Mediacom-Chef Joachim Feher klärt auf über ...

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... Medientransparenz mit Anwalt Gerald Otto.

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Ab Oktober müssen öffentliche Firmen und Stellen der Medienbehörde melden, wo sie für wie viel Geld geworben haben. Wie, erklären Mediaexperte Joachim Feher und Anwalt Gerald Otto in ihrem neuen Buch. Harald Fidler erfragte Schlupflöcher und Grauzonen.

STANDARD: Mehr als 5600 öffentliche Stellen und Firmen müssen ab 1. Oktober bis 15. Oktober ihre Werbeausgaben detailliert melden. Wie das genau geht, erklären Sie in ihrem gerade erschienenen Buch über das Medientransparenzgesetz. Dürfen wir von zumindest 5600 eingelangten Bestellungen ausgehen?

Otto: Das Buch ist erst letzte Woche herausgekommen - ich habe noch keine Zahlen. Aber von einigen großen, staatsnahen Unternehmen habe ich Kaufabsichten gehört.

Feher: Ich weiß von einem großen Konzern mit vielen Teilgesellschaften, der eine Großbestellung aufgegeben hat. Jede Teilgesellschaft bekommt eines ausgehändigt.

STANDARD: Wie ist denn die Stimmung in diesen Firmen vor dem Meldebeginn?

Feher: Verärgerung über den Aufwand, der sich aus dem Gesetz ergibt. Man kann ja nicht einfach locker die getätigten Buchungen aus dem eigenen System herausholen und so der Medienbehörde melden. Die Spitzfindigkeiten stecken ja in Marketingkooperationen, die man aufdröseln muss etwa in Inserate, die man melden muss, und andere Anteile, die man nicht melden muss. Gesestzesadäquat zu melden, ist ein gewaltiger Aufwand. Firmen stellen dafür Mitarbeiter über Monate ab, die 50 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Meldung aufwenden.

Otto: Der Gesetzgeber hat den Aufwand weit unterschätzt mit 360 Euro im Jahr, damals noch für halbjährliche Meldung. Das entspricht nicht einmal im Ansatz dem Aufwand von tatsächlich wesentlich werbetreibenden Unternehmen. Wenn man von den unzähligen Institutionen absieht, die melden müssen, aber vielleicht nie ernsthaft Werbung schalten wie tausende Gemeindeverbände.

STANDARD: Auch sie müssen jedes Quartal melden - eben, dass sie nichts oder weniger als 5000 Euro geschaltet haben.

Otto: Und bei den größten, tatsächlich werbenden Unternehmen ärgert man sich einerseits über den großen Aufwand, andererseits, dass ihre Mitbewerber soviel Einsicht in ihre Werbeschaltungen bekommen. Da geht es auch gar nicht um Versuche, Wohlwollen von Medien zu erkaufen, die meisten Unternehmen standen nie in dem Ruf und haben das auch nicht gemacht.

STANDARD: Sie finden das Gesetz also weltfremd?

Feher: Praxisfremd. Der Gesetzgeber kennt beispielsweise Vermarkter nicht. Er verlangt Daten über die Buchung bei jedem Einzelmedium. Wenn ein Kunde aber beim Privatradiovermarkter RMS bucht, laufen seine Spots auf mehr als 40 Radiosender. Melden muss man das Entgelt, das an das einzelne Radio fließt - das ist an sich aber geheim und vertraulich. Da entsteht eine Zweitrealität, die mit dem Spendingverhalten des Kunden nur noch bedingt zu tun hat. Und die Daten verschwinden wieder in einer riesigen Datenmenge, die die Medienbehörde schließlich über dieses Quartal veröffentlicht.

STANDARD: Was wird das Medientransparenzgesetz bringen? Ziel war: Einblick in das Schaltverhalten öffentlicher Unternehmen und Stellen, mit dem Verdacht, dass mit den Buchungen im einen oder anderen Fall die Erwartung in freundliche oder zumindest nicht unfreundliche Berichterstattung verknüpft wird. Was wird man aus den Daten ablesen können.

Otto: Der wirklich interessierte Bürger wird sich schon ein Bild machen können. Es wird nur vermutlich nicht viel präziser sein, als was er sich bisher denken konnte.

STANDARD: Man hätte sich's auch denken können ist aber auch kein Bewertungsmaßstab.

Feher: Ich bin gespannt, wer was mit den Daten anfängt. Das wird ein gewaltiges Paket. Und wenn zum Beispiel alle Einzelfirmen aus einem Konzern getrennt melden, wird das den Überblick nicht gerade erleichtern. Die ÖBB zum Beispiel hat mehr als 60 Firmen.

Otto: Und ein Unternehmen ist auch schnell umfirmiert.

STANDARD: Und so große Konzerne melden dann über jede Einzelfirma?

Feher: Voraussichtlich ja. Ich nehme an, dass die Anrufe der Werbeverkäufer von Medien stark zunehmen - die nachfragen, warum ein Kunde beim Mitbewerber mehr geschaltet hat.

Otto: Anrufe zu Werbezwecken sind laut Telekommunikationsgesetz übrigens nur mit vorheriger Zustimmung zulässig.

STANDARD: Wird man wirklich aus der Liste ablesen können, wie bei der Konkurrenz gebucht wurde?

Feher: Die Summe ja. Aber aus der Sicht des Auftraggebers fehlt ein wesentlicher Bestandteil: Was war die Leistung des Mediums? Man meldet den investierten Betrag, meldet aber nicht, was man dafür vom Medium bekommen hat. Das ist bekanntlich auch eine Frage von Verhandlungsgeschick. Wenn ein Unternehmen bei Medium A 120.440 Euro investiert und bei Medium B 180.420, dann waren das bei B um die Hälfte mehr. Aber welche Zielgruppen man dafür erreicht hat, wie das mit dem Ziel der Schaltung zusammenhängt, ob hier eine und dort 25 Seiten geschaltet wurden, wird nicht transparent.

STANDARD: Ein Denkexperiment: Muss man melden, wenn man als öffentliche Firma oder Stelle ein Medium besticht, also ohne als Werbung erkennbare Gegenleistung Geld überweise? Was man dann aber vermutlich eher nicht über eine Bankverbindung erledigen würde.

Feher: Ich würde sagen, das fällt nach dem Gesetz unter die Kategorie Förderung.

Otto: Das müsste man rechtlich klären. Wenn es unter Förderung fällt, dann müsste man es melden. Wenn die Gestaltung, Herstellung oder Verbreitung eines Druckwerks gefördert wird, ist das grundsätzlich zu nennen.

Feher: Für solche Zahlungen gibt es ja eher das Strafgesetzbuch.

STANDARD: Ihre Begeisterung über das Medientransparenzgesetz scheint sich ja eher in Grenzen zu halten. Was könnte man bei einer Novelle verbessern?

Otto: Die Idee als solche ist sinnvoll. Positiv spürbar ist das Verbot, Politiker abzubilden. Da hat man sich oft als Bürger gefragt: Muss das sein für mein Geld? Solche Werbung ist deutlich informativer gestaltet. Da sieht man, dass das Gesetz zumindest ernst genommen wird.

STANDARD: Wobei für Verstöße keine Strafen vorgesehen sind.

Otto: Der öffentliche Aufschrei bei einem Sujet mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter dürfte dafür gesorgt haben, dass man diese Regel nun beachtet. Es gibt zwar keine Verwaltungsstrafe dafür. Aber es wäre zu klären, ob man nicht als Mitbewerber über das Gesetz über den Unlauteren Wettbewerb eine Handhabe hätte. Das wäre denkbar.

STANDARD: Aber der Melde- und Zahlenteil ist aus Ihrer Sicht des Teufels?

Otto: Die Eingabe-Schnittstelle wird am 1. Oktober geöffnet. Dann werden wir Näheres wissen und sehen, wie das in der Praxis aussieht. Und am 15. Dezember wissen wir: Vermitteln die Daten interessierten Bürgern oder nur sehr, sehr interessierten Bürgern einen Eindruck?

STANDARD: Nach dem Gesetz muss das Hauptziel der gut 5600 Unternehmen und Stellen sein, überhaupt etwas zu melden, damit sie nicht in der Liste der Medienbehörde über die Meldungen negativ aufscheinen. Welche konkreten Daten sie melden, prüft der Rechnungshof vielleicht irgendwann.

Feher: Den großen Auftraggebern, die ich kenne und die tatsächlich namhafte Summen buchen, ist es immens wichtig, gesetzeskonform und korrekt zu melden. Die riskieren nicht und spekulieren nicht, ob der Rechnungshof überhaupt in ein paar Jahren prüft.

Otto: Die Unternehmen nehmen das Gesetz schon ernst. Sie ärgern sich zwar über den Aufwand, trachten aber, die Anforderungen zu erfüllen. Unösterreichisch fast.

Feher: Da wurden Arbeitsgruppen gebildet aus Juristen, IT-Spezialisten, Marketingleuten, PR, externen Beratern, da wurden Datenbanken aufgebaut. Da steckt viel Aufwand dahinter.

STANDARD: Fast schon eine Beschäftigungsinitiative.

Otto: Es haben sicher einige profitiert davon.

Feher: Ich hab zwar nicht gehört, dass dafür neue Jobs geschaffen wurden. Aber einige Leute sind sehr, sehr ausgelastet. Aber bei allem Erfüllungswillen: Dennoch gibt es noch viele Graubereiche, Rechtsunsicherheiten.

STANDARD: Zum Beispiel?

Feher: Medienkooperationen, Gegengeschäfte und der „gemeine Wert" von solchen Schaltungen.

Otto: Das bedeutet: Was im Markt üblich ist.

Feher: Wir sind in der Medienbranche. Da ist viel üblich. Das bietet genügend Interpretationsspielraum.

STANDARD: Ist nachvollziehbar, was man melden muss und was nicht?

Feher: Plakat ist nicht zu melden, Infoscreen ist laut Medienbehörde zu melden, aber was ist mit Wartezimmer-TV oder Channel M bei McDonald's?

Otto: Die Rechtslage ist da meines Erachtens nicht klar.

Feher: Nehmen wir eine Kooperation, zum Beispiel mit „Heute", die einerseits aus Inseraten besteht, also zu melden ist, anderseits Werbung auf den Entnahmeboxen, also wohl nicht zu melden, weil Plakat.

Otto: Lücken in Gesetzen findet man immer - meist halt erst, wenn ein Gesetz einmal vorliegt. Und Schlupflöcher.

STANDARD: Welche Schlupflöcher sehen Sie zur Umgehung?

Otto: Wir geben natürlich keine Anleitung zum Rechtsbruch. Dem Gesetz wird man nicht ganz entkommen können, wenn man nicht über Dritte bucht und das nicht deklariert. Aber man kann wohl versuchen zu tricksen. Eigene Beilagen, die weniger als viermal im Jahr beigelegt werden, wären eine Möglichkeit.

STANDARD: Es gibt Boulevardmedienmanager, die sagen: Das Medientransparenzgesetz bremst die Werbeinvestitionen öffentlicher Stellen. Deckt sich das mit Ihrer Beobachtung?

Feher: Ich kenne und sehe vor allem Unternehmen, die mit Agenturen wie uns zusammenarbeiten. Die setzen Werbung aus marketing- und werbetechnischen Gründen und Strategien ein.

STANDARD: Also nicht politisch-praktisch.

Feher: Die angesprochenen Direktaufträge kenne ich weniger. Wenn es jemand weiß, dass die zurückgehen, dann wohl Österreich, Krone und Heute, die in dieser Debatte ja immer als überproportional profitierend genannt worden sind. Das sind Agenturen auch nicht involviert. Mehrfach habe ich aus der Branche aber gehört: Viele halten sich generell zurück und lassen einmal eine Meldung vorbeigehen, warten die Reaktionen ab. Der gesamte Markt dürfte ein Stück weniger Geld bekommen.

STANDARD: Ihr Holdingchef Peter Lammerhuber hat schon darauf verwiesen, dass man auch weiterhin gut argumentieren kann, reichweitenstarke Medien zu buchen.

Feher: In der Mediaplanung geht es immer um das Preis-/Leistungsverhältnis, um eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen. Für viele dieser Auftraggeber ist die Zielgruppe breit: die Bevölkerung, alle Steuerzahler etcetera. Wenn ich mit der Kronen Zeitung um 30 Prozent oder mehr einkaufe im Vergleich zur Buchung aller Bundesländerzeitunge - dann werde ich die Krone nehmen. Ob Medientransparenzgesetz ja oder nein.

STANDARD: Im Buch drucken Sie auch die Umsetzungsrichtlinien aller Bundesländer ab - sie wirken ziemlich wortgleich, gibt es da überhaupt Unterschiede?

Otto: Im geringfügigsten rechtlichen Detail. Die Stadt Wien ist beispielsweise ein bisschen anders. Der Bund verlangt als eine Kennzeichnungsvariante von öffentlichen Schaltungen in Radio und TV „entgeltliche Information" von Stelle X, in Wien reicht „Information" von Stelle X. Ob das ein redaktionelles Hoppala oder ein absichtliches Schlupfloch ist, kann man da nicht sagen. (fid, DER STANDARD, 22.9.2012)