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Der Diskriminierungsschutz soll ausgeweitet werden - noch mehr Bevölkerungsgruppen sollen gleich werden.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Vor bald zwei Jahren sah der Sozialrechtler Theodor Tomandl rot. Wirtsleute, die sich auf SeniorInnen als Kundschaft spezialisiert hätten, würden bald gezwungen, auch Kinderjausen und Familientafeln auszurichten - und katholische AnwältInnen müssten sogar AtheistInnen verteidigen, prophezeite er.

Was den emeritierten Professor der Universität Wien Ende 2010 den Teufel an die Wand malen ließ, war der damals bestehende Plan, das Gleichbehandlungsgesetz zu novellieren. Konkret war es die angedachte Ausweitung des Diskriminierungsverbots bei Dienstleistungen, also in Wirtschaftsleben. Im Arbeitsbereich wurde - und wird - ja bereits weitgehend Schutz gewährt.

Bei Dienstleistungen hingegen bestand ein Flickwerk - und es besteht heute immer noch. Zwar darf niemand ungestraft wegen des Geschlechts oder aufgrund der ethnischen Herkunft (also, weil er oder sie AusländerIn ist) aus einem Lokal geworfen oder als MieterIn sowie von sonst einem Vertrag ausgeschlossen werde darf. Sehr wohl hingegen wegen "unpassenden" Alters, sexueller Orientierung, Religion und Weltanschauung.

Gegen "schlechte Nachred"

Das sollte Ende 2010 anders werden. Die Neuerung hätte unter vielen anderem Lesben und Schwulen genützt, etwa am Wohnungsmarkt. Denn so manches gleichgeschlechtliche Paar, das sich offen deklariert, tut sich aufgrund von Vorurteilen auf VermieterInnenseite immer noch schwer, ein Mietobjekt zu finden. Und gar nicht so wenige schlagen sich dort, wo sie wohnen, wehrunfähig mit atmosphärischen Störungen herum, von einer "schlechten Nachred‘" bis hin zu Mobbing.

Doch leider wurde ihnen damals nicht geholfen: Auf übezogene Argumente wie jene Tomandls hörend, widersetzte sich die ÖVP dem Angleichen des Diskriminierungsschutzes für die genannten Gruppen in der Gleichbehandlungsnovelle. 

Selbst dass der Gesetzesentwurf eine Ausnahmebestimmung für "rechtmäßige" Ungleichbehandlung enthielt, konnte die schwarzen Vorbehalte nicht entkräften Die aus dem Angloamerikanischen in EU-Richtlinien umgesetzte Vorstellung einklagbarer Gleichheit, also kontrollierbaren Fairplays, widerstrebte der heimischen Wirtschaftspartei. Im Frühjahr 2011 wurde die Gleichbehandlung ohne das so genannte Levelling Up beschlossen.

Vorhang auf!

Jetzt jedoch hat sich der Vorhang zum nächsten Akt geöffnet. Nach zwei Jahren fortgesetzter Gleichbehandlungs-Undurchschaubarkeit ist ein neuerlicher Novellenvorschlag aus dem Arbeits- und Sozialministerium in der parlamentarischen Begutachtung. Mit ihm einher geht die Hoffnung auf Vereinheitlichung der Regeln. Denn wer, bitte, kann denn auch verstehen, warum sich derzeit zwar ein Migrant, aber kein Schwuler rechtlich widersetzen darf, wenn er, weil Migrant oder schwul, aus einem Lokal geworfen wurde?

In diesem neuen Entwurf ist das gesamte Programm enthalten: Die Ausweitung des Schutzes für die Merkmale Alter, sexuelle Orientierung sowie Religion und Weltanschauung außerhalb der Arbeitswelt - und noch mehr, etwa Verbesserungen für Menschen mit Behinderung. Die "Zersplitterung" der Regelungen in Österreich soll auf diese Art überwunden werden, so wie es zum Beispiel auch der Europarat und der Uno-Menschenrechtsrat empfehlen und fordern. Und natürlich ist ein langer Abschnitt über „Ausnahmebestimmungen" mit dabei, auf dass SeniorInnenjausen SeniorInnenjausen bleiben dürfen und man in religiösen Einrichtungen vor AtheistInnen sicher ist.

Doch damit ist im österreichischen Polit-Biotop leider noch lange nicht gesagt, dass den vorgeschlagenen Änderungen wirklich nahegetreten wird. Tomandls Wortspende kam beim letzten Novellierungsversuch ebenfalls in einer späten Diskussionsphase: Er bündelte die Vorbehalte derer, die sich in Österreich als der Kern der "Bürgerlichen" betrachten.

So sieht es auch Volker Frey vom Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern. Man kann nur hoffen, wenn auch leider nicht erwarten, dass es diesmal Stimmen gibt, die der so genannten rechten Reichshälfte vermitteln können, wie unverzichtbar derlei Gleichbehandlungsvorgaben fürs Zusammenleben in einer bunten - oder auch: heterogenen - Gesellschaft wie der heutigen, österreichischen sind. (Irene Brickner, derStandard.at, 22.9.2012)