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Im Schnitzelland Österreich haben 40 Prozent der Erwachsenen einen Bodymassindex von über 25.

Foto: APA/Günter R. Artinger

Hand aufs Hüftgold: Wer ist schon hundertprozentig ehrlich, wenn er in einen Fragebogen Gewicht, Größe und Taillenumfang eintragen soll? Das Gesundheitsministerium wollte jedenfalls auf Nummer sicher gehen. Mit dem Österreichischen Ernährungsbericht 2012 legt es erstmals - hierzulande und in ganz Europa - eine Datensammlung vor, die ausschließlich auf Untersuchungen beruht. Genau 1002 Personen wurden dafür gemessen, gewogen und getestet.

Das Ergebnis bezeichnet Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) als " besorgniserregend": 40 Prozent der Erwachsenen sind übergewichtig, sprich: haben einen Bodymassindex (BMI) von mehr als 25. Zwölf Prozent davon sind adipös, ihr BMI liegt sogar über 30. Im Vergleich zum letzten Ernährungsbericht sind diese Zahlen deutlich angestiegen, das könne aber durchaus mit der Erhebungsmethode zu tun haben, räumte Ibrahim Elmadfa vom Institut für Ernährungswissenschaften der Uni Wien ein. Er hat den Bericht im Auftrag des Gesundheitsministeriums herausgegeben.

Das Problem ist dabei nicht unbedingt, dass die Österreicher zu viel essen - vielmehr bewegen sie sich zu wenig. Dem versucht das Ministerium auch mit der neuen Ernährungspyramide Rechnung zu tragen, die es seit einiger Zeit propagiert. Statt der Kohlenhydrate bilden ausreichend Flüssigkeit, Obst und Gemüse die Basis. Minister Stöger sagt, man habe die Pyramide auf einen "bewegungsarmen Alltag" abgestellt.

Zu wenig Kohlenhydrate

Dabei sind Kohlenhydrate längst nicht so böse, wie diverse Diät-Gurus nahelegen. Ingrid Kiefer von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) spricht von "Low-Carb-Panikmache". Gute Kohlenhydrate werden sogar zu wenig gegessen, sprich: Die Österreicher sollten zwar nicht mehr Semmerln, aber mehr Vollkornprodukte zu sich nehmen. Das würde auch die Ballaststoffzufuhr verbessern, die im österreichischen Durchschnitt klar unter den empfohlenen Werten liegt, was wiederum das Krankheitsrisiko steigen lässt.

Sparen sollten die Österreicher hingegen beim Fett. Das liegt (wenig überraschend) daran, dass zu viel Fleisch und Wurst auf den Tisch kommt. Auch der Salzkonsum lag bei vielen Studienteilnehmern über den empfohlenen Werten, wenngleich es da laut Ernährungsbericht einen Trend in die richtige Richtung gibt. Dahinter stecken nicht zuletzt gezielte Initiativen des Gesundheitsministeriums; so gibt es etwa eine Vereinbarung mit der Bäckerinnung, laut der der Salzgehalt im Gebäck schrittweise reduziert wird, und zwar so, "dass es die meisten Konsumenten gar nicht merken", wie Minister Stöger meint.

Ungesunde Ernährung hin oder her: Bei der Nährstoffversorgung liegt Österreich recht gut. Die Werte einzelner Stoffe (Vitamin D, Selen, Calcium, Zink) sind bei einigen Bevölkerungsgruppen zwar kritisch, auch das könne man aber "ohne Mittel aus der Apotheke in den Griff bekommen", sagt Ernährungswissenschafter Elmadfa. Österreich sei keinesfalls ein Mängelland - "alles andere ist herbeigeredet".

Nicht wegdiskutieren kann man jedenfalls das innerösterreichische Gesundheitsgefälle. Körpergewicht, BMI, Hüft- und Taillenumfang sowie das Körperfett der Bewohner von Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich liegen durch die Bank unter den Werten der Ostösterreicher. Den Grund dafür sehen die Studienautoren schlicht in einem anderen Lebensstil, Hauptrolle dürfte auch hier die Bewegung spielen.

Fokus auf die Schuljause

Minister Stöger schließt aus den Daten, man müsse das Thema Ernährung "zu einer politischen Frage" erklären; besonders gilt das für die jüngsten Österreicher, schließlich sind bereits 24 Prozent der Schulkinder übergewichtig. Dieser Wert ist im Steigen begriffen. Stöger hat bereits eine Schulbuffet-Initiative ins Leben gerufen, 100.000 Schüler hätten die Berater des Ministeriums schon erreicht. Stögers Ziel: In den nächsten Jahren sollen es 500.000 werden. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 28.9.2012)