Als "Diebin", eine, die vielleicht den Lehrern etwas wegnehmen will, lässt Unterrichtsministerin Claudia Schmied weder sich selbst noch ihre Partei bezeichnen: "Das ist absolute Unkultur und schlechter Stil."

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STANDARD: Sind Sie auch eine Diebin? Eine vielleicht, die den Lehrerinnen und Lehrern etwas wegnehmen will? ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf vermutet ja in der SPÖ Diebe.

Schmied: Nein. Ich wehre mich gegen die Verwendung derartiger Bilder und Begriffe. Für mich ist es absolute Unkultur und schlechter Stil, zu so einer Wortwahl zu greifen, egal, von welcher Seite. Es ist wohl ein Ausdruck von Unsicherheit.

STANDARD: Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), die selbst Teil des Regierungsverhandlungsteams - Sie, Fekter, Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek - für das neue Lehrerdienst- und -besoldungsrecht ist, ist Ihnen sofort in den Rücken gefallen, als Sie mehr Geld für das Regierungsangebot an die Lehrergewerkschaften gefordert haben. Fekter sagte, Sie müssten eben mit Ihrem Budget auskommen.

Schmied: Sie hat in einer ersten Reaktion, und sie ist ja oft sehr spontan, gesagt: "Schwer vorstellbar." Aber Sie sehen, wie richtig es ist, dieses Projekt als Regierungsprojekt aufzusetzen, denn dieses Projekt bringen wir nur gemeinsam ins Ziel.

STANDARD: Und da ist Ministerin Fekter sicher auf Ihrer Seite dabei?

Schmied: Davon gehe ich aus. Ohne Finanzministerin Fekter wird es nicht gehen, und ich sage auch gleich dazu, ohne ÖVP-Regierungsmitglied wird es nicht gehen, weil die Lehrergewerkschaft ÖVP-dominiert ist. Ohne Zweifel ist die Rolle und Mitwirkung der ÖVP hier erfolgsrelevant. Das ist der entscheidende Punkt. Die ÖVP muss da voll mitziehen. Es muss uns allen, der Regierung, klar sein, dass wir da gemeinsam handeln.

STANDARD: Sie gehen also davon aus, dass, wenn sich Ministerin Fekter etwas weniger spontan mit dieser Frage beschäftigt, sie zur Einsicht kommen wird, dass mehr Geld notwendig ist, um die Lehrerdienstrechtsverhandlungen überhaupt ins Ziel zu bringen?

Schmied: Es muss zu einem guten Ende kommen, weil es ein Herzstück der Bildungsreform ist. Ohne zeitgemäßes Dienst- und Besoldungsrecht, ohne motivierte Lehrerinnen und Lehrer ist ein entscheidender Fortschritt nicht vorstellbar. Entscheidend ist, dass wir es noch in dieser Legislaturperiode umsetzen.

STANDARD: Die Finanzministerin muss also mehr Geld lockermachen für die Lehrer?

Schmied: Das wird natürlich Teil der Verhandlungen sein. Mein Eindruck ist, dass der bestehende Vorschlag, so wie er auf dem Tisch liegt, noch nicht zu "Begeisterungsstürmen" in der Gewerkschaft führt, etwas überspitzt formuliert. Da werden wir nachbessern müssen.

Das kann in viele Richtungen gehen. Mein Budget ist ja sehr leicht zu erfassen: Ich habe 85 Prozent Personalausgaben für Lehrer, das sind de facto Fixkosten. Das heißt: Aus dem bestehenden Budget heraus - da bin ich im Konjunktiv - könnte man Spielräume nur gewinnen, wenn man auch in das bestehende Dienst- und Besoldungsrecht eingreift, aber das steht ja derzeit nicht zur Diskussion. Wir konzentrieren uns darauf, das neue Dienst- und Besoldungsrecht für neu eintretende Lehrerinnen und Lehrer zu verhandeln.

STANDARD: Sie sagen sehr offen, dass die Lehrergewerkschaft fast ein Synonym für die ÖVP ist. Haben Sie die härtesten Gegner in den Verhandlungen in der Regierung?

