Länger offen zu halten ist den meisten Pharmazeuten zu teuer. Sie bauen auf Notdienste.

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Wien - So recht will das Schriftband über dem Plakat noch nicht halten: "Zusperren am Samstagnachmittag", steht in der Auslage der kleinen Apotheke in der Wiener Innenstadt geschrieben. "Das ist nun vorbei", klebt eine Pharmazeutin auf einer Leiter nach zwei vergeblichen Versuchen darüber. Ihre Kollegen nicken erleichtert.

Ob in Salzburg oder der Steiermark - Apotheker haben bei der Ladenöffnung am Samstag weitgehend freie Hand. Nicht so in Wien. Punkt zwölf Uhr Mittag rasseln die Rollbalken runter. So will es eine Vereinbarung des Magistrats mit der Wiener Apothekerkammer.

Eine Apotheke freilich wollte in einem stark belebten Handelsgrätzel nicht als einziges Geschäft den Kunden die Türe vor der Nase zusperren und ignorierte das Gebot. Das ging elf Jahre gut. Bis die Behörde 2011 ein juristisches Feuerwerk eröffnete, das im Verfahren zum Konzessionsentzug gipfelte.

Samstagsöffnung von Gerichten bejaht

Die betroffenen Pharmazeuten versprachen Kampfeswillen - und erreichten nun eine richtungsweisende Entscheidung. Sie kommt vom Unabhängigen Verwaltungssenat und besagt: Wiener Apotheker dürfen künftig individuell offenhalten, auch an Samstagnachmittagen, solange sie dabei die wöchentliche Höchstbetriebszeit von 48 Stunden nicht sprengen.

Der Entscheid ist rechtskräftig, sagt der Apotheken-Rechtsexperte Peter Krüger. Keiner habe dagegen Einspruch erhoben. Die Betriebszeitenverordnung des Magistrats bestimme nur darüber, zu welchen Zeiten Apotheken auf jeden Fall offen sein müssen, nicht aber, dass sie zu einem gewissen Zeitpunkt nicht geöffnet sein dürfen. Es könne also auch unter der Woche länger verkauft werden.

Wiens Apothekerkammer interpretiert den Entscheid jedoch anders: Alle Apotheken hätten sich weiter an die bisherige Ladenöffnung zu halten, heißt es auf Anfrage des Standard. Neue Regeln seien im Gespräch, sie müssten jedoch für alle gelten. Sperre der besagte Betrieb Samstagnachmittag auf, widerspreche das der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.

Apotheker uneins

Breiten Willen zu längeren Öffnungszeiten gibt es unter den Wiener Apothekern nicht. In schwach frequentierten Lagen zahlt es sich für sie nicht aus, zumal die meisten Mitarbeiter Akademiker sind, damit teuer und Mangelware. Andere fürchten um das "gut eingespielte System" der Not- und Bereitschaftsdienste und warnen vor Konkurrenz durch Kollegen, die sich "nur die Zuckerln" rausholten.

Bei Krüger löst das Kopfschütteln aus. Zum einen gebe es klar Bedarf an kundenfreundlicheren Verkaufszeiten, vor allem in den Einkaufszentren und -straßen. Die Notdienste habe auch die Aufhebung der verpflichtenden Mittagspausen 1996 nicht gefährdet, die im Übrigen ein Defizitgeschäft seien, wie ein Apotheker bemerkt.

Kommende Woche entscheidet sich, ob der Innenstadt-Apotheke ihre Konzession entzogen wird. Krüger erwartet für sie einen guten Ausgang des Verfahrens. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 28.9.2012)