Ein Mistelbacher in Wien: Das geht ab Montag nur noch begrenzt. Bedingung für das Parkpickerl ist der Hauptwohnsitz im Bezirk.

Foto: Andy Urban

So sehen die genauen Grenzen der neuen Parkpickerlzone aus.

Grafik: Der Standard

Die Charme-Offensive der Wiener Stadtregierung kommt fast in letzter Minute. Den Bewohnern der künftigen Parkpickerl-Bezirke Meidling, Penzing, Rudolfsheim-Fünfhaus, Ottakring und Hernals (siehe Grafik) flatterte Post von Bürgermeister Michael Häupl (SP) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) ins Haus, wenige Tage, bevor es am 1. Oktober damit ernst wird. "In allen Großstädten der Welt gibt es zu wenig Platz für immer mehr Autos", schreiben die beiden, und: Innerhalb des Gürtels, wo der Parkraum schon seit 1993 bewirtschaftet wird, "schätzen die Menschen diese Maßnahme als klare Verbesserung".

Nicht geschätzt wird das Parkpickerl definitiv von jenen Pendlern, die bisher ihr Auto in den Bezirken westlich des Gürtels gratis abgestellt haben. Andreas Eckel etwa hat ab Montag ein veritables Problem. Er wohnt in der Nähe von Laa an der Thaya, bisher ist er die knappe Stunde bis zu seiner Firma in Ottakring mit dem Auto gefahren. Öffentlich würde er fast doppelt so lang brauchen. Die Lösung: Seine Firma hat Parkgaragen angemietet; denn auch Park-and-Ride ist für Herrn Eckel keine Alternative, sagt er: "Dann würde ich für Sprit, Park-and-Ride und die Öffis bezahlen." Abgesehen davon: "Viele Parkplätze sind jetzt schon überfüllt, das wird mit Montag sicher nicht besser."

Bisher 30.000 Pickerlansuchen

Barbara Schmid ist ebenfalls Weinviertlerin und arbeitet als Rezeptionistin in einem Hotel in Hernals. Ihr Problem sind vor allem die Arbeitszeiten, meist ist sie ab sieben in der Früh im Hotel, manchmal bis elf am Abend. "Was soll ich machen, wenn dann keine Schnellbahn mehr fährt?", fragt sie sich. Sie wird in Zukunft am Rande der parkraumbewirtschafteten Zone parken und zu Fuß ins Hotel gehen.

Weniger Kennzeichen aus Mistelbach, Gänserndorf oder Wien-Umgebung sollten jedenfalls mehr Platz für die Autos der Wiener bedeuten - auch wenn Bewohner der Inner-Gürtel-Bezirke das Kreisen bei der Parkplatzsuche trotz Pickerls nur allzu gut kennen. Dennoch: Mehr als 30.000 Pickerl-Ansuchen sind bis Donnerstag auf den Bezirksämtern eingetrudelt. Das sind laut Parkpickerl-Koordinator Leopold Bubak gut 83 Prozent dessen, was die Stadt als Bedarf hochgerechnet hat. Den 100 Prozent könnte man sich am Wochenende noch annähern, die betroffenen Bezirksämter haben ausnahmsweise am Samstag von 8 bis 13 Uhr offen.

Rot-grüne Reibereien

Vorangegangen ist der Ausweitung der Parkpickerl-Zonen ein politisches Hin und Her, das zu heftigen Reibereien innerhalb der rot-grünen Stadtregierung geführt hat. Denn während die Verdrängung des (Pendler-)Verkehrs aus der Stadt ein Kernthema für Verkehrsstadträtin Vassilakou ist und grüne Wähler anspricht, kann die SP, die von Auto-Fans genauso gewählt wird wie von passionierten Bimfahrern, mit dem Thema kaum punkten.

Dementsprechend bockig waren einige Bezirksvorsteher, als sich Vassilakou an die Umsetzung machte - von den Roten weitgehend allein gelassen ("Wir haben keine kollektive Führung", Zitat Häupl). Mittlerweile hat die Stadtregierung unisono zugegeben, dass man kommunikativ einiges vergeigt habe - dieser Grad der Selbstreflexion ist im Rathaus wahrlich nicht alltäglich.

Auto-Wiederbelebung der VP

Trotzdem hätte noch alles irgendwie glattgehen können, wäre da nicht die VP gewesen. Quasi als Akt der politischen Selbst-Wiederbelebung hat sie mehr als 100.000 Unterschriften für eine Volksbefragung gesammelt - die mittlerweile vom Magistrat als nicht rechtskonform abqualifiziert wurde mit dem Hinweis, über Gebühren könne man nun einmal nicht abstimmen.

Dennoch hat sie die Stadtregierung so sehr in die Bredouille gebracht, dass diese eingewilligt hat, eine Volksbefragung durchzuführen. Mit welchen Fragestellungen, das ist freilich ein politischer und juristischer Balanceakt. Dementsprechend bedeckt hielt sich Rot-Grün bisher zu dem Thema, da ist vage von einer breit angelegten Befragung zum städtischen Verkehr irgendwann im Frühjahr die Rede.

War die ganze Aufregung also umsonst, wenn sich dann herausstellt, dass die Wiener das Parkpickerl gar nicht wollen? Koordinator Bubak kennt die Bedenken der Gegner in- und auswendig und sagt dennoch: "Ich gehe nicht davon aus, dass man alles wieder infrage stellt." (Andrea Heigl, DER STANDARD, 28.9.2012)