Drei Ministerien (Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft sowie Verkehr, Innovation und Technologie) sind derzeit in Österreich für Forschungsaktivitäten zuständig. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sähe diese aufgesplitterte Finanzierungs- und Koordinierungsstruktur gern in einem neuen Superministerium zusammengefasst.
Im Standard-Interview sagt Töchterle: "Eine interessante Alternative wäre ein großes Forschungsministerium." Unlängst hatte Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) eine Re-Fusion von Unterrichts- und Wissenschaftsressort für einen "Superminister" Töchterle gefordert. Elisabeth Gehrer war von 2000 bis 2007 als Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur zuständig.
Standard: Sie haben im Tiroler Landeshauptmann Günther Platter ja offensichtlich einen Mentor in der ÖVP. Er wünscht sich Sie als "Superminister" für Bildung und Wissenschaft. Wäre das was?
Töchterle: Bildung ist natürlich etwas, das mich absolut reizt, auch weil ich mich seit Jahrzehnten damit sehr intensiv beschäftigt habe. Einer meiner Schwerpunkte als Wissenschafter war ja Fachdidaktik. Nur zum Beleg: Solche Bücher liegen immer in meiner Nähe. - Er zeigt " Geschichte des gelehrten Unterrichts" (Friedrich Paulsen, 1921) und "Das Gymnasium - Aufgaben der Höheren Schulen in Geschichte und Gegenwart" (Fritz Blättner, 1960) - Eine interessante Alternative wäre ein großes Forschungsministerium. Forschung ist ja ziemlich zersplittert. Aber beide Fragen stellen sich erst nach der nächsten Wahl.
Standard: Würden Sie der ÖVP nach der Wahl erneut als "Leiharbeiter" zur Verfügung stehen?
Töchterle: Ich würde sagen, eher ja. Aber ich kann das noch nicht abschließend beantworten, wir sehen ja an Rudi Anschobers Burnout: Politik ist ein sehr anstrengendes Geschäft. Aber noch macht's mir Freude.
Standard: ÖVP-Mitgliedschaft ist für Sie denkbar? Oder besser ohne?
Töchterle: Denkmöglich ist es absolut. Es ist da und dort am Rande auch von dem einen oder anderen angesprochen worden, als Überlegung. Es spricht wenig dagegen, weil ich mich mit der Partei natürlich solidarisch fühle und zu ihr loyal verhalten will. Es gibt aber ein paar mentale Hürden, die ich noch überspringen müsste.
Standard: Die da wären?
Töchterle: Ich habe immer einen gewissen Vorbehalt gegen dieses Dabeisein oder Mittun in einer Partei, obwohl ich sicher nicht in diese Parteienbeschimpfung einsteige.
Standard: Das Wintersemester 2012/13 beginnt am Montag, und die Rektoren drohen mit einer kollektiven Blockade der Uni-Budgets in den Leistungsvereinbarungen für 2013 bis 2015, falls die Politik nicht fixe Zusagen über Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen garantiert. Was bieten Sie an?
Töchterle: Bei diesen beiden Punkten dürfen die Rektoren nicht immer " die Politik" sagen, sondern sie müssen "die SPÖ" sagen. Ich bin da ein totaler Verbündeter der Rektoren. Ich will genauso wie sie Zugangsregeln und - vielleicht mehr als manche von ihnen - Studienbeiträge. Manche hätten jetzt einheben können und tun es nicht. Da bin ich schlicht der falsche Adressat. Da müssen sie sich an die SPÖ wenden. Ich habe ein Gesetz zu Studienbeiträgen vorgeschlagen, das ist so was von stimmig und ausgewogen. Die Rektoren sollen sagen, die SPÖ soll mit mir über das Gesetz diskutieren. Und bei den Zugangsregeln wissen sie auch, ich verhandle intensiv und hoffe, dass wir demnächst zu einem Ergebnis kommen. Wahrscheinlich werden sie dann sagen, das ist noch zu wenig.
Standard: Das Thema Studiengebühren hat die SPÖ jetzt ja in eine Arbeitsgruppe verfrachtet.
