Die Chancen, dass sich die Regierung auf ein Modell für einen Ethik-Unterricht an Schulen einigen könnte, sind weiterhin verschwindend gering. Denn während Unterrichtsministerin Claudia Schmied, die bis Jahresende entsprechende Konzepte vorlegen will, für eine verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schüler ist, schwebt der ÖVP ein solcher nur als Ersatz für den konfessionellen Religionsunterricht vor. Und diese Position hat die Volkspartei in Person ihres Integrationsstaatssekretärs Sebastian Kurz nun auch in ein Positionspapier gegossen, schreibt die "Presse" (Sonntag-Ausgabe) laut Vorabmeldung.

Nach ÖVP-Vorstellungen soll der Ethikunterricht ab der ersten Klasse Volksschule angeboten werden - allerdings nur als Ersatz für den konfessionellen Religionsunterricht, also für Schüler, die ohne religiöses Bekenntnis oder vom Religionsunterricht abgemeldet sind. Kurz, der auch Obmann der Jungen ÖVP ist, glaubt, dass somit "alle Schüler nach Ende der Schullaufbahn ein Basiswissen zu Ethik, Religion und Werten mitbringen". Der Religionsunterricht solle künftig stärker auch andere Religionen berücksichtigen. 

"Dialog, nicht Abschottung"

Enttäuscht zeigen sich die Grünen vom Beharren der ÖVP auf dem konfessionellen Religionsunterricht."Schade, dass Staatssekretär Kurz nicht für Integration, sondern für Trennung von Kindern je nach religiösem Bekenntnis eintritt", so Bildungssprecher Harald Walser in einer Aussendung am Sonntag. In Wien seien die Katholiken bereits eine Minderheit, in vielen Schulen könne daher nur eingeschränkt Religionsunterricht stattfinden: "Wir wollen Dialog und nicht Abschottung."

Die Grünen treten für einen verbindlichen "Ethik- und Religionenunterricht" ein, konfessioneller Religionsunterricht soll auf freiwilliger Basis erfolgen: "Wichtig ist es, dass in unserer multireligiösen beziehungsweise nichtreligiösen Welt Jugendliche mit oft unterschiedlichen Wertvorstellungen konfrontiert werden, mit den Menschenrechten, mit Religionen und ihren Grundsätzen. Das ist die Basis für ein respektvolles Zusammenleben in einer heterogenen Gesellschaft", so Walser.

"Straf-Ethikunterricht"

Auch die Sozialistische Jugend (SJ) ist gegen den ÖVP-Vorschlag eines Ethikunterrichts nur für jene Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmelden. "Wenn ein Ethikunterricht eingeführt wird, dann sollte er anstelle des Religionsunterrichts angeboten werden - und zwar mit eigens ausgebildeten Lehrkräften. Schwerpunkte sollten soziale Kompetenz, Philosophie und Klassengemeinschaft sein", so SJ-Vorsitzender Wolfgang Moitzi. "Mir scheint, die ÖVP will mit ihrer Idee einfach SchülerInnen, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, eine Art Straf-Ethikunterricht verordnen." Religion solle nur mehr als Wahlgegenstand angeboten werden.

Unterstützung für die ÖVP-Position, Ethik nur als Ersatz für Religion anzubieten, kommt dagegen von den Christlichen LehrerInnen und der geschäftsführenden Leiterin des Interdiözesanen Schulamtes Christine Mann. Nach mehr als 20 Jahren Diskussion und 15 Jahren Schulversuchen forderte Mann laut Kathpress nun Entscheidungen. Das Thema Ethik als Alternativunterricht dürfe nicht aufgrund von Finanzierungsproblemen verschleppt werden. Gleichzeitig müsse man sich überlegen, ob man wirklich mittel- bis langfristig den Staat zum Monopolisten für eine Art "Weltanschauungsunterricht" machen wolle. Ein Lernen aus der Geschichte und ein Nachgehen der Grundsatzfrage, warum totalitäre Regime zuerst einmal alle religiös geprägten Elemente aus dem Schulsystem eliminieren, sollte dabei nicht zu kurz kommen. (APA, 30.9.2012)