Eine Klasse beim Lernen der Schaltkästen.

Foto: derStandard.at/Alkan

Ausbildnerin Nadine Kellner in der Metall-Werkstatt.

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Manchmal wird die zierliche Ausbildnerin zwar von männlichen Kursteilnehmerinnen unterschätzt, aber sobald die Männer selbst ihre handwerklichen Fertigkeiten beweisen müssen, verschwinden die Vorbehalte.

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Wenn es um die Wahl der Lehrberufe bei Mädchen geht, dann sind es immer noch typische Frauenberufe wie Friseurin oder Bürokauffrau, die am höchsten auf der Wunschliste stehen. Laut Lehrlingsstatistik 2011 der WKO werden knapp die Hälfte der rund 44.000 weiblichen Lehrlinge in Österreich in den drei Sparten Einzelhandel, Friseur und Bürokauffrau ausgebildet. Als Schlusslicht unter den zehn häufigsten Lehrberufen bei Mädchen taucht der Lehrberuf Metalltechnik mit 776 weiblichen Lehrlingen auf.

Claudia W. hat sich auch für einen nicht typischen Frauenberuf entschieden. Die 37-Jährige absolviert gerade eine Ausbildung zur Elektroanlagentechnikerin im zweiten Bildungsweg am Berufsausbildungszentrum (BAZ) des bfi Wien. Sie hat sich zunächst gleich nach der Schule für den Lehrberuf Friseurin entschieden, aber nicht aus Interesse. "Früher war das einfach so, dass Mädchen in diesem Bereich was gefunden haben, alles andere war tabu. Und ich wollte auch schnell eine Lehrstelle finden, um raus aus der Schule zu kommen", erzählt sie.

Raus aus dem Teilzeitjob

Obwohl es nicht ihr Traumberuf war, hat sie die Lehre als Friseurin dennoch abgeschlossen, weil sie nicht ohne Lehrabschluss dastehen wollte. Als sie dann vor 16 Jahren das erste Kind bekommen hat, wechselte sie in den Einzelhandel, wo sie zwölf Jahre teilzeitbeschäftigt war. Dieser Job hat sie letztendlich auch dazu bewogen, einen technischen Lehrberuf nachzuholen. "Ich hatte das Hilfsarbeiterdasein satt, man wird im Einzelhandel als Teilzeitbeschäftigte ausgebeutet und ist austauschbar", sagt Claudia W.. Sie will als Pensionistin nicht mit einer Mindestpension auskommen müssen und ist sich sicher, dass "Technik die Zukunft ist".

Claudia W. ist über das FIT-Förderprogramm (Frauen in Handwerk und Technik) zur Ausbildung gekommen. Das Programm wird seit 2006 in Kooperation mit dem AMS durchgeführt. Arbeitslosen Frauen wird so die Möglichkeit geboten eine FacharbeiterInnen-Intensivausbildung in Metall-, Elektro- und EDV-Berufen zu absolvieren.

Drei Jahre Lehre in der Hälfte der Zeit

Jetzt holt sie in 14 Monaten das nach, was man eigentlich in drei Jahren Lehre lernt. Zu Beginn, nach einer Vorausbildung in der FIT-Orientierungsphase, wird eine 12-wöchige Grundausbildung, in der die Fähigkeiten der 4. Klasse Hauptschule in den Fächern Mathematik, Physik und geometrisches Zeichnen wiederholt und auch handwerkliche Grundfertigkeiten in den Werkstätten geübt werden, absolviert.

Die Grundausbildung wird nicht nach Geschlechtern getrennt angeboten. Pro Kurs sitzen dann ein bis zwei Frauen in der Klasse. Claudia W. ist momentan die einzige Frau in ihrer Klasse, blöd angesprochen wurde sie deswegen noch nicht. "Es gibt keine Probleme, weder mit den Trainern, noch mit den Kollegen. Ein paar Chauvinisten unter den männlichen Kursteilnehmern gibt es natürlich immer", sagt sie. Von 7.15 bis 16 Uhr drückt die 37-Jährige wieder die Schul- bzw. die Werkstattbank. Als zu anstrengend empfindet sie die modulare Ausbildung nicht, auch wenn es alle zwei Wochen eine schriftliche oder praktische Prüfung gibt, mit der das Modul abgeschlossen wird.

