Mit ihrem Wort "Ich trete nicht zurück, ich mache den Weg frei" hat Gabriela Moser nicht nur eine kurzfristige Weiterarbeit des Untersuchungsausschusses gesichert, sondern auch dem Bundeskanzler die letzte Chance aufgezeigt, zu retten, was nach einer langen Reihe von Fehlern vielleicht noch zu retten ist, indem er sagt: Ich mache den Weg frei, ich trete vor den Ausschuss. Indem er die unglaubwürdige und peinliche Rolle einer Marionette seiner Partei, die seine öffentlich zugesagte Aussagebereitschaft frech zu missachten vorgibt, loslässt und tut, was die oberste Pflicht jedes Regierungsmitgliedes ist - dem Parlament Rede und Antwort zu stehen.

Er könnte so den Rest von Souveränität, der ihm verblieben ist, bewahren, ohne Risiko, viel zu verlieren. Denn was immer im Ausschuss zutage treten könnte, kann nicht schlimmer sein als die Verdächtigungen, die an ihm kleben bleiben, wenn er sich weiter drückt. Längst geht es nicht mehr um skandalöse Enthüllungen in der Sache, jeder Verdacht stand schon in den Zeitungen. Wer die Inseratenaffäre für jenes Skandalon hält, zu dem die SPÖ sie werden ließ, hat sich seine Meinung längst gebildet und wird sie nicht mehr ändern. Es geht nur noch darum, dass sich ein Bundeskanzler seiner Wahrheitspflicht gegenüber Parlament und Öffentlichkeit nicht unter Hinweis auf ohnehin bereits im Fernsehen getane Aussagen entziehen darf.

Die Schutzbehauptung, ein Auftritt des Bundeskanzlers wäre ein reines Wahlkampfritual, läuft auf die Idee hinaus, Wahrheit habe in einem Wahlkampf nichts verloren. Es wäre im Übrigen Aufgabe der SPÖ-Strategen gewesen, die Angelegenheit so zu behandeln, dass sie nicht in Wahlkampfnähe gerät, statt darauf zu bauen, sie würde in größeren, andere Parteien betreffenden Schweinereien untergehen oder sich vor der Autorität des Kanzlers in Luft auflösen, wenn nötig mit leichter Nachhilfe durch Neuwahlerpressung. Wenn das Gegenteil gelungen ist, ist das nicht der Opposition vorzuwerfen. So breit wie jetzt war der öffentliche Widerstand gegen Vertuschung nicht einmal, als es um die Grassers, Strassers etc. ging. Dass es bei einem Regierungschef, der in diesem Amt auch bleiben will, anders aussieht, war vorhersehbar.

Werner Faymann muss sich heute die Frage stellen, wie sein Wahlkampf aussehen kann, wenn alles, was in diesem Land Rang und Namen hat - von höchsten öffentlichen Funktionären über angesehene Persönlichkeiten aus dem politischen, intellektuellen, künstlerischen Leben bis zu so gut wie allen, außer vielleicht den nutznießenden Medien -, für seine Verweigerung kein Verständnis aufbringt. Und wenn sich zum Verdacht medialer Korruption noch der Geruch fehlgeleiteter Tapferkeit gesellt.

Was da an "Unsinn" (die Nationalratspräsidentin) läuft, lässt selbst die eigene Partei verzweifeln. Und mit dem Boulevard gegen alle - diese Rechnung wird nicht aufgehen. Für die Dichands ist Faymann, bei aller Zuwendung, nur eine Option unter mehreren. Die haben auch noch einen Strache. Und wo der Hans im Werner noch den Wahlsohn herzte, zieht Hänschen locker Wahlopa Frankie aus Papas altem Hut. (Günter Traxler, DER STANDARD, 21.9.2012)