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Den Turghiu-Turm am korsischen Capu Rossu entdecken Wanderer auf zwei Wegen: durch einen Tipp von Ortskundigen oder per Zufall während der digitalen Schatzsuche.

Foto: Georges Antoni/Hemis/Corbis

Geocaching ist eine moderne Version der Schnitzeljagd. Via Website sind alle "Schätze", die weltweit versteckt wurden, abrufbar. Wer Lust aufs Suchen hat, wählt sich einen "Cache" aus und kann ihn über die geografischen Koordinaten auf einer Landkarte oder - einfacher - per GPS-Gerät (oder Smartphone) ausfindig machen. Das Logbuch in der Schatzdose und ein weiteres im Internet haben die Funktion eines "Gipfelbuchs". Als Multi-Cache wird die Schatzsuche über mehrere Stationen bezeichnet. Eine Einführung ins Geocaching bringt Ulf Fischers Buch "Die Jagd nach dem Schnitzel in der Dose", Fischer-Verlag 2011.

www.geocaching.com

Foto: Rhomberg Reisen

Das Reisebüro Rhomberg organisiert seit den Anfängen des Feriendorfs "Zum störrischen Esel" die Anreisen aus Österreich und Deutschland. Von Ende April bis Anfang Oktober gibt es von Salzburg und Wien Charterflüge, ein Shuttleservice aus Linz und Innsbruck bringt die Gäste zu den Abreiseflughäfen. Der Transfer vom Flughafen Calvi ins Alpinistendorf (zehn Minuten) ist inklusive. Alle, die mit dem eigenen Auto auf Korsika unterwegs sein wollen, können sich von Rhomberg die Fährenverbindung nach Bastia organisieren lassen. Die Saison 2013 beginnt am 28. April und endet am 6. Oktober 2013.

www.rhomberg-reisen.com

Foto: Rhomberg Reisen
Foto: Rhomberg Reisen
Foto: Rhomberg Reisen

Es ist acht Uhr abends, Bergsteigerstammtisch. An einem großen Tisch im Clubhaus des Feriendorfs "Zum störrischen Esel" sitzen 20 Menschen bei einem Glas Rotwein beisammen und lauschen dem Bergführer Edgar, der im schönsten Vorarlbergisch die geplanten Touren vorstellt: "Am Dienstag gehen wir auf unseren Hausberg, am Mittwoch wollen wir, wenn genügend Leut' zusammenkommen, zu den Capitello-Seen, eine anspruchsvolle, aber superschöne Tour", erklärt er, zeigt auf Wanderkarten, reicht Fotos herum.

Die Stammtischteilnehmenden - allesamt deutschsprachig, die meisten aus Österreich, aber auch einige deutsche Gäste - schauen, besprechen sich und wägen ab, für welche Tour sie sich in den nächsten Tagen entscheiden werden. Ins allgemeine Gemurmel fragt ein braungebrannter Bergfex im karierten Berghemd in die Runde: "Ich suche gute Kletterer, die mit mir ins Bavellagebiet wollen, ich habe ein eigenes Auto."

Voarlbergisch bei Calvi

Wüsste man es nicht besser und klängen die Namen der Berge hier nicht so fremd, könnte man meinen, man säße in einer Schutzhütte in Vorarlberg. Doch das Tourenplanen findet keine zehn Gehminuten von Calvi entfernt in Korsika statt. Hierher ins Alpinistendorf "Zum störrischen Esel" kommen Menschen, die die Berge im Allgemeinen und das Wandern im Besonderen lieben. Das spürt und sieht man: Beim Frühstück kommen die Gäste in Wanderschuhen und Kniebundhose, füllen ihre Rucksäcke mit Jausenpaketen.