Das FIT-Programm wird zu 100 Prozent vom AMS gefördert, auch die männlichen Kursteilnehmer müssen für die technische Intensivausbildung im zweiten Bildungsweg nicht selbst aufkommen. Schließlich führen solche Förderangebote viele Menschen aus der (Langzeit-)Arbeitslosigkeit heraus und wirken gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegen. Für Johann Gettinger, Bereichsleiter beim BAZ, gibt es keinen Grund warum nicht auch Frauen einen technischen oder handwerklichen Beruf ausüben können. "Einstiegshemmnisse, zum Beispiel körperlicher Art, gibt es für beide Geschlechter. Wer nicht schwindelfrei ist, kann kein Spengler sein, egal ob Mann oder Frau", so Gettinger.

Frauen als Ausbilderinnen in Männerberufen

Er wünscht sich, dass der Frauenanteil am BAZ in den nächsten Jahren von zehn auf zwanzig Prozent steigt. "Je höher der Frauenanteil, desto besser. Die Frauen haben Ruhe in das Haus gebracht", merkt er an. Mehr weibliches Ausbildungspersonal wünscht er sich ebenfalls, derzeit gibt es Trainerinnen in den Sparten Metall und Holz.

Eine davon ist Nadine Kellner, die seit 2005 Metall-Ausbildnerin im BAZ ist. "Mich hat schon immer interessiert, wie die Dinge funktionieren, meine Eltern haben das technische Interesse auch immer gefördert", erzählt Kellner. So hat sie als Teenager damit angefangen den Kassettenrekorder auseinander zunehmen und zum Geburtstag das Buch "Wie Technik funktioniert" von den Eltern geschenkt bekommen. In der Hauptschule sorgten ihre Eltern auch dafür, dass Kellner am "Bubenwerken" teilnehmen konnte.

Die HTL-Ausbildung nach der Hauptschule hat Kellner aber abgebrochen, "weil die reine Theorie in dem Alter zu viel war". Die Lehre als Werkzeugmacherin war dann der nächste Schritt, den sie nicht bereut. Heute ist sie selbst Ausbildnerin, dafür hat sie auch den Meister in Maschinenbau nachgeholt, und besucht berufsbegleitend die HTL-Abendschule.

"Männer haben Respekt"

Manchmal wird die zierliche Ausbildnerin zwar von männlichen Kursteilnehmerinnen unterschätzt, aber sobald die Männer selbst ihre handwerklichen Fertigkeiten beweisen müssen, verschwinden die Vorbehalte. "Ich habe den Vorteil, dass ich Praxis unterrichte und die Dinge immer vorzeige. Bei mir schaut das relativ einfach aus, aber in dem Moment, in dem sie es selbst nachmachen müssen, sehen sie, dass es nicht so einfach ist und haben Respekt, weil sie sehen dass ich eine Ahnung davon habe", erzählt sie von ihrem Berufsalltag als Ausbildnerin unter vielen Männern.

Sie rät jungen Frauen, nicht davor zurückzuschrecken einen Berufsweg in den Bereichen Handwerk oder Technik einzuschlagen. "Wenn es Spaß macht, mit Metall oder Holz zu arbeiten, dann ist dieser Berufsweg auf jeden Fall der richtige." Der Blick der Männer auf Frauen in diesen Berufen habe sich schon geändert, auch wenn es in der älteren Generation noch teilweise Vorbehalte gibt. "Mittlerweile sind die typischen Geschlechterbilder nicht mehr so stark vorhanden. 'Du bist eine Frau, du kannst das nicht heben', solch ein Denken ist fehl am Platz und unsere Teilnehmerinnen können das auch immer wieder beweisen", sagt Kellner. (Güler Alkan, derStandard.at, 1.10.2012)