Wien - Kaum ein Tag, an dem nicht Stahl- oder Autoindustrie lahmen, Auftragseingang oder Produktionsdrosselung vermelden. Nach Branchenprimus ArcelorMittal war es am Dienstag an der Wirtschaftsvereinigung Stahl mit ThyssenKrupp und Salzgitter als Speerspitze, eine Kürzung der Rohstahlproduktion zu verkünden. Statt der im Jänner prognostizierten 44 Millionen Tonnen sei im Gesamtjahr 2012 nur noch mit einer Produktion von 42,5 Millionen Tonnen zu rechnen. Im Vorjahr waren es 44,3 Mio. Tonnen. ThyssenKrupp hat bereits einen Teil seiner Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, Branchenprimus ArcelorMittal machte einen Teil seiner Hochöfen in Europa dicht.
Die Drohkulisse, vor der die Herbstlohnrunde der aus sechs Branchenverbänden mit 180.000 Beschäftigten bestehenden österreichischen Metallindustrie heute, Mittwochnachmittag, startet, ist somit eindrucksvoll. Und sie deckt sich mit der Einschätzung der Arbeiterkammer, die den Auftragseingang von Jänner bis Mai 2012 auf plus 0,4 Prozent taxiert, also gerade noch im positiven Bereich. Wobei signifikante Branchenunterschiede auffallen: Maschinen- und Stahlbau gaben ihre Auftragseingänge um 7,8 Prozent höher an, Eisen- und Metallwarenindustrie um 3,6 Prozent über Vorjahresniveau.
Das Niveau auf dem die 1230 Betriebe der Metallindustrie traditionsgemäß "jammert", ist freilich ein hohes: Mit 59 Milliarden Euro lag der Produktionswert 2011 um 18 Prozent über dem Jahr davor, das bereits in der Rekordliga rangierte. Alle Branchenverbände, selbst die durch Billiglohnländer hart bedrängte Gießereiindustrie, verzeichneten zweistellige Zuwächse. Sie sind freilich arg zusammengeschmolzen, 2012 ist nur noch ein schmales Plus von 1,8 Prozent übrig. Zum Vergleich: Insgesamt sinkt die Industrieproduktion heuer bereits. Insgesamt hat die Metallindustrie einen Anteil von 45 Prozent an der gesamten österreichischen Industrie.
Spitzenrenditen
Üppig war, das errechnete die Arbeiterkammer aus den Jahresabschlüssen, die Ertragslage: Der Jahresüberschuss war wohl längst nicht mehr überschießend wie 2010 (plus 86 Prozent), aber mit 7,2 Prozent im Schnitt immer noch ansehnlich. Die ordentliche Ertragslage stieg sogar um 14,2 Prozent und die Ebit-Quote (operatives Ergebnis, gemessen am Umsatz, Anm.) betrug 2011 im Schnitt 5,3 Prozent, das ist Vorjahresniveau. Halten die Ergebnisprognosen der börsennotierten Blue Chips wie Andritz, Amag, Miba, Palfinger, RHI und Voestalpine, werden Umsätze, Auftragslage und Ergebnisse steigen, was zumindest das Halten des hohen Vorjahresniveaus verspricht.
Robust stellen sich auch die Renditeaussichten dar: Die bereits hohe Ausschüttungsquote 2011 wurde 2012 mit 75,8 Prozent noch übertroffen. Nach 1,75 Milliarden Euro werden die Dividendenzahlungen an Aktionäre oder Mutterunternehmen heuer auf 1,8 Milliarden steigen. Das entspricht drei Viertel der erzielten Gewinne oder 44,5 Prozent der gesamten Bruttolohn- und Gehaltssumme. Laut AK sind die Ausschüttungen damit 1,7 Mal so hoch wie die Investitionen der Unternehmen in ihr Sachanlagevermögen.
Wie hoch die nach der zeremoniellen Forderungsübergabe am Mittwochnachmittag getrennt in sechs Branchengruppen verhandelten Kollektivvertragserhöhungen auch ausfallen mögen: Spürbare Reallohnerhöhungen sind nicht zu erwarten. Dies nicht, weil KV-Erhöhungen knapp ausfielen (für 2012 wurden 4,2 Prozent "erstreikt"), sondern nach Steuern und Sozialabgaben nichts übrig bleibt. Brutto- und Nettolöhne stiegen zwar nominell, inflationsbereinigt sind sie seit 2010 aber gesunken.
Das Ringen verspricht also, zäh zu werden, zumal die "Benya-Formel" (Produktivität plus Inflation) auch nicht funktioniert wie sonst, denn das Wifo prognostiziert für heuer eine mit 0,6 Prozent negative Produktivität (BIP pro Erwerbstätigen); für 2013 errechnet sich die Maßzahl aus 0,7 Prozent Produktivität und 1,9 Prozent Jahresinflation. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 19.9.2012)