Es sind selten gehörte Worte, die da am Freitag aus dem Mund von Peer Steinbrück kommen. "Meine Partei", sagt der frischgebackene Kanzlerkandidat ein ums andere Mal und meint damit die SPD. Das ist für viele Deutsche neu, hielten doch viele Steinbrück bisher eher für eine parteilose Ich-AG und nicht für einen leidenschaftlichen Genossen.

Doch zuallererst ist er jetzt Kandidat, und das ist auch gut so. Unerträglich war die Kandidatenfindung, die die SPD in den vergangenen Wochen geboten hat. Eine Partei, die demnächst den Kanzler stellen will, muss den absoluten Willen zur Macht zeigen und mehr bieten als ein endloses Casting-Spektakel der selbsternannten Troika.

Dass die Wahl nun auf Steinbrück gefallen ist, spricht zunächst nicht unbedingt für ihn, sondern gegen seine Mitbewerber. Der impulsive und sprunghafte Parteichef Sigmar Gabriel hat einfach nicht das Zeug zum Kandidaten, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ging schon im Kuschel-Wahlkampf 2009 fulminant gegen Kanzlerin Angela Merkel unter.

Es bleibt also Steinbrück, die Sturmböe. Er wird der präsidial-wolkigen Merkel scharfen Wind ins Gesicht blasen, er wird die Konfrontation suchen und versuchen, sie in die Enge zu treiben, wo er nur kann. Zum einen entspricht der Angriff Steinbrücks Naturell, und das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für einen echten Wahlkampf, in dem um inhaltliche Positionen gerungen wird.

Doch Steinbrück wird und muss noch aus einem anderen Grund auf Attacke setzen. Es geht für ihn und für die SPD ums Ganze. Ein Jahr vor der Bundestagswahl liegen CDU/CSU bei 38 Prozent, die SPD nur bei 26 Prozent. Merkel ist beliebt, ihr pragmatischer Regierungsstil kommt gut an, die meisten Deutschen sind der Meinung, sie lotse die Bundesrepublik gut durch die Eurokrise.

Weit und breit ist in Deutschland keine Wechselstimmung zu bemerken. Wenn sich die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten nicht erkennbar als Kontrastprogramm präsentiert und deutliche Akzente setzt, dann geht sie genau so baden wie im Jahr 2009 und schafft es höchstens wieder als Juniorpartner in eine große Koalition. Das aber lehnt Steinbrück klar ab. Er will wieder Rot-Grün und setzt auf Sieg.

Einfach wird das mit den politischen Inhalten ohnehin nicht. Merkel ist in den vergangenen Jahren deutlich sozialdemokratischer geworden, sie leitete den Atomausstieg neu ein und setzte die Wehrpflicht aus. In Fragen der Eurorettung stand die SPD so sehr auf Merkels Seite, dass sie ihr im Bundestag zu Mehrheiten verhalf. Das mag gut für das Land sein, für einen Wahlkampf ist das eine weniger optimale Voraussetzung.

Es war daher nicht Steinbrücks schlechteste Idee, seine Kandidatur mit einem Plan zur Bankenregulierung einzuleiten. Damit kann er nicht nur gegen Merkel punkten, sondern auch in der eigenen Partei - und das hat Steinbrück bitter nötig. Denn Steinbrück vermag wohl in der politischen Mitte zu wildern und der Union dort Stimmen abzujagen. Aber was nutzt ihm das, wenn er - einer der Bewahrer der Reformagenda von Gerhard Schröder - auf der anderen Seite noch mehr linke Wähler vergrault?

Sein polarisierender Stil ist zwar für Merkel ein Risiko, aber auch für die SPD. Klar ist zwölf Monate vor der Bundestagswahl nur eines: Steinbrück macht sie deutlich spannender als Gabriel oder Steinmeier an der Spitze. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 29.9.2012)