Fünf, die der klassische Ballettbetrieb längst ausgespuckt hat, entfesseln ihre ungebrauchte Kraft in "Come Back".

foto: Andrea Salzmann

Vielleicht sogar zum ersten Mal. Uhlich entfesselte in ihnen den Funken der Revolution.

Graz - Während in vielen Berufen die Sorge vorherrscht, dass man immer später in Pension gehen wird müssen, vielleicht die eigene gar nicht mehr erlebt, gibt es auch Menschen, bei denen alles anders ist. "Mit 40, maximal 45 werden sie weggeschickt", erzählt die Choreografin Doris Uhlich, die trotz ihrer Jugend (sie ist 35 Jahre) schon zur Legende in der Performance-Szene avanciert ist, über Profi-Tänzerinnen und Tänzer aus dem klassischen Ballett. Die Oberösterreicherin studierte "Pädagogik für modernen Tanz" und besuchte das Konservatorium der Stadt Wien. Sie war sieben Jahre lang Mitglied des Theatercombinat und verwirklicht seit 2006 eigene Projekte.

"Eigentlich wollte ich gleich nach meiner Ausbildung weg aus Österreich" , erzählt sie dem Standard, doch durch die Eröffnung des Tanzquartiers tat sich ein ganz neuer Raum für Tanz in Wien auf, und Uhlich blieb. Ein Glück für die hiesige Szene, wo sie mit Produktionen, für die sie auch mit "ganz normalen" Menschen, also Nichtprofis, zusammenarbeitete und Schönheits- und Körperideale schonungslos hinterfragte, von sich reden machte.

Bei ihrer aktuellen Arbeit namens Come Back, einer Koproduktion des Steirischen Herbstes mit Göteborgs Dans & Teater Festival und De Internationale Keuze van de Rotterdamse Schouwburg, ist das anders. Diesmal hat sich Uhlich fünf Vollprofis geholt, die an der Staatsoper und an der Volksoper - über weite Strecken auch zeitgleich - tanzten. Heute sind die fünf im Alter zwischen 55 und 70 Jahren alle in Pension, obwohl sie viel fitter sind als die meisten Altersgenossen.

Anti-Aging-Tanzstück

"Es ist ein absolutes Anti-Aging-Stück geworden", freut sich Uhlich am Tag der Vorpremiere in Rotterdam hörbar. Uhlich habe sich mit den fünf Menschen, die zum Großteil jener Generation angehören, die 1968 den Aufstand probte, während sie an der Stange Disziplin, Gehorsam und Haltung trainierten, auf eine "Spurensuche" begeben. Dabei hat man sich Fragen gestellt wie: "Was bist du jetzt überhaupt?" Nicht nur, weil man nun keine Rollen mehr bekommt, nicht mehr Spitzentanz und hohe Sprünge macht, sondern auch, "weil man sich ganz konkret fragt, was ist diese Körpermasse, die jetzt auf der Couch liegt, was passiert mit dieser Kraft, die plötzlich ungebraucht ist? Was kann man noch mit ihr machen?"

Die Antworten der fünf hatten immer wieder "den Funken der Revolution" in sich, erinnert sich Uhlich begeistert an die Proben. Die fünf definierten auch ihre Rollen innerhalb der Gruppe - wer ist Solist, wer nicht - ganz neu, weil plötzlich ganz andere Maßstäbe wichtig wurden. Nicht mehr jene, die über Jahrzehnte von außen angelegt worden waren. So wurde Come Back eigentlich keine Rückkehr auf die Bühne im strengen Sinn, sondern eine neue Eroberung ebendieser.

Gesprochen wird dabei wenig: Marialuise Jaska, Susanne Kirnbauer, Percy Kofranek, Renate Loucky und Violetta Springnagel-Storch erzählen über ihre Körper und über Musiknummern, die sie selbst oder Uhlich während der Proben einbrachten. Etwa Welcome to the Machine von Pink Floyd, Eruption von Eddie Van Halen oder schließlich Revolution von den Beatles. (Colette M. Schmidt, Spezial, DER STANDARD, 28.9.2012)