"Es ist ein ganz anderes Berggefühl hier: Andere Vegetationszonen, anderes Gestein, andere Ausblicke, es ist ein gewaltiges Gefühl, vom Gipfel runter aufs Meer zu schauen", präzisiert Gerhard, jener Bergfex, der am Stammtisch Partner für seine Klettertour gesucht und gefunden hat, zudem könne man sich hier im Gegensatz zu daheim hundertprozentig aufs Wetter verlassen. Er ist 70 Jahre und mit seiner Frau hier. Weil sie ihre Tage lieber am zehn Minuten entfernten Strand mit Blick auf Calvi verbringt, sucht Ger hard Gleichgesinnte für seine Touren. Trotz un ter schiedlicher Vorlieben finden beide den Urlaub sehr schön und kommen seit vielen Jahren hierher. Das generationsübergreifende Ferienkonzept ist augenfällig. Es sind viele Großeltern mit ihren Enkelkindern da, Familien mit kleinen und weniger kleinen Kindern.

Bergführer Edgar bittet die Runde noch einmal kurz um Aufmerksamkeit, weil er noch etwas ganz Neues vorstellen will. Geocaching ist neu im Feriendorf "Zum störrischen Esel", und weil es kaum einer am Tisch kennt, stellt er es vor. "Es ist so wie eine Schnitzeljagd", erklärt er. "Darauf stehen die Jungen total, und ich bin auch schon ganz süchtig", gibt er zu. Er meint die Hightech-Schatzsuche, die ihren Ausgangspunkt auf einer Internetplattform hatte. Die Webplattform Geocaching.com hat viele tausende Mitglieder, die heiß auf das "Schatzsuchen" sind. Versteckt sind die "Caches" wie sie im Fachjargon heißen, überall auf der Welt. Entdeckt werden sie, indem man geografische Längen- und Breitengrade auf GPS-Geräte oder Smartphones lädt und sich auf die Suche macht - Wandern mit Mehrwert sozusagen.

Digitales Gipfelbuch

Auch auf Korsika hat die Community bereits Verstecke eingerichtet. "Der Cache im Ruinendorf Occi war genial in einem hohlen Zaunpfahl versteckt, wir haben ewig gebraucht, bis wir die kleine Filmdose endlich gefunden haben", erzählt Bergführer Edgar. In der Dose versteckt war das Logbuch, in das sich der Schatzjäger dann einträgt, eine Art di gitales Gipfelbuch sozusagen. Damit die Suche noch attraktiver wird, ist immer ein kleines Geschenk inklusive. Wer es herausnimmt, muss ein neues deponieren. Edgar hat in Occi eine Comicfigur aus Plastik hinterlassen.

"Das funktioniert, weil es im Interesse aller ist, die da mitmachen", kann Edgar die Zweifler am Stammtisch beruhigen. Er will erstmals selbst einen Cache verstecken, "auf unserem Hausberg zwischen dem Gestrüpp in der Maquis. Da gibt es einen Felsen, der wie ein Kamel aussieht, und dort scheint mir ein perfekter Platz zu sein", sagt er. Übrigens: Der Berg, der im Störrischen Esel als Hausberg bezeichnet wird, ist der Capu di Aveta, dessen Anstieg gleich hinterm Feriendorf beginnt.

"Vielleicht macht der Simon mit, dem ist das Wandern allein eh zu fad", flüstert eine Frau am Tisch ihrem Sitznachbarn zu. Das entspricht dem Ferienkonzept im Alpinistendorf zum "Störrischen Esel": Familien- und nicht reinen Wander- oder gar Cluburlaub will man den Gästen bieten. So gibt es zwar auch Kinderbetreuung, aber nicht rund um die Uhr. Ganztagesanimation ist nicht das Konzept, sondern Angebote für Familien, die etwas gemeinsam unter fachkundiger Anleitung unternehmen wollen. Generationen zusammenzubringen ist ein weiteres Ziel.

Familienzelt statt Fernseher

Die Bungalows sind ordentlich, aber eher spartanisch, Fernseher verpönt. Wer abends im Bett die orange Überdecke zurückklappt, fühlt sich zurückversetzt in die 1970er-Jahre. Das hat was. Und dass im Hochsommer auf dem Gelände sogar in großen Familien zelten übernachtet werden kann, liegt in der Geschichte des "Störrischen Esels" begründet. Sie reicht zurück in die 1950er-Jahre.

