Wien - Die Replik des Sozialministers fiel patzig aus. Nur weil zwei Herren in ihrer Pension ein Buch geschrieben hätten, werde er nicht das Pensionssystem umkrempeln, sagte Rudolf Hundstorfer beim dienstäglichen Ministerrat der Regierung: "Diese Herrschaften sind nicht die Bibel."

Mit den "Herrschaften" meint Hundstorfer den Pensionsexperten Bernd Marin und den ehemaligen Weltbankdirektor Robert Holzmann. Die beiden sprechen für eine Gruppe von Fachleuten, die eine ultimative Reform fordern, um das Pensionssystem ein für alle Mal zu sichern.

Kerngedanke des vorgestellten Konzepts: Versicherte sollen nur mehr so viel Pension bekommen, wie die über die Jahre eingezahlten Beiträge plus Zinsen hergeben. Abgesehen von Ersatzzeiten für Kinderbetreuung oder Arbeitslosigkeit würde der Staat kein Steuergeld mehr zu den Pensionen zuschießen. Damit sich dies nicht in niedrigeren Leistungen niederschlägt, müssten die Österreicher eben später in Pension gehen - laut Schätzung der Forscher im Schnitt um etwa fünf Jahre.

Das Ziel, länger zu arbeiten, teilt Hundstorfer. Den vorgeschlagenen Weg will der Sozialdemokrat aber nicht einschlagen, weil er als Folge etwa Altersarmut befürchtet. Außerdem solle erst einmal abwartet werden, bis die jüngst beschlossenen Reformen wirken.

Teilzeitbeschäftigte verlieren

Einwände kommen auch von Expertenseite. Christine Mayrhuber zählt zu jenen Fachleuten, die von den Initiatoren gefragt wurde, eine Petition für die Radikalreform zu unterschreiben. Doch im Gegensatz zu 52 Kollegen - darunter vier Frauen - hat die Pensionsexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts abgelehnt.

"Für sozialpolitisch und verteilungspolitisch bedenklich" hält Mayrhuber die Idee, das klassische Versicherungsprinzip - jeder bekommt so viel, wie er einzahlt - zum Maß aller Dinge zu machen. Wer ein Arbeitsleben lang vollzeitbeschäftigt ist, dem könne ein solches System den Lebensstandard im Alter garantieren, sagt sie. Verlierer wären jedoch Arbeitnehmer in Teilzeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen, die nicht regelmäßig Beiträge einzahlen: Für diese wachsende Gruppe würde eine derart gestaltete Pension maximal eine Absicherung gegen Armut darstellen.

Ob Effekte wie diese verhindert werden sollen oder nicht, müsse politisch entschieden werden, sagt Mayrhuber. Sie findet deshalb " eigenartig", dass die Expertengruppe mit ihrem Appell so tue, "als sei Forschung etwas Objektives", das der Politik erspare, Prioritäten zu setzen: "Die Form des Pensionssystems beantwortet nicht alle offenen Fragen."

Noch einen Einwand hat Mayrhuber. Derzeit wird das neue Pensionskonto eingeführt - da sei es nicht klug, schon wieder ein neues System drüberzustülpen: "Der Zeitpunkt ist ungünstig."
 (Gerald John, DER STANDARD, 26.9.2012)