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"Wenn ich eine Entzündung habe, bekomme ich Antibiotika. Wenn mein Pferd eine Entzündung hat, bekommt es nichts. Das ist nicht verständlich."

Foto: APA/AP/Goldman

Standard: In der aktuellen Weltrangliste sind Sie als beste Frau die Nummer elf. Freut Sie das, oder sind es auch saure Trauben?

Tops-Alexander: Es freut mich schon. Aber natürlich will ich die totale Nummer eins sein. Das ist mein Ziel. Es gibt ein paar gute Frauen. Nur eine Handvoll. Wir brauchen natürlich mehr.

Standard: Die Reiterei ist der einzige Sport, in dem Frauen und Männer gemeinsam starten. Gibt es da noch Geschlechterkonkurrenz?

Tops-Alexander: Nein. Eine Sache ist mir allerdings aufgefallen, als ich von Australien nach Europa gekommen bin. Ich war anfangs ziemlich eingeschüchtert. In Australien ist das Zahlenverhältnis im Sport ausgeglichener.

Standard: Warum kommen Frauen in die Spitze des Reitsports?

Tops-Alexander: Ich denke, die Zucht hat die Pferde in einer Weise verändert, die feinfühligen Reitern sehr entgegenkommt. Die Pferde sind sensibler, haben mehr Vollblutanteil. Schiere Kraft allein genügt nicht, um mit so einem Pferd erfolgreich zu sein.

Standard: Welche Pferde haben Sie für Wien eingepackt?

Tops-Alexander: Meine beiden besten. Ilot de Chateau und Guccio.

Standard: Wie viel hochklassigen Nachwuchs müssen Sie im Stall haben, um in den nächsten Jahren in der Spitze mitreiten zu können?

Tops-Alexander: So viele wie möglich. Ich hab ein paar gute Achtjährige, die schon größere Prüfungen gegangen sind. Bei einem Achtjährigen bin ich mir sicher, dass ein Championatspferd daraus wird. Auch die Jüngeren sind vielversprechend. Ich bin recht zuversichtlich. Guccio ist auch erst zehn und geht die ersten großen Prüfungen. Er wird den Platz von Itot de Chateau einnehmen können, wenn es so weit ist.

Standard: Wenn Sie in den Parcours reiten, auf die Glocke warten, ist klar, welche Linien genommen werden, wo Tempo aufgenommen, wo gedrosselt werden soll. Bezieht man auch ein, wo man eventuell runterfallen könnte?

Tops-Alexander: Nein. Das geht absolut nicht. Wenn man auf diesem Niveau reitet, darf man das nicht denken. Sonst wird nichts draus.

Standard: Im Frühjahr sind Sie einmal unfreiwillig und schmerzhaft abgestiegen. Wie motiviert man sich, wieder aufzusitzen?

Tops-Alexander: Das war nur eines von vielen Malen. Wieder aufzusitzen und weiterzumachen ist keine Frage der Motivation. Manchmal machen die Pferde Fehler, manchmal die Reiter. Man muss damit umgehen, analysieren und es beiseitelassen. Es ist Teil unseres Geschäfts, unseres Lebens. Den Formel-1-Fahrern geht es auch nicht anders. Wir gehen Risiken ein, aber wenn man darauf fokussiert, hat man schon verloren, bevor man begonnen hat. Mich hat das nie sehr gekümmert. Sonst würde ich gar nicht reiten.

Standard: Muss ein gutes Sportpferd intelligent sein?

Tops-Alexander: Ja, sehr. Zunächst muss es sehr athletisch sein. Aber der Kopf spielt eine große Rolle.

Standard: Ist es gut, wenn Pferde ihren eigenen Kopf haben?

Tops-Alexander: Das Pferd muss sehr selbstsicher sein. Manchmal kriegt man Pferde, die nicht so athletisch sind oder ein bisschen steif oder einfach nicht in der Lage sind, ihre Kraft bis zum Letzten einzusetzen. Aber wenn sie sicher sind, macht das viel wett. Sie müssen schon das Gefühl haben, Herr der Lage zu sein, aber sie müssen den Reiter auch respektieren und zuhören. Man muss sich die Mühe machen, sie gut kennenzulernen. Auch bei uns braucht der Topf den richtigen Deckel. Da kann es natürlich sein, dass man zu dem Schluss kommt, dass das eine oder andere Pferd zu mächtig oder zu nervös ist oder einfach nicht der Typ, den man will. Das heißt weder, dass man ein schlechter Reiter ist, noch dass das Pferd schlecht ist. Aber ich kenne auch meine Grenzen, meine starken Seiten, meine Schwächen und versuche, Pferde zu finden, die passen.