Töchterle: Die SPÖ hat damit natürlich ein Problem, so wie sich die ÖVP offensichtlich mit dem Umgang nach der Forderung nach der Gesamtschule schwer tut, und beide Parteien müssen damit irgendwie umgehen. Die SPÖ geht mit Landeshauptfrau Burgstaller so um, dass sie ihr jetzt ein Ventil gibt oder ihr eine Warteschleife spendiert. Bis zur Wahl wird da leider nix passieren, nehme ich an.
Standard: Machen wir es konkret: Für welche Fächer möchten Sie der SPÖ Zugangshürden abringen?
Töchterle: Dringend brauchen wir sie da, wo die Kapazitäten der Universitäten überschritten werden. Treffendstes Beispiel ist die WU. Die kriegt jetzt ein traumhaftes Gebäude um 500 Millionen Euro. Es kann etwa die Studierendenzahl aufnehmen, die die WU jetzt hat. Sie hat aber jetzt schon eher zu viele, gemessen an den vorhandenen Kapazitäten. Wenn nun jemand sagt, wir müssen einfach mehr Geld in die Hand nehmen, damit wir keine Zugangsregeln brauchen, müssen wir gleich die nächste WU bauen. Grotesk.
Standard: Das WU-Budget reicht ja schon jetzt nicht für die Zahl der Studierenden. Das Albtraumszenario der Rektoren ist, dass bei der Studienplatzfinanzierung die Zahl der künftig zuzulassenden Studenten an den bisherigen nominellen Anfängerzahlen festgemacht wird. Ohne mehr Geld wäre das jetzige Chaos dann gesetzlich verankert.
Töchterle: Man muss das differenziert sehen. Wir haben etwa zehn bis 15 Studien, wo die Kapazitäten nicht ausreichen. Wir haben aber auch Studien, wo noch Luft ist. Wir haben sogar in den Studien, wo die Kapazitäten teilweise nicht ausreichen, an anderen Standorten noch ein bisschen Luft. Man muss besser verteilen, das kann man mit Zugangsregeln. Besser verteilen heißt in andere Fächer und an andere Standorte. Dann geht sich schon viel aus.
Standard: Die Vorgaben des Ministeriums sind recht rigide, indem etwa bestimmte Budgetteile an die Zahl der prüfungsaktiven Studenten gekoppelt sind. Die Unis haben aber, nicht nur finanziell, fast keinen Spielraum. Was ist das für eine Autonomie? Das ist ja so, als würden Sie zu mir in der Wüste sagen, such dir halt irgendein Wasserloch, und ich habe keine Geräte dafür.
Töchterle: Wir haben in Österreich eine Riesenzahl inaktiver Studierender, was kein wünschenswerter Zustand ist. Um sie zu aktivieren, gibt es verschiedene Mittel. Ein Mittel sind Studienbeiträge, ein anderes sind Zugangsregelungen. Man muss aber auch inneruniversitär einen Anstoß geben, Studierende zu aktivieren. Einige der Ursachen können auch an der Organisation in der Uni liegen. Wenn ich etwa das Curriculum zu starr, zu verschult mache, kann es passieren, dass ich jemanden für ein Jahr inaktiviere, wenn er irgendeine Prüfung nicht schafft und dann ein Jahr steht. Da können die Unis einiges tun, und mittels Hochschulraum-Strukturfonds animieren wir sie dazu.
Standard: Uni-Forscher kritisieren die Exzellenzförderung als wettbewerbsverzerrend. Das IST Austria in Maria Gugging erhält eingeworbene Drittmittel vom Bund verdoppelt, die Unis nicht. Ist das gerecht und auch sachlich angemessen?
Töchterle: Die Kategorie Gerechtigkeit ist da vielleicht nicht die treffende, weil das ISTA als Exzellenzinstitut gegründet wurde. Natürlich wünscht man sich auch bei den Unis möglichst hohe Qualität, aber sie haben noch eine Fülle anderer Aufgaben, sodass dort Exzellenz nicht der einzige Maßstab sein kann. Sie haben auch ein Standardniveau zu bieten.
Standard: Die Unis müssen nicht so exzellent sein wie das ISTA?
Töchterle: Wünschenswert ist, dass die Unis auch exzellent sind. Aber das ISTA hat einen Sonderstatus als Forschungsaushängeschild. Auch die Relationen muss man sehen: Wenn man alles rechnet, zahlen wir dafür ungefähr 2,5 bis drei Prozent des Uni-Budgets. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 29./30.9.2012)