Der IT- und Mobile-Chef von Samsung Österreich, Martin Wallner, erzählte Karin Tzschentke und Klaus Fiala von Autos, faltbaren Displays und Unterschieden in der Arbeitsauffassung zwischen Seoul und Wien.
STANDARD: Das iPhone 5 steht kurz vor dem Verkauf. Wie gefällt es Ihnen denn?
Wallner: Ich habe schon öfter gesagt, dass Apple tolle Produkte macht. Es ist ein hochwertiges Telefon, das aber aus meiner Sicht das Alleinstellungsmerkmal nicht mehr hat.
STANDARD: Samsung und Apple werden jedenfalls aneinander gemessen. Samsungs setzte 2011 mit einer breiten Produktpalette 143 Mrd. Dollar um, schrieb 11,9 Mrd. Dollar Gewinn. Apple machte mit wenigen Produkten 109 Mrd. Dollar Umsatz und 26 Mrd. Gewinn. Wie erklären Sie das?
Wallner: Das iPhone kostet etwa 500 Dollar, unsere Smartphones durchschnittlich um die 200 Dollar. Wir müssen also alleine schon zweieinhalb mal so viel verkaufen, damit wir auf den gleichen Umsatz kommen. Jedes zweite verkaufte Handy in Österreich ist aber ein Samsung-Gerät.
STANDARD: Samsung setzt neben Android, auch auf Windows Phone 8. Was verspricht Samsung sich davon, auch auf den Microsoft-Zug aufzuspringen? Macht man sich da nicht selbst ein wenig Konkurrenz?
Wallner: Nein. Es gibt einen Kampf der Betriebssysteme und jedes davon hat seine eigene Strategie. Ich denke, dass es für die Software-Riesen nicht ganz einfach ist, Hardware Hersteller zu werden.
STANDARD: Es kristallisiert sich ein Duopol Apple-Samsung heraus ...
Wallner: Leider sehe ich das nicht. (lacht) Es ist schwer, in dieser Branche etwas vorauszusagen, die verrückt schnell ist. Es gibt durchaus ein paar interessante Firmen, sei das Nokia oder Microsoft. Meine Theorie, für viele Branchen, ist die Aufteilung in Premium und Basis. Am Automarkt kann man das beobachten: BMW oder Audi investieren sechs Mitarbeiter um herauszufinden, wie sich eine Autotüre besser anhört. Wir machen das ähnlich. Gleichzeitig kann man sehr billige Handys herstellen, die auch ihre Berechtigung besitzen. Ich glaube nur, dass alles in der Mitte ausstirbt.
STANDARD: Eines der Assets von Apple ist sein Ökosystem, mit iTunes, Cloud und sonstigem. Bei Samsung gibt es das kaum, warum verzichten Sie darauf?
Wallner: Naja, wir verzichten nicht. Wir versuchen auch immer wieder die bestehenden Betriebssystem anzupassen oder zu verbessern. Aber man muss einfach verstehen, aus welchem Bereich wir kommen. Wir sind keine Softwareschmiede, wir sind eine Firma die verdammt gute Hardware bauen kann. Wie das in der Zukunft sein wird, wird sich zeigen.
STANDARD: Zum Formfaktor: Sie sagen gern, wenn man einmal ein so großes Display wie das des Samsung Galaxy Note benutzt hat, will man kein anderes mehr.
Wallner: Man kann das nicht verallgemeinern. Es ist ja nicht so, dass wir nur große Handys anbieten. Vom größten beim Galaxy Note, über das S3 und kleinere Produkte decken wir alles Mögliche ab. Aber falls einem die Größe nichts ausmacht: Ich habe das Samsung Galaxy Note 2 testen dürfen. Es ist das beste Telefon , das ich je in der Hand gehalten habe.
STANDARD: Samsung baut Smartphones so groß wie andere Tablets. Wird eine der Produktgruppen nicht irgendwann obsolet?
Wallner: Das stimmt. Seit ich das Note habe, verwende ich mein Tablet nicht mehr. In naher Zukunft werden aber sowieso ganz andere Formfaktoren entstehen. Daher werden dann vollkommen neue Sachen kommen.
STANDARD: Was heißt das genau?
Wallner: Da kann man der Fantasie freien Lauf lassen. Ich war im Sommer in Korea und habe dort gesehen, wie fortgeschritten flexible Displays sind; das ist ein Wahnsinn. Dünn wie ein Blatt Papier, falt- und rollbar, mit flexiblen Batterien.
STANDARD: Samsung wird bei seinen mobilen Geräten ein Funktionswahn nachgesagt. Werden die Leute mit dem, was die Geräte können, nicht überfordert?
Wallner: Ich habe mir vor kurzem ein neues Auto gekauft, das hat im Bordcomputer so viele Funktionen, die kann ich unmöglich alle nutzen. Letztendlich will ich Auto fahren. Aber es gibt Leute, denen ist genau das wichtig. Und es gibt Innovationen, die durchaus Verbesserungen sind. Wenn sich das S3 nicht abdreht, während ich es anschaue, dann ist das eine gute Entwicklung. Ob alles, was es kann, auch sinnvoll ist, ist natürlich fraglich.
STANDARD: Samsung bietet auch Notebooks und PC an. Was ist da die Überlegung? Ist nicht die Gefahr gegeben, dass man sich hinsichtlich der eigenen Bandbreite verzettelt?
Wallner: Wir haben in Österreich erst vor zwei Jahren mit Notebooks begonnen, aber Samsung baut seit Jahrzehnten Computer. Früher produzierte man vor allem für den asiatischen Raum. Am Heimmarkt in Korea haben wir ungefähr 50 Prozent Marktanteil am PC-Markt. Samsung-Notebooks in größeren Märkten, wie Deutschland und England, gibt es seit fünf Jahren. Der PC-Markt ist zwar eher margenschwach, aber das ganze Thema Notebook ist strategisch sehr interessant. Und nachdem wir die technische Kompetenz im Haus haben, warum sollten wir nicht Notebooks bauen und verkaufen?
STANDARD: Von der Vielfalt bin ich aber dennoch verwirrt. Was soll ich mir denn jetzt kaufen? Ein Smartphone, ein Tablet, ein Notebook?
Wallner: Sie sollten sich das kaufen, was für Sie das Beste ist. Und wenn Sie das Galaxy Note nicht in Ihre Hosentasche bekommen, dann kaufen Sie sich ein S3. Unsere Herausforderung ist es, den Kunden die Wahlmöglichkeit zu bieten. Damit einhergehend wird das Thema Experience Zone, oder Point-of-Sale, wo man ausprobieren und testen kann, die nächste Herausforderung sein.
STANDARD: Sony war einst in Berlin mit einem Erlebniscenter hier Vorreiter. Wird diese Art des Verkaufens wieder kommen, mit Flagship-Stores?
Wallner: Es wird auf jeden Fall verstärkt Shop-in-Shops geben. Das kann mit Handelspartnern oder Netzbetreibern funktionieren. Die nächste Lösung wären dann eben Flagship-Stores, aber da gibt es noch keine konkreten Pläne.
STANDARD: Wie entwickelt sich das Geschäft in Österreich?
Wallner: Another fantastic year, mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen. Der Markt ist in Österreich überraschenderweise weiter gewachsen, es wurden fast 3,5 Mio. Telefone verkauft.
STANDARD: Warum überraschenderweise?
Wallner: Es gab in den letzten zehn Jahren einen Markt zwischen 3 und 3,5 Millionen verkauften Telefonen. Und eines muss man der Branche schon zugute halten: Das ist konstant hoch. Denn die Kunden kaufen nur, wenn es auch neue Innovationen gibt. Die Netzbetreiber sind natürlich nicht so glücklich, weil sie viel Geld für Subventionen aufwenden müssen.
STANDARD: Wird es trotz des geplanten "3"-Orange-Mergers bei den Handysubventionen bleiben?
Wallner: Ja, das wird auf keinen Fall weniger werden. Für die Landesgröße ist der Markt in Österreich extrem umkämpft. Man hat die Alteingesessenen, und dazu einen extrem aggressiven chinesischen Anbieter. Die Subventionen wären nicht so schlimm, wenn wir dieses Tarifniveau nicht hätten. Die Problematik ist, dass die Netzanbieter vom Endkunden so wenig bekommen, weil der Markt so kompetitiv war und ist. Man kann auch mit LTE bei 60 Euro im Monat einsteigen, aber das wird rapide bergab gehen. Bis der nächste es dann herschenkt.
STANDARD: Es wird gemunkelt, dass sich Apple an jenem Umsatz beteiligen lässt, die Mobilfunkanbieter mit dem Datenverkehr ihrer Kunden auf i-Geräten erzielen. Ist das bei Samsung auch so?
Wallner: Nein. Es würde mich auch wundern, wenn das bei Apple so wäre.
STANDARD: Sie haben einige koreanische Mitarbeiter in Österreich. In Korea gibt es einen ganz anderen Zugang zu Disziplin oder Arbeit. Wie lässt sich das mit der gemütlichen österreichischen Art verbinden?
Wallner: Ich habe bei Samsung vor sechs Jahren begonnen, damals war der Unterschied noch viel größer. In der Zwischenzeit ist schon die zweite oder dritte Generation hier, diese Mitarbeiter sind extrem gut ausgebildet, sprechen extrem gut Englisch und sind deutlich jünger. Sie bekommen vor ihrer Entsendung ins Ausland ein Training. Der kulturelle Unterschied wird immer geringer. Fakt ist aber, dass die Koreaner mehr arbeiten als die Österreicher. Das ist so. (Klaus Fiala/Karin Tzschentke, DER STANDARD, 20.9.2012)