Der Schrecken lauert im Gemeindebau: Tommy (Aneurin Barnard) muss sich in Ciarán Foys Horrorthriller "Citadel" mit Baby gegen unheimliche Widersacher zur Wehr setzen.

Foto: /slash Filmfestival

Wien - Wenn im öffentlichen Raum die Beleuchtung flackert, ist das nur selten ein gutes Zeichen. Das weiß auch der junge Tommy (Aneurin Barnard) in Ciarán Foys Citadel nur zu genau. Nachdem seine Frau von ein paar Kapuzenträgern mit letaler Wirkung attackiert wurde, muss er mit dem gemeinsamen Baby und seinen Angstzuständen alleine zurechtkommen. Die durch eine heruntergekommene Siedlung schlurfenden Übeltäter haben jedoch noch lange nicht genug und scheinen zu allem Überdruss nicht menschlicher Natur zu sein.

In dem im Rahmen des Slash-Filmfestivals (20. bis 30. September, Filmcasino Wien) gezeigten Hochhaus-Grusler ist es weniger der menschliche Körper, dessen sichtbar gemachter Verfall für Ekel und Schrecken sorgt. Diese Aufgabe übernehmen vielmehr städtische Randzonen, die ihrer eigenen Verwitterung entgegendämmern und dabei eine ganz spezielle Brut hervorbringen.

Der wahre Schrecken lauert nicht im Weltraum, sondern im Gemeindebau. Tommy steht er in den panikgeweiteten Augen geschrieben. Dass ihn die Monster nur wahrnehmen, wenn er Furcht zeigt, macht dem Agoraphobiker das Überleben zusätzlich schwer und Citadel auch zu einem Werk über die Mechanismen der Angst an sich.

Biker-Nazi-Busen-Horror

Dear God No! hat für derartigen Metakram hingegen lediglich einen warmen Bierrülpser übrig. James Bickert will dem amerikanischen Schundfilm der 70er-Jahre mit seinem Biker-Nazi-Busen-Horror-Vehikel nicht bloß zuprosten, sondern ihn bis hin zum verwendeten antiquarischen Equipment nachempfinden. Eine Arbeit, bei der sich der Spreu vom wahren Fan-Weizen trennt und die das Jugendritual des Vorglühens zur Pflicht macht.

Erfahrene Genre-Freunde wissen wohl auch, was sie sich vor Beyond the Black Rainbow einwerfen müssen. Regisseur Panos Cosmatos' von Cronenberg, Lynch und einer Lavalampe inspirierte Geduldsprobe von Film will weniger mit einer Handlung als mit Synthesizer-Klängen und retrofuturistischem Interieur fesseln. Nicht der letzte Schnitt, sondern der Weg dorthin ist hier das Ziel.

Umgekehrt verhält es sich bei Excision, will die von Hollywood-Starlet AnnaLynne McCord mit Lust an der Hässlichkeit gespielte Außenseiterin Pauline doch unbedingt a) entjungfert und b) Chirurgin werden. Regisseur Richard Bates Jr. inszeniert seine Adoleszenz-Farce mit grellen Farben und einer ebensolchen Besetzung.

Allein diese Beispiele zeigen, dass das von Festivalleiter Markus Keuschnigg präsentierte Programm des Slash-Festivals deutlich über die Grenzen des Horror-Genres hinausgeht, um das fantastische Kino in all seinen schlierig schillernden Facetten zu zelebrieren. Der Sache mit dem Feiern nähern sich die Festivalgestalter auch mit dem gebotenen Un-Ernst. Bewusst will man sich von blutleereren Filmfesten abheben und nicht nur mit filmischen Beuschelreißern, sondern auch mit allerlei karnevaleskem Drumherum für gute Laune sorgen, etwa mit einem Zombie-Flashmob, einem Videospiel-Kostümball oder einer musikalischen Geisterbeschwörung.

Im Mittelpunkt stehen aber immer noch die gezeigten Filme, von denen es der größte Teil kaum in die Multiplexe der Nation schaffen sollte. Nach der Eröffnung mit mittelalterlicher Actionkost durch Roar Uthaugs Escape sind zwei Thementage angesetzt. Unkaputtbare Untote feiern am 21. 9. fröhliche Urständ, etwa humorig im selbsterklärenden Cockneys vs. Zombies von Matthias Hoene oder in Noboru Iguchis jede Geschmacksgrenze lustvoll hinter sich lassendem Zombie Ass: Toilet Of The Dead. Soziokulturelle Deutungen von Wiedergängern als Zerrbilder unserer Konsumgesellschaft dürfen da am Ticketschalter abgegeben werden.

Der 22. 9. steht im Zeichen der Videospiele, beispielsweise mit John Badhams Klassiker WarGames. Ein kleiner Sex-Schwerpunkt wird zudem am 28. 9. mit Kurzfilmen, Koichi Imaizumis Inzest-Absurdität The Family Complete sowie einer Burlesque-Einlage von Bayou Mystère geboten.

Weitere Auffälligkeiten im natürlich auch an klassischen Schnetzel- und Folterdramen reichen Programm sind der japanische Animationsfilm Children Who Chase Lost Voices from Deep Below, die restaurierte Fassung von Clive Barkers legendenumwobenem Nightbreed und der 3-D-Film Twixt von Regiealtspatz Francis Ford Coppola. (Dorian Waller, DER STANDARD, 20.9.2012)