Die obere Isel in Osttirol soll für das umstrittene Kraftwerk bei den Umbalfällen mit Stollen und einem Speichersee verbaut werden.

Grafik: Der Standard

In zwei Gemeinden haben sich die Bürger für den Bau ausgesprochen. Doch viele andere Einheimische und Naturschützer leisten Widerstand gegen das Projekt.

Foto: WWF/Litschauer

Prägraten - Der Landwirt und Schnapsbrenner Adolf Berger ist bereits in zweiter Generation Kraftwerksgegner. Er wohnt im Osttiroler Prägraten am Oberbichlerhof auf rund 1700 Meter. Da habe man schon mehr Ausblick und Durchblick als von unten im Virgental, sagen seine Kollegen aus der Bürgerinitiative gegen das Kraftwerk Virgental. Sein Vater Gottlieb kämpfte schon gegen das Dorferbachkraftwerk. Bei der Inbetriebnahme fuhr Adolf mit seinem Transporter und einem Transparent gegen das Kraftwerk vor. Der gesamte Ort stand Spalier. Seither kämpft Adolf für die Isel und gegen den Ausverkauf des Wassers seines Heimatflusses.

Vor zwei Jahren waren die Pläne der Bürgermeister, Dietmar Ruggenthaler von Virgen und Anton Steiner von Prägraten, durchgesickert. Die Osttiroler Gemeinden sind größtenteils verschuldet. Aus der strukturschwachen Region wandert ab, wer kann, Arbeitsplätze gibt es abseits der größen Orte kaum.

Gegen Kraftwerkspläne - für sanften Tourismus

Regina Köll ist Gemeinderätin in Matrei und Hüttenwirtin im Goldried-Gebiet. Sie engagiert sich mit den "Iselfrauen" gegen die Kraftwerkspläne und für sanften Tourismus. Dass sie gegen das Isel-Kraftwerk kämpft, sei bekannt. So mancher aus den Dörfern ließe sich auf ihrer Hütte deshalb nicht mehr blicken. Von den Einheimischen sei sie aber ohnehin wirtschaftlich nicht abhängig.

Genau deshalb versteht die 28-Jährige die Kraftwerkspläne nicht: "Wir dürfen nicht die Natur zerstören. Sie ist unser Zukunftspotenzial." Die Urlauber kämen wegen der Landschaft um den Nationalpark Hohe Tauern im Virgental, viele hätten im Sommer schon Unverständnis gezeigt über die Kraftwerkspläne knapp unterhalb der Umbalfälle.

Die Bürgermeister Ruggenthaler und Steiner setzen auf erneuerbare Energie. Gefördert wird Photovoltaik, gefordert wird aber auch das Kraftwerk. Die Dorfchefs wollen den Fluss mit Stollen und Speichersee verbauen. Entwickelt wird das Projekt von Infra, ausgerechnet jener Planungsfirma, die für das Land Tirol den Kriterienkatalog mitentwickelt hat. Also jenen Katalog, der über Strategie und Standort von Kraftwerken entscheidet.

Nach Rechnung der Bürgermeister sollen 130 Gigawattstunden Strom pro Jahr den Gemeinden 400.000 Euro bringen. Und nach 35 Jahren, wenn das Kraftwerk schuldenfrei ist, sollen es mehr als 2,5 Millionen Euro jährlich sein. Dazu muss das Kraftwerk aber erst von Energieversorgern übernommen werden. Konkrete Angebote gibt es noch nicht. Damit sei das Wassernutzungsrecht allerdings auf mindestens 50 bis 100 Jahre weg, kritisiert Kraftwerksgegner Adolf Berger: "Die Isel gehört aber uns allen." Rentabel sei das 142 Millionen Euro teure Projekt in keinem Fall, sagen die Gegner. Wasser fließe nur in den vier Sommermonaten vom Gletscher, im Winter bleibe der Speicherteich leer.

Zwei Gemeinden dafür

Durch die Einzwängung der Isel in ein Rohr und das Speicherbecken knapp unterhalb der Umbalfälle werde sich zudem die Qualität der Isel massiv verschlechtern, warnt Bernhard Kohler vom WWF (World Wide Fund). Zahlreiche Pflanzen, wie die Deutsche Tamariske oder Tiere, wie der Flussuferläufer, seien durch Geschiebeveränderungen bedroht. "Das Projekt ist vollkommen an der Natur vorbeigeplant", sagt Kohler. Im Bereich Ökologie falle es zudem sowohl im Tiroler als auch im Bundeskriterienkatalog Wasserkraft durch. Der Flusslebensraum Isel soll außerdem das Prädikat Natura-2000-Gebiet erhalten.

Zwei Drittel der Bürger von Prägraten und Virgen stimmten in einer eilends durchgeführten Volksbefragung im Juni für das Kraftwerk. Auf Linie gebracht wurden sie durch eine Fragestellung, die kaum mit dem Kraftwerk im Zusammenhang stand, kritisieren die Gegner. Wäre die Abstimmung auch in den Orten des Iseltales durchgeführt worden, dann wäre sie anders ausgegangen. (Verena Langegger, DER STANDARD, 24.9.2012)