"Ich würde mir wünschen, dass junge Absolventen zwar schon in der Firma mitarbeiten, gleichzeitig aber der wissenschaftlichen Arbeit widmen können" Foto: www.mediendienst.com | Foto: Wilke Leