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Umjubelter Parteiführer: Tayyip Erdogan lässt sich mit seiner Frau Emine beim Parteitag in Ankara feiern.

Foto: dapd/Altan

Beim Parteitag der türkischen Regierungspartei AKP hat Premier Erdogan wie erwartet neue Politiker wie den Islamisten Numan Kurtulmus ins Führungsgremium aufnehmen lassen. Kurtulmus könnte Erdogan nachfolgen, wenn dieser 2014 Präsident wird.

Ankara/Istanbul - Die Begrüßung übernahm er gleich selbst. Tayyip Erdogan geht die Liste der türkischen Provinzen und Städte durch, heißt die Gäste aus dem Ausland willkommen und auch die, die nicht in der größten Halle sind, die Ankara zu bieten hat: die "Helden" des syrischen Aufstands und jene aus Jerusalem, womit der türkische Premier die Palästinenser meint. Es ist der Tag der Heerschau für Tayyip Erdogan und zugleich der Weichenstellung nach zehn Jahren an der Macht.

Der Chef der radikalen Palästinensergruppe Hamas, Khaled Meshaal, war auch einer der Gastredner beim Parteitag der türkischen Regierungspartei AKP am Sonntag in Ankara. Ebenso der ägyptische Präsident Mohammed Morsi und - wohl der größte außenpolitische Affront, den sich die Regierungspartei leistete - der im türkischen Exil lebende irakische Vizepräsident Tarik al-Ha shemi, dessen Auslieferung Bagdad verlangt.

Zwei Stunden redet Erdogan und beschwört den Erfolg seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung. Ein Mann auf einer Bühne, breit wie ein Fußballfeld. 2023, der 100. Geburtstag der türkischen Republik, genügt nicht mehr als Ziel für den Machtanspruch der AKP. Erdogan wendet sich an die Jugendlichen in der Ankara Sport Arena und spricht von 2071, dem 1000. Jahrestag der Schlacht der Seldschuken gegen das Byzantinische Reich.

"Müjahet Erdogan", schallt es von den Rängen zurück, ein Titel, mit dem früher der Islamist Necmettin Erbakan bedacht wurde.

Erdogan wird für eine vierte Amtszeit als Parteivorsitzender gewählt. 2014 will er ins Amt des Präsidenten wechseln. Weil ein Parteistatut festlegt, dass kein AKP-Mitglied mehr als drei gewählte Mandate hintereinander ausüben darf, sind große Rochaden nötig: 73 Abgeordnete und Minister müssen bis zu den nächsten Parlamentswahlen 2015 von der nationalen Bühne. Die wichtigsten Neuzugänge in der Partei wurden am Sonntag bestimmt: Der Zentrumspolitiker Süleyman Soylu und der Islamist Numan Kurtulmus kamen in den Parteirat; Kurtulmus gilt als möglicher Nachfolger Erdogans im Amt des Partei- und Regierungschefs.

Der Parteitag kam dabei zu einer für die AKP und die Regierung ungünstigen Zeit. Schlechte Wirtschaftszahlen, Kritik an der Syrien-Politik und fortgesetzte Anschläge der kurdischen Untergrundarmee PKK auf Soldaten und Zivilisten führten erstmals seit langem zu einem Einbruch in den Meinungsumfragen.

Auf dem falschen Kurs

Von 54 auf 32 Prozent fiel zwischen Juni und September die Zahl der Türken, die der Ansicht sind, ihr Land liege derzeit auf dem richtigen Kurs, so ergab eine Umfrage des Metropoll-Instituts. Fast 60 Prozent der Befragten würden auch lieber sehen, dass Staatspräsident Abdullah Gül nochmals für das höchste Amt kandidiert und nicht etwa Erdogan.

Erneute massive Steuererhöhungen bei Benzin, Alkohol, Neuwagen und Erdgas stoßen auf Kritik. Der Liter Benzin kostet inzwischen um 4,80 Lira, rund 2,08 Euro. Die Wirtschaft wächst langsamer als prognostiziert, im zweiten Quartal nur zwei Prozent nach acht Prozent 2011. Zudem ist das wichtigste innenpolitische Projekt, das die AKP im vergangenen Jahr zum Wahlkampfthema gemacht hatte, blockiert: Der Parlamentsausschuss für eine neue Verfassung hat sich bisher nur auf zwei Artikel einigen können. (Markus Bernath/DER STANDARD, 1.10.2012)