Standard: Der Pferdesport ist eine elitäre Angelegenheit für die Reichen. Kommen Sie aus einem reichen, pferdebegeisterten Stall?

Tops-Alexander: Nein, wir hatten keine Pferde. Aber unsere Nachbarn. So bin ich dazu gekommen.

Standard: Ist das nicht eher unüblich?

Tops-Alexander: Ja, es gibt kaum Reiter auf diesem Niveau, die keinen Hintergrund haben. Ich bin irgendwie reingefallen.

Standard: Wie kommen Sie zu Ihren Pferden? Wer besitzt sie?

Tops-Alexander: Alle meine Pferde gehören Stall Tops. Guccio hat einen Miteigentümer, meinen Sponsor Gucci. Mein Mann Jan Tops sucht alle Pferde aus. Es ist sein Geschäft, die richtigen Reiter auf die richtigen Pferde zu setzen. Und das Geschäft ist in den letzten Jahren immens gewachsen.

Standard: Man wundert sich über die hohen Preisgelder und die Unsummen, die für Pferde gezahlt werden. Tut das dem Sport gut?

Tops-Alexander: In den letzten fünf Jahren ist alles sehr nach oben gegangen. Die Konkurrenz, der Wert der Pferde, die Sponsoren, einfach alles. Die Global Champions Tour entspricht dem - gut dotierte Turniere an schönen Orten wie hier vor dem Wiener Rathaus. Wenn so viel Geld im Spiel ist, will man auch nicht unbedingt auf einem Bauernhof im Nirgendwo in der Kälte sitzen. Ich denke, dass es dem Sport guttut, weil er mehr Aufmerksamkeit denn je hat.

Standard: Geht es diesen guten Pferden auch gut? Wo ziehen Sie die Linie zwischen Reiten und Tierquälerei?

Tops-Alexander: Setzten wir unsere Pferde aus, könnten sie nicht überleben. Wild geborene Pferde können das, unsere nicht. Unsere Pferde werden so gut behandelt, wie es nur geht. Mit Tierärzten rund um die Uhr und der allerbesten Betreuung. Natürlich kann jedes Pferd einen Herzinfarkt oder eine Kolik haben. Wie jeder Mensch auch. Ich bin eine große Tierfreundin. Ich habe Hunde und bin mit allen möglichen Tieren aufgewachsen.

Standard: Wie steht's mit Doping?

Tops-Alexander: Ich glaube, dass die Einschätzung vieler nicht stimmt. Wenn ich eine Entzündung habe, bekomme ich Antibiotika. Wenn mein Pferd eine Entzündung hat, bekommt es nichts. Das ist nicht verständlich. Bei den Olympischen Spielen in London hatten wir einen sehr dichten Zeitplan. Keinen einzigen freien Tag. Da gibt es schon mal Muskelschmerzen. Und warum soll ein Pferd da kein Aspirin kriegen, um die Muskeln zu lockern? Das verbessert ihr Können nicht, aber die akute Situation um ein paar wenige Prozent. Wenn ein Fußballer im Match Schmerzen im Knie hat, geht er raus, bekommt eine Spritze ins Gelenk und läuft weiter. Er ist ein Athlet, das Pferd auch.

Standard: Bei den Olympischen Spielen gab es keinen Dopingfall im Pferdesport. Haben die Maßnahmen gegriffen, oder sind die, die dopen, cleverer geworden?

Tops-Alexander: Natürlich hat das Thema jetzt viel größere Aufmerksamkeit, und die Sanktionen sind schwerer. Ich denke, dass das ganze Thema aus den Fugen geraten ist. Das Pferd darf als Athlet absolut nichts bekommen. Auch nichts, was ihm gut tut. Das muss man sich vor Augen halten.

Standard: Sie haben die Schweizer Uhrenmarke Jaeger-LeCoultre und zusammen mit Charlotte Casiraghi das italienische Modehaus Gucci als Sponsoren. Ist das ein Tribut an den Sport, an Ihren Erfolg oder an die Schönheit?

Tops-Alexander: An mich als Sportlerin. Für meine Leistungen und meine Karriere. Wenn es nur um die Schönheit ginge, hätte es auch früher passieren können. (Bettina Stimeder; DER STANDARD; 21./22. September)