein. Die öffentliche Meinung ist auch immer noch gegen uns gestellt. Das Rehabilitierungsgesetz ist etwas größer behandelt worden, aber in der Öffentlichkeit ist das nicht angekommen.

STANDARD: Wo machen Sie die negative Stimmung fest?

Wadani: Österreich hat tausende Heldendenkmäler, das waren die Guten, die Braven. Wir haben den Krieg verweigert und damit in der öffentlichen Meinung unsere Väter und Großväter verraten.

STANDARD: Was sagen Sie jemandem, der Fahnenflucht generell als Verbrechen ansieht?

Wadani: Ich würde nur fragen: Unter welchen Umständen konnte Österreich frei und unabhängig werden? Wenn Hitlerdeutschland den Krieg gewinnt oder wenn es ihn verliert?

STANDARD: Sie haben nach dem Krieg über Ihre Flucht gesprochen und bittere Erfahrungen gemacht ...

Wadani: ... da war ich zu naiv, muss ich heute sagen. Ich kam 1946 zurück nach Wien. Ich bin in meiner britischen Uniform zum Arbeitsamt gegangen, der Beamte hat mich gleich gefragt, wie ich dazu komme, in einer fremden Armee gedient zu haben. Die fremde Armee war für mich die deutsche.

STANDARD: Wo hapert's in der Politik?

Wadani: Volkstümlich gesprochen: Die Politiker haben die Hosen voll. Wenn sie wissen, dass die Stimmung gegen die Deserteure ist, dann werden sie sich nicht als Befürworter starkmachen.

STANDARD: Immerhin wurde 2009 ein Gesetz beschlossen, dass alle Wehrmachtsdeserteure rehabilitiert sind.

Wadani: Das hat mehr als zehn Jahre gedauert. Die Politiker schätzen das schon richtig ein. So ein Gesetz geistert kurz durch die Medien, und dann ist der Fall erledigt. Kein Mensch redet mehr darüber.

STANDARD: In Deutschland gibt es seit den 1980er-Jahren rund 30, bei uns gar keines. Wieso ist das so?

Wadani: Der Unterschied ist, dass unser Verhältnis zur Geschichte schlampiger ist. Die eigene Verantwortung wurde dort viel stärker verarbeitet. In Österreich hat man die Möglichkeit genutzt, zu sagen, wir waren die Opfer. Das konnten die Deutschen nicht. Ein Beispiel: Bei der Pensionsversicherung wird die Waffen-SS mit der Wehrmacht gleichgestellt - man ist damit bezugsberechtigt. Historisch ist das natürlich völlig falsch. Aber was erwarten Sie da?

Standard: Ist das auch eine Generationenfrage?

Wadani: Viele Tausend sind damals mit Begeisterung in den Krieg gezogen sind. Die Soldatengeneration, die zurückkam, der sagte man nicht, du hast auf der falschen Seite gekämpft. Dem ist man ausgewichen und hat gesagt: Sie haben ihre Pflicht getan.

Standard: Sie sind am 31. Oktober Ehrengast bei einer Feier von Bürgermeister Michael Häupl anlässlich Ihres 90. Geburtstages ...

Wadani: Bürgermeister Häupl hat sein Kommen leider schon abgesagt. Was hätte er aus heutiger Sicht sagen sollen? Etwa: In den letzten zwei Jahren gab es freundliche Sitzungen, sonst geht aber nichts Konkretes weiter? Solange es keine vernünftige Standortentscheidung gibt, steht das Werkl. (Peter Mayr, DER STANDARD, 1.10.2012)