Wer heute in der Nationalbibliothek etwas lesen oder schreiben will, muss darum bangen, auch einen Platz dafür zu finden. Im Normalfall sind die meisten Sitzgelegenheiten mit Studenten besetzt, die für die nächste Prüfung büffeln oder an Abschlussarbeiten schreiben.

Das wird wohl auch 2025 noch so sein. Dennoch ist offensichtlich, dass sich auch an den Universitäten eine digitale Revolution abzeichnet, deren konkrete Gestalt noch nicht so ganz klar ist. Längst aber rüsten sich die führenden Hochschulen der Welt für den Onlinewettbewerb um den Bildungsmarkt der Zukunft.

So startete die Universität Harvard gemeinsam mit dem benachbarten MIT Anfang dieses Jahres das Projekt "edX", mit dem sie Onlineseminare anbieten. 150.000 Studenten aus aller Welt absolvierten den ersten Kurs online. Noch erfolgreicher ist die Online-Lernplattform Coursera der Uni Stanford, die bereits eine Million Studenten in 196 Ländern hat.

Nach der Musik, den Medien und den Büchern stehen also auch die Unis vor einer Neuordnung. Aber auch die Prozesse des Lernens selbst stehen vor einer möglichen Revolution. Einer, der daran arbeitet, ist Komplexitätsforscher Stefan Thurner von der Med-Uni Wien. Er ist der österreichische Koordinator des Riesenprojekts "FuturICT", das mit etwas Glück von der EU in den nächsten Jahren mit einigen hundert Millionen Euro gefördert wird.

Thurner lotet mit seinem Team gerade aus, wie man neue Möglichkeiten des maschinellen Lernens 3.0 in konkrete Projekte umsetzt. Eines besteht darin, Wikipedia zum Lernen zu nützen: Eine Software "beobachtet" Wiki-Benützer dabei, wie sie die Einträge lesen und verstehen, arrangiert die Wiki-Einträge je nach Vorbildungsgrad um und macht Vorschläge für die nächste Lektüre. "Ein Lehrer ist schließlich auch nur jemand, der sinnvolle Lernschritte empfiehlt", so Thurner.

Sein zweites Projekt klingt noch mehr nach Zukunft: Da geht es um ein Videospiel, in das unauffällig ein Mathematikkurs integriert ist. Die Spieler müssen als Avatare die Aufgaben bewältigen und erhalten dafür Punkte - und bei erfolgreicher Bewältigung ein Zertifikat. Vielleicht wird man 2025 ja schon viele solcher Spiele in den Lesesälen der ÖNB spielen. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 29./30.9.2012)