Schmied: Ich sehe die ÖVP nicht als Gegner. Für mich ist sie Erfolgsfaktor. Wir schaffen es nämlich nur mit der ÖVP, in eine neue Zukunft im Bereich des Lehrerdienstrechts zu kommen. Also sehen wir es positiv: Die ÖVP ist in der Mitverantwortung, und so wie ich Ministerin Fekter bisher kennengelernt habe, ist sie eine absolut tatkräftige, entschlossene Frau.

STANDARD: Wofür würden Sie das zusätzliche Geld in den Verhandlungen mit den Lehrern einsetzen?

Schmied: Wir leben in einer Zeit, wo immer mehr Aufgaben an die Schule übertragen werden, ob das der Erziehungsbereich ist, oder bis hin zu Impulsen für eine sinnerfüllte Freizeitgestaltung. Wir sind eine Gesellschaft, die dazu neigt, vieles zu delegieren. Für Qualität haben wir den Qualitätsbeauftragten, die Bildung wird die Schule für uns machen etc.

In dem Sinn ist die Schule mit einigen Themen, ich würde nicht sagen überfordert, aber sehr belastet. Und ich kann gut nachvollziehen, dass die Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung brauchen. Das heißt, wir brauchen Geld für Sozialarbeiter, aber auch Unterstützung im administrativen Bereich. Das ist ein Kernpunkt.

STANDARD: Aus der ÖVP, aber auch von SPÖ-Abgeordneten wie Peter Wittmann, kommen immer neue Forderungen nach Dingen, gegen die man schwer etwas einwenden kann: tägliche Turnstunde (200 Millionen Euro), Ethikunterricht (100 Millionen), Ganztagsschulen (200 Millionen). Da müssen Sie ja eigentlich immer sagen: schöne Vision, aber leider nicht finanzierbar.

Schmied: Das sind für mich wichtige Diskussionen, speziell auch was Bewegung und Sport betrifft, aber auch Kunst und Kultur. Der Zeitpunkt ist jetzt auch ein sehr guter, weil wir diese Aufgaben und Themenstellungen de facto in einer Ganztagsschule gut verwirklichen können. Die Nachfrage danach entwickelt sich sehr gut. In Guntramsdorf in Niederösterreich etwa probiert man eine Ganztagsklasse, weil man gesagt hat, wer weiß, ob sich genug Schüler finden, die das wollen.

Bei einer verschränkten Form müssen ja alle mitmachen - von Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr, am Freitag von 8 bis 13 Uhr und dann fakultativ. Da muss die ganze Gruppe zusammenbleiben. Innerhalb von fünf Tagen war diese Ganztagsklasse ausgebucht. Ich bin zuversichtlich, dass wir das Angebot in Zukunft noch stärker in Richtung echte Ganztagsschule, in der verschränkten Form, bringen.

STANDARD: Wie schwer ist es denn, für diese echte Ganztagsschule auch Lehrer zu finden, für sie heißt das ja, dass es aus ist mit dem quasi Halbtagsjob, was Anwesenheit in der Schule betrifft.

Schmied: Wir haben jetzt zunehmend junge Lehrer, die ins System kommen, und die schon am Beginn durchaus mit einer anderen Einstellung und Bereitschaft da sind und sich in dem Sinn nicht umstellen müssen. Ich sage sicher nicht: Zack! Von heute auf morgen zwangsweise alles umstellen. Das ist ein evolutionärer Prozess.

Ich bin eine Verfechterin davon, gute Beispiele zu fördern, Prototypen, und die in Serie zu bringen. Gerade im Pflichtschulbereich bis zum Alter von 14 Jahren halte ich es für wichtig, dass wir die öffentliche Schule in Richtung Ganztagsschule umstellen - viele Eltern sind heute berufstätig -, zumal ja, wenn man sich die Privatschulen anschaut, fast alle ganztägig geführt sind. Wir sollten den öffentlichen Bereich da nicht diskriminieren. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 20.9.2012)