Foto: Standard/Kucek

Anrainer Hubert Krassnig zeigt den Standort der alten Baracken, in denen Stronach aufwuchs.

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Weiz - "Do eint'n" - also da drüben - "links eini beim Jägerwirtn, do isses." Den Autoschlüssel seines japanischen Kleinwagens in der Hand, deutet der kleine, alte Mann mit dem hellblau-kleinkarierten Hemd in Richtung der schmalen Landstraße, die sich zwischen Äckern in einem Wald verliert. Dort hinten, "in der Kolonie", sei er "geboren gwordn", der Frank Stronach, in einer Baracke beim ehemaligen Bergwerk. Als es dort in Kleinsemmering, in den 1930er-Jahren, noch Kohle gab.

Kleinsemmering: eine winzige Ansiedlung, wenige Fahrminuten von Weiz entfernt, in dem sich die Füchse gute Nacht sagen. Den größten Lärm verursacht das kleine Bacherl, das den von Wäldern des ansässigen Grafen umgrenzten Ort durchfließt.

Die Dorfstraße entlang stehen fein gestriegelte Einfamilienhäuser, bisweilen eingehüllt in hohe, millimetergenau frisierte, blickdichte Hecken. Früher stand dort die Barackensiedlung, "wo die Baraber", die Hackler, gehaust haben, sagt Hubert Kraßnigg, nach Kleinsemmering zuagraster Pensionist. Auch Stronachs Mutter, die "Strohsack-Liesl", war zugezogen. Aus Kärnten. "Sehr arm sind s' gwesen", sagt Frau Zierler, eine Nachbarin, die ein Jahr älter ist als der in Kanada zu Reichtum gekommene Sohn der Gemeinde.

Als Franz, damals noch "Strohsack", ein paar Jahre alt war, sind sie nach Weiz gezogen. Dort sei der unehelich geborene Bub auch teilweise bei der Ziehmutter aufgewachsen, erzählt man sich.

Hier in Weiz, der Bezirkshauptstadt, leben heute noch Stronachs Halbschwester und Verwandte. In deren Nähe hat er sich vor Jahren ein Einfamilienhaus gekauft, ein kleinbürgerliches Exemplar ländlicher Baukultur. Nur die kitschig ausladende Einfahrt macht ein bissl auf amerikanisch.

"Der Sigi Wolf wär's gwesen"

Beim Taborstüberl weiter unten am Hauptplatz hat sich am Donnerstag, an jenem - wie Stronach glaubt - "historischen" Tag der Parteigründung, eine Bierrunde zusammengefunden. Die weltbewegenden Stunden ziehen hier noch relativ unbemerkt vorbei. Stronach, so what? "Na ja,'tan hat er schon viel für die Stadt, die Oabeitsplätze und so, owa wählen?", meldet sich ein Mann im Pensionsalter skeptisch zu Wort. Sein Sitznachbar überlegt: "An sich wär er ja wählbar, wenn er den Christian Faul, den ehemaligen Weizer SPÖler net gholt hätt. Der heißt jo net von ungefähr so. Ich mein, der is jo a Voll..." Schräg gegenüber hackt der Schmächtige mit Bartanflug nach: "Der Sigi Wolf, der wär's gwesen, a echter Kapazunder. Oder der Herbert Paierl. Owa wos will er denn mit dei Leit?"

Einig ist sich der Stammtisch aber in einem Punkt: "Hochachtung, er hat was geleistet."

Auch der ehemalige SPÖ-Bürgermeister Helmut Kienreich zieht den Hut vor seinem langjährigen Freund. Stronach habe Weiz durch die Ansiedlung von Magna-Betrieben Prosperität gebracht: 3000 Arbeitsplätze "und zum Beispiel die geringste Arbeitslosenrate im Bundesland".

Stolz führt der Altbürgermeister Gäste durchs Kunsthaus der Stadt, das architektonische Prachtstück der Stadt. Stronach hatte eine Million draufgelegt. Kienreich: "Wir sehen uns mehrmals im Jahr, er kommt vorbei, wir gehen Mittagessen. Wenn wir ein Problem haben, dann können wir das mit ihm besprechen." Und dann helfe er aus, beim Fußballcollege etwa, bei HTL-Projekten oder eben bei der Kunsthausfinanzierung. Das " Arbeiterherz", das schlage noch in Stronachs Brust. Kienreich: "Wenn man den großen Erfolg dieses Mannes kennt, dann nötigt das schon Respekt ab. Ich hoffe für ihn, dass seine Vision, Österreich zu verändern, auf einen fruchtbaren Boden fällt. Ich kann als SPÖ-Mensch natürlich nicht sagen, ich wünsch dir viel Erfolg und alles, alles Gute, aber ..."

"Er ist halt ein Republikaner"

Die neue Generation im Bürgermeisteramt ist abgeklärter. Kienreichs Nachfolger, SPÖ-Bürgermeister Erwin Eggenreich, würdigt natürlich Stronachs Wirtschaftskompetenz, möchte am Politiker Stronach aber nicht anstreifen. Eggenreich: "Wir haben Glück, dass er sich mit Weiz so verbunden fühlt. Wir sind dadurch mit unserer Industrie wirtschaftlich toll aufgestellt. Auch weil so großer Unmut über die Politik herrscht, den ich voll nachvollziehen kann, wird er hier sicher mehr Stimmen bekommen als sonst wo. Aber für mich? Wenn einer Mitt Romney unterstützt, weiß man, in welche Richtung das geht. Er ist halt ein Republikaner, der an die Kraft des Kapitals glaubt und der unser Sozialsystem umstrukturieren würde. Glaubt net, dass ich das möchte!"

Für den Initiator der Wirtschafts- und Sozialinitiative "Solidarregion Weiz", Fery Berger, ist Stronach jedenfalls ein "interessantes Phänomen" . Berger: "Bisher sind von der Krise besonders die untersten Schichten wirklich arg betroffen. Die Zahl jener, die zu uns wegen Essensgutscheinen kommen, hat stark zugenommen. Stronach spricht viele in ihrer Unzufriedenheit an. Obwohl er Milliardär ist. Irgendwie seltsam." (Walter Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.9.2012)