Damals tat sich eine Gruppe von Dornbirner Lehrern, die sich über den Alpenverein kannten, zusammen, weil sie die Schönheit der korsischen Berge ihren Freunden zeigen wollten. Unter der Leitung von Willi Doderer, einem Neffen des Schriftstellers Heimito, wurde Anfang der 1960er-Jahre das erste Zeltlager organisiert. "In einem Strickwarengeschäft in Dornbirn war die Anmeldestelle", erinnert sich Kurt Müller, Vater des Juniorchefs Stefan Müller und Mitbegründer des Störrischen Esels, der heuer seine 53. Saison im Alpinistendorf absolviert. "Zu Beginn haben wir das Gelände für unsere Zelte gerodet, es gab Lagerfeuer und eine Gulaschkanone, erst später dann haben wir, weil die Frauen sich beschwerten, sanitäre Anlagen gebaut", erzählt er.

Es gibt unzählige Anekdoten, wie jene eines kleinen, schreienden Esels oder die, wie die Vorarlberger Bergfreunde die Sympathie der Behörden in Calvi gewannen. "Ich glaube, die Korsen fanden uns Österreicher, die wir in der Hitze auf die Berge rannten und dabei Lieder sangen, einfach skurril", erinnert sich Kurt Müller, der bis zu seiner Pensionierung als Lehrer arbeitete und das Feriendorf in Korsika nebenbei weiter organisierte. "Irgendwann waren wir ein Verein, nahmen Kredite auf", erinnert er sich.

Von den grauen Vorzeiten und alten Geschichten ist heute nur mehr wenig zu spüren. Die Vorarlberger haben sich arrangiert mit den "schwierigen Korsen" und übernehmen die Kommunikation nach außen. Für alle, die des Französischen nicht mächtig sind, ist das auf Korsika eher ein Vorteil. "Die Korsen mögen Touristen eigentlich nicht, brauchen aber ihr Geld", glaubt Grete Müller, die Frau des Gründers, die Kulturinteressierten per Bus die bekanntesten Plätze der Insel zeigt: Calvi, Bastia, Corte.

Die Männer von der Promenade

Frau Müller kennt nicht nur die bewegte Geschichte der Insel, sondern auch jeden Baum und jede Beere am Wegrand. Und warum laufen hier durchtrainierte Männergruppen an der Strandpromenade? Auch darauf hat Frau Müller eine Antwort: "Calvi ist der Sitz der französischen Fremdenlegion. Wenn wir Glück haben, sehen wir Fallschirmübungen über dem Meer oder das Abseilen von der Festung in Calvi. Ein Riesenspektakel", sagt sie.

"Meine Aufgabe ist es, das Lebenswerk meiner Eltern in die Zukunft zu führen", erklärt schließlich ihr Sohn Stefan und meint damit Aktivurlaub im weitesten Sinne. Dabei gibt es bereits eine klare Aufgabenteilung: Hans-Jörg und Elmar führen die Gäste in die korsischen Berge, Stefan aus Deutschland macht Mountainbike-Touren in der umliegenden Balagne und hält nicht nur die Radler bei Laune, sondern, weil er Mechaniker ist, auch die Fahrradflotte in Schuss.

Abends beim Essen im Feriendorf lässt sich an den Gesprächen der Gäste deren Tagesaktivität ablesen. Gerhard, der einen Partner für eine Klettertour gesucht hat, bespricht mit seinem neuen Bergkameraden bereits die nächste Tour. Familien mit kleinen Kindern haben sich angefreundet und sitzen gemeinsam beim Essen. Der wanderfaule 14-Jährige hat beim Geocaching "Lunte gerochen" und will an den einzigen Computer, der in der Rezeption steht. Am Leuchtturm soll es einen Multi-Cache geben, glaubt er zu wissen, doch dann muss er weg vom PC, weil die Rezeption schließt. Wer wandern will, geht hier aber ohnehin früh schlafen. (Karin Pollack, Album, DER STANDARD, 22.9.2012)