Die Ankündigungen im Magna Racino lassen Großes erwarten.

Foto: Thomas Rottenberg

Feinste Speisen werden serviert.

Foto: Thomas Rottenberg

Auch eine exklusive Vip-Zone ist eingerichtet worden.

Foto: Thomas Rottenberg

Das Parteiprogramm wird studiert.

Foto: Thomas Rottenberg

Dann endlich kommt Frank - und redet eine Stunde lang.

Foto: Thomas Rottenberg

Fasziniert wird zugehört.

Foto: Thomas Rottenberg

Etwas abseits vom Parteigeschehen spielt Ex-Miss-World Ulla Weigerstorfer die Glücksfee bei einer Tombola.

Foto: Thomas Rottenberg

Der Vater des Freundes ist "ein Sozi". Erklärte er, als wir am Kreisverkehr mit dem Pferd sind. Darum, sagte er, sei er in der SPÖ. Seit Jahrzehnten. Das Blöde, setzt er fort, während wir die lange Allee entlangfahren, sei halt, dass "für Sozis in der Partei kein Platz ist: Da sitzen Selbstversorger und mästen sich. Die kriegen nicht mit, wie weit sie vom Leben weg sind." Nein, betonte der Vater des Freundes, während wir eine Parklücke suchten, "das geht bis in die Sektionen. Sie sind so selbstgefällig und inzestuös, dass sie nicht einmal kapieren, warum das zum Speiben ist."

Der Wagen stand. Der ältere Herr - heute Pensionist, einst Beamter - stieg aus und streckte sich. Dann zeigte er auf das weiße Gebäude: "Der" sagte er, "kann was ändern. Der ist echt. Der hat was erreicht. Das können die nicht." Dann reihten wir uns in den Zug ein, der vom Parkplatz hinauf, zum weißen Gebäude zog: Zu Frank Stronach. Der Vater des Freundes war aufgeregt. Er hatte sich in Schale geworfen.

Der Ort

Das Magna Racino gibt sich das Flair der großen Welt. Also von Las Vegas. Aber auf Ebreichsdorfer Level. Die Showbühne ist da - die Stars nicht. Das Automatencasino steht bereit - außer ein paar depressiven Landwirten kommt keiner. Die Rennbahn ... - vergessen wir das: Es ging diesmal um Politik. Die Antwort auf alle Fragen. Die Rettung der Welt: "Geschichte wird gemacht", sangen die Fehlfarben einst.

Im weißen Bau wurlte es. Alle trugen Anzug. Oder Landhaus. Im Showbereich stiegen die Menschen einander auf die Zehen. Ich schaute genauer: So viele Securities (offen wie versteckt auftretend) hatte ich selten an einem Ort gesehen. Sehr viele Kellner. Viel in Anzüge gestecktes Eventpersonal. Ein Fünftel der Anwesenden tat so, als wäre es Journalist: Die Hütte war gar bei weitem weniger voll, als sie auf den ersten Blick schien.

Das Catering

Es gab Weißwurst oder Frankfurter. Außerdem Leberkäsesemmeln: Normal, pikant und Käseleberkäse. Im Untergeschoss auch Burger und Pommes. Auf Papptellern. Senf, Ketchup und Mayonnaise pumpte man aus dem Kübel. Die Kübel waren mit weißen Laken drapiert: Wenn jemand statt Senf Mayonnaise erwischte, blieb der Wurst-Karton oft einfach zurück.

Das Personal blickte dann indigniert. Es dauert, bis ich begriff: Das sind normalerweise Cocktailbars. Ein Kameramann scherzte: "Die kürzesten Frankfurter ever. Will uns Frank damit was sagen?" Einer starkblondierten Dame neben ihm fiel der Karton voll Senf runter. Genau auf seine Hose. Zufall. Bestimmt.

Der Experte

Der Innenpolitik-Kollege nahm mich zur Seite: Das BZÖ, sagte er, sei hiermit tot. Wieso, fragte ich. Ich kenne die Leute, sagte er. Erstens vom Sehen, zweitens den Typ. Das sind die, die sonst auf BZÖ-Veranstaltungen waren. Die FPÖ haben sie auch gewählt, aber es nicht zugegeben. Der Stronach aber kommt zu früh. Ein paar FP-ler werden ihm bleiben. Aber bis zur Wahl haben die meisten ihn wieder vergessen - und sind wieder beim Strache.

Der SPÖ wird das mehr weh tun, sagte der Kollege - und hatte noch etwas zu sagen: Da steckt noch wer im Hintergrund. Das alles riecht nach Westenthaler. Warten wir ab. Und der KHG kommt sowieso noch: Stronach braucht einen Spitzenkandidaten.

Das Warm Up

Michael Seida mühte sich. Die Menge bockte. Seida sang Guthrie - und deutschte die Texte ein. Aus US- Bundesstaaten wurden Dörfer in Niederösterreich. Dann kam ein Blues. Auf deutsch ein Lied über Qualen im Stau. Das Publikum saß stocksteif.

