Wien - "Krebspatienten sind mit einer komplexen Herausforderung in menschlicher, medizinischer und sozialer Hinsicht konfrontiert. Es geht uns darum, sie über Ihre Erkrankung, über Therapieformen und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren und die Sorge vor Unbekanntem abzubauen", so der Heinz Ludwig, Onkologe am Wilhelminenspital in Wien und Vorsitzender des 9. ESMO 2012 Patientenseminars. Im Rahmen des Kongresses der European Society for Medical Oncology (ESMO) wird am kommenden Wochenende im Austria Center Vienna ein spezielles Seminar für Krebspatienten organisiert. Zentrales Anliegen der Organisatoren ist es, "Information, Interaktion und Kommunikation zu fördern".

Austausch als Bewältigungsstrategie

Ein wesentliches Motiv der Veranstalter, so Ludwig: "Informierte Patienten können mit uns  Ärzten in einen besseren Dialog eintreten und wichtige Fragen mitentscheiden. Sie können dadurch selbst zum Steuermann ihrer Erkrankung werden und Schwierigkeiten leichter umschiffen. Das bedeutet auch mehr Patientensouveränität und ein besseres Ausnützen der Möglichkeiten der modernen Medizin." Patienten haben auf dem Seminar auch die Möglichkeit, mit anderen Betroffenen zu kommunizieren, Sorgen loszuwerden und sich auszutauschen. Ludwig: "Auch das ist eine Bewältigungsstrategie."

Vor knapp zehn Jahren hat Ludwig auf einem ESMO 2012-Kongress das erste Patientenseminar ins Leben gerufen. "Mittlerweile nehmen an unseren Seminaren jeweils rund 250 Personen teil", so der Onkologe über die steigende Nachfrage. Bei Plenarvorträgen und Parallel-Seminaren mit Ärzten und Betroffenen geht es um Themen wie Behandlungsleitlinien und Qualitätsstandards, personalisierte Medizin, Lebensqualität, finanzielle und soziale Fragestellungen, etc. Spezielle Seminar-Themen sind Fortschritte der Onkologie bei Krebsformen wie Brust-, Prostata, Blut-, Lungen- und Dickdarmkrebs. Auch psychosoziale Aspekte und die Komplementärmedizin werden thematisiert. 

Hürden in der Arzt-Patient-Beziehung

Ein besonders wichtiges Thema sind Hürden in der Beziehung zwischen Ärzten und Patienten, und wie sie idealerweise abgebaut werden können. Optimal sei es, wenn gut vorinformierte und vorbereitete Patienten auf Ärzte treffen, die sich Zeit nehmen, auf die Fragen der Patienten eingehen und in der Arzt-Patient-Kommunikation entsprechend kompetent sind, so Ludwig: "Patienten wünschen sich einen professionellen, fachlich kompetenten Partner, der aufrichtig, empathisch und engagiert ist."

Auf das Thema Patientenrechte und -pflichten wird ihm Rahmen des Seminars ebenfalls eingegangen. "Während heute das Wissen über Patientenrechte recht verbreitet ist, wird über Patientenpflichten kaum gesprochen. Hier besteht ein deutlicher Nachholbedarf", beschreibt Ludwig seine Beobachtungen. So sollten atienten immer wieder daran erinnert werden, gut vorbereitet in das Arzt-Patient-Gespräch zu gehen. Krankengeschichte und Probleme mit der Krankheit und Therapie werden wie etwaige Fragen im besten Fall vorweg notiert. Die Anwesenheit Angehöriger macht als Unterstützung für den Patienten ebenfalls Sinn.

Verantwortungsbewusstes Verhalten

Aktive Kooperation der Patienten, so Ludwig, sei aber nicht nur in deren ureigenem persönlichen Interesse, sondern auch eine Bringschuld gegenüber dem Gesundheitssystem und der Gesellschaft: "Es besteht eigentlich eine Vereinbarung zwischen Patienten und unserer Solidargemeinschaft: Die Gesellschaft kommt für die zum Teil sehr hohen Behandlungskosten auf, und Patienten sollten sich dafür verantwortungsbewusst verhalten. Mangelhafte Therapietreue zum Beispiel führt bei einer Reihe von Krebsformen zu einem erhöhten Rückfallrisiko, und das Nicht-Einnehmen von Medikamenten aus Nachlässigkeit und ohne guten Grund bedeutet ein Vergeuden öffentlicher Mittel, die anderswo dringend benötigt würden." (red, derStandard.at, 27.9.2012)