Wien - Seit sechs Jahren hat er seine Frau nicht gesehen. Seit sechs Jahren verzehren sich seine Kinder nach ihrer Mutter. Während er spricht, knetet der Mann mit den groben Händen einen Teig, aus dem er später Brot backen wird. Es gibt eine Menge Männer in seinem kleinen Dorf, die neuerdings gelernt haben, wie man Brot bäckt, auch wenn ihre Sprache vermutlich kein Wort für einen Vater ohne Ehefrau kennt.
Von ihrer Arbeit als Putzfrau in Wien verspricht sich Aurica ein besseres Leben für ihre zurückgelassene Familie. Vorerst bedeutet dieses bessere Leben Manner, Merci und eine Sparpackung Ariel. Man spürt Auricas Stolz, als sie für ihren Heimatbesuch die Plastiktaschen mit den Einkäufen füllt. Warum, fragt sie, darf sie nicht auch so ein Leben führen wie die Menschen, deren Toiletten sie als illegale Arbeitskraft reinigt? Die Protagonistinnen in Mama illegal können nichts für ihre Situation - sie sind einfach nur im falschen Land geboren.
Kultur der verlorenen Mütter
Der Dokumentarfilm zeigt Moldawien als das Armenhaus Europas. Stellenweise liegt die Arbeitslosenquote bei 80 Prozent, der durchschnittliche Monatslohn beträgt 100 Euro. Es sind Aufnahmen, wie aus der Zeit gefallen: Wasserhähne, aus denen ein gelbes Rinnsal tropft, Straßen, die kaum diesen Namen verdienen, auf denen Eselskarren mit vorkriegsartigen Automodellen konkurrieren. Moldawien ist auch das Land der verlassenen Kinder. Zwar kennt die Lehrerin nicht die Namen aller Schüler, wohl aber den Aufenthaltsort ihrer Eltern. Angesichts der kollektiv intonierten Klagelieder entsteht der Eindruck einer regelrechten "Kultur" der verlorenen Mütter, die im Klassenzimmer zelebriert wird.
Weil die Zukunft nichts als Armut bereithält, verdingen sich immer mehr Frauen als illegale Arbeitskräfte im Ausland. Drei von ihnen hat der österreichische Regisseur Ed Moschitz über einen Zeitraum von sieben Jahren begleitet. Moschitz, der als Fernsehjournalist in Wien lebt, kommt seinen Protagonistinnen erstaunlich nahe, wenn man bedenkt, dass sich diese ohne Aufenthaltsgenehmigung permanent vor der Polizei und Behörden verstecken müssen.
Im Fokus des Films liegt die Situation der Familien, die Enttäuschung über Rückkehrdaten, die sich wieder und wieder nach hinten verschieben, weniger die Arbeitsbedingungen der Exilantinnen. Trotz deren mitunter an Sklaverei grenzender Tätigkeit ist das Geld immer knapp. Die Kamera findet dafür präzise Bilder, etwa wenn eine der Frauen verzweifelt versucht, ihre steckengebliebene Münze aus dem Schloss des Einkaufswagens zu holen.
Einmal keift Auricas Mann, die Familie brauche das Geld seiner Frau gar nicht. Bei ihrer Ankunft, die vollgestopften Tüten in der Hand, findet Aurica das Haus in einem desolaten Zustand vor. Drei Monate später begeht ihr Mann Selbstmord. Nach dem Tod des Vater muss Auricas Sohn lernen, wie man Brot bäckt. Sollte er jemals eine Kindheit gehabt haben, jetzt ist sie vorbei. Eine der bewegendsten Szenen ist die, als das Kind beim Abschied von seiner Mutter mit einem ganz unkindlichen Ernst bemerkt: "Das Haus muss noch fertiggebaut werden." Als Aurica das nächste Mal zurückkommt, hat sich viel verändert. Das Haus hat ein rotes Ziegeldach bekommen, im Vorgarten wachsen Blumen. (Eva Biringer, DER STANDARD, 28.9.2012)