Neben mir stand W. Event- und Musikmanager - und "Freakbeobachter aus Passion", sagte er. "Diese Musik ist für diese Leute zu kompliziert. In den USA ist das Volksmusik. Wenn Frank schlau wäre, hätte er sich Status Quo für drei Songs geholt. Oder einen Schlager-Deppen. So wird das nix." Seida ging. Die Stimmung war feurig wie Grießbrei.

Die Überläufer

Man stellte die Partei-Überläufer vor. Sie standen da wie Schüler, die beim Rauchen am Klo erwischt worden sind. Bei zumindest einem stockte der Moderator beim Namen. Die Überläufer hielten Reden. Es waren Rechtfertigungen auf die hier nicht gestellte Frage: Wieso sie jahrelang brav duckmäusern - um jetzt plötzlich zu erklären, ab nun werde alles anders, neu und sauber?

Je länger sie redeten, umso offenkundiger wurde ihr Dilemma. Und: Binnen Sekunden hatten sie den Redefluss, den Rhythmus und die Melodie wieder drauf, die für sinnentleertes Polit-Gelaber typisch sind. Dass Mandatare aus unterschiedlichen Parteien "Grundsätzliches" erklären können, ohne dass es sich mit dem, was ein anderer sagt, spießt oder kreuzt, sagt auch einiges aus. Außerdem sind alle verheerend schlechte Redner.

Der Frankie

Stronach? Was man erwartet. Und kennt. Während er spricht, läutet sein Telefon im Sakko. Er ruft nach der Moderatorin: Sie soll das Telefon übernehmen. Die Moderatorin war früher seine Assistentin. Für manche Männer bleibt die Sekretärin immer Sekretärin - wenn sie es sich gefallen lässt. (Nebenfrage ins Off: Wer betreut eigentlich diesen Event? Denn "Handy aus" ist das zweite Gebot, das jeder Stage-Manager verkündet. Das erste ist "Hosentürlkontrolle")

Die Fanin

Im Publikum steht G. Ich kenne sie von früher. Sie war Rezeptionistin eines Hotels. Heiratete den Seniorchef: "Goldgräberin gone Trophywife", könnte man sagen. Jetzt ist sie "gut geschieden" und führt ein Kosmetik- und Nagelstudio. "An Stronach glaube ich. Dem hat keiner geholfen - und er hat es geschafft", sagt sie. "Wer das kann, der kann auch den Polit-Saustall ausmisten. Die sind doch alle gleich. Versorgen nur sich und ihre Haberer." Ob Stronach anders sein wird? "Keine Ahnung. Aber er hat uns noch nicht belogen. Ist das nicht traurig? Meine einzige Hoffnung ist ein Greis."

Der Frankie 2

Stronach redet endlos. Das Publikum mag ihn. Stronach wolle nicht "boasten" und mit seinen Taten für urbi & orbi prahlen, hat die Moderatorin/Sekretärin anfangs erklärt. Er tut genau das, seit einer Stunde.

Die Sideshow

Währenddessen kommt von der anderen Seite des Racino Lärm: Dort liegt das Automatencasino. An den Automaten ist tote Hose. Doch neben der Treppe, hinauf zu den Bars, stehen ein paar Club-2-Garnituren. Etwa 12 Damen sitzen dort - und schauen zu einer blonden Frau, die unter der Treppe steht. "Und wieder gibt es eine Gewinnerin!", zwitschert die Blonde ins Mikro, "ein toller Geschenkkorb vom Hofer... ah, vom Spar!" Dann finden Tankgutscheine eine Abnehmerin, dann wieder ein Supermarkt-Geschenkkorb.

Das hat mit der Parteiveranstaltung nichts zu tun. "Heute war Modeschau - mit Tombola", erklärt eine der Damen. Alle sind aus der Umgebung. Und die Moderatorin?, frage ich, Ist das denn nicht ...? Kann das denn sein? „Jajaja," freut sich die Ebreichsdorferin, "das ist sie. Die Ulla Weigerstorfer. Unsere Miss World. Ist das nicht toll?"

Der Abgang

Frank hat fertig. "Gehen sie auf Frank Stronach zu", fordert der Moderator auf. Viele zücken Kameras. Doch die Blase um Stronach besteht dann fast ausschließlich aus Kameraleuten, Fotografen und Journalisten. Normalsterbliche haben kaum eine Chance, sich durch diesen kampferprobten Pulk zu graben.

Draußen rettet mein Freund Schnecken. Sie haben sich auf den warmen Asphalt der Racino-Auffahrt gesetzt. Ich bemerke sie erst beim ersten Knirschen unter meinem Schuh: Auf dem Parkplatz brennt keine einzige Laterne. Dafür strahlt das Racino umso heller in den Nachthimmel. Der Vater meines Freundes ist selig: "Das passt doch: Ein rettendes Licht in der Dunkelheit." (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 29.9.2012)