Wien - Das Vertrauen der Österreicher in die Politik bleibt auf einem tiefem Niveau. Zu diesem Ergebnis kommt der "Demokratiebefund", den die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform am Freitag zum zweiten Mal präsentierte. Deren Sprecher Heinrich Neisser forderte zudem erneut eine Wahlrechtsreform. Das Antreten Frank Stronachs bei der kommenden Nationalratswahl befindet die Initiative grundsätzlich für gut.

505 Personen ab 16 Jahren wurden von OGM am 13. September zu ihrer Einstellung gegenüber der Politik befragt. 72 Prozent davon vertrauen der Politik weniger bis gar nicht (2011: 75 Prozent), Politikern selbst gar 80 Prozent (2011: 82 Prozent). Bei 71 Prozent (2011: 75 Prozent) ist das Vertrauen in die Politik in den vergangenen fünf Jahren gesunken. Auch eine Reihe von Experten wurde für den Demokratiebefund im August mittels Fragebogen nach einem Schulnotensystem befragt. Die österreichische Demokratie bekam von ihnen die durchschnittliche Bewertung von 3,13 (2011: 2,83).

Korruptionsfälle und Stillstand

"Die Ergebnisse sprechen eine klare und deutliche Sprache", sagte Karin Cvrtila von OGM. Gründe für das Misstrauen seien die aufkommenden Korruptionsfälle, aber auch ein "gewisser Stillstand" in der Politik. Das Transparenzpaket der Regierung werde zu wenig sein, um das Vertrauen wiederherzustellen. Neisser kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem, dass viele Reformvorschläge "still und leise schubladiert" würden. Initiativen wie die eigene, aber etwa auch MeinOE hätten allerdings die Diskussion über Reformen wieder belebt.

Erneut forderte die Initiative Erleichterungen bei Volksbegehren, den Ausbau des persönlichkeitsorientierten Wahlrechts, "klare Spielregeln" für parlamentarische Untersuchungsausschüsse sowie eine intensivere Vermittlung von Europathemen. Neisser rief die Parteien dazu auf, klare Aussagen zur Zukunft der Demokratie zu machen. Vor der Nationalratswahl werde man daher auch einen Fragenkatalog an die Fraktionen versenden. "Wir werden uns auch für den Wahlkampf wappnen."

Politische Visionen fehlen

Klare politische Visionen vermisst die Initiative nicht nur bei den Parlamentsfraktionen, auch bei der neuen Bewegung des Industriellen Frank Stronachs ist sie noch "skeptisch". Trotzdem: "In dem Augenblick, in dem die traditionelle politische Landschaft erodiert, haben natürlich neue Bewegungen eine Chance", sagte Neisser. Der ehemalige ORF-Chef Gerd Bacher sagte zum Engagement des Quereinsteigers: "Ich wäre dankbar, wenn es mehrere Stronachs gäbe." Die Piratenpartei ist für die Initiative hingegen noch schwer einzuordnen.

Leise kritisierte Neisser auch das Fernbleiben von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) vom Untersuchungsausschuss. Die Koalitionsparteien hätten offensichtlich dessen symbolische Bedeutung unterschätzt. Das "Doppelspiel" des SPÖ-Chefs in dieser Sache sei "furchtbar" bis "gefährlich skurril". Neisser: "So hilflos ist ja auch der Herr Faymann nicht, dass er sich dort nicht verantworten kann." (APA, 28.9.2012)