Mogadischu - In Somalia haben die Truppen der Afrikanischen Union (AMISOM) den islamistischen Shabaab-Milizen eine schwere Niederlage zugefügt. Die Milizen mussten sich unter dem Druck der vorrückenden AMISOM-Truppen in der Nacht auf Samstag aus der wichtigen Hafenstadt Kismayo zurückziehen, wie ein Milizen-Sprecher bestätigte. Kismayo galt als letzte Hochburg und wirtschaftliche Basis der Rebellen.

Der Milizensprecher Ali Mohamud Rage sagte, es handle sich um einen "taktischen Rückzug". Fünf Jahre lang habe in der Stadt das Gesetz der Scharia geherrscht. Jetzt habe sich die Miliz "geordnet" zurückgezogen, um zivile Verluste zu vermeiden. Der örtliche Milizenkommandeur Sheik Mohamed Abu-Fatuma sagte am Telefon, der Rückzug sei Teil einer "militärischen Strategie".

Die AMISOM-Soldaten aus Kenia und somalische Regierungstruppen wollen die Stadt nach eigenen Angaben "friedlich" einnehmen. Es gelte zuerst, Minen zu entschärfen, welche die Shabaab-Milizen "wahrscheinlich" hinterlassen hätten, sagte der stellvertretende Kommandant der somalischen Armee, General Abdikarin Youssouf Dhegobadan.

Offensive

Kenias Armee hatte ihre Offensive auf Kismayo in der Nacht zum Donnerstag gestartet. Unter dem Schutz von Hubschraubern landeten die Truppen am Strand vor der Stadt. Die Luftwaffe des Landes flog mehrere Angriffe, bei denen laut einem Armee-Sprecher zwei regionale Anführer der Shabaab getötet wurden. Keine 24 Stunden nach Beginn der Offensive verließen die Islamisten die Stadt.

Ein Bewohner Kismayos sagte, die Milizen seien nicht mehr zu sehen. Auch der von den Shabaab betriebene Radiosender habe seine Sendungen eingestellt. Ein anderer Einwohner sagte, die Milizen hätten vor ihrem Rückzug das Hauptgefängnis der Stadt und die Polizeiwache geöffnet und alle Gefangenen freigelassen. Zeugen sagten, es herrsche eine angespannte Stimmung in der Stadt. Mindestens drei Zivilisten wurden demnach bei Racheakten von Unbekannten getötet.

Die Shabaab drohten jedoch mit ihrer Rückkehr. Nach Jahren der friedlichen Scharia-Herrschaft werde Kismayo ein "Schlachtfeld zwischen den Muslimen und den ungläubigen Eindringlingen", schrieben die Milizen auf ihrem Twitter-Account. Shabaab-Sprecher Rage sagte, die Milizen seien in den Außenbezirken Kismayos. Die kenianischen Truppen würden nicht "ruhig schlafen" können.

Letzte Hochburg

Kismayo mit seinen 160.000 bis 190.000 Einwohnern galt als letzte Hochburg der Milizen und als deren wirtschaftliche Basis. Sie profitierten dort von der Hafenwirtschaft und ließen sich Waffen liefern. In den vergangenen Monaten waren die Islamisten von äthiopischen Truppen bereits aus mehreren Städten im Westen Somalias vertrieben worden. Vor etwa einem Jahr mussten sie sich aus der Hauptstadt Mogadischu zurückziehen.

Noch immer kontrolliert die Shabaab mit ihrer ultrakonservativen Auslegung des Islam aber weite Landstriche im Süden und im Zentrum des ostafrikanischen Landes. Mit der Wahl des neuen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud (Mohamoud) am 10. September und dem Vormarsch der Schutztruppe AMISOM verstärken sich die Hoffnungen auf ein Ende des seit 21 Jahren andauernden Bürgerkriegs. (APA, 30.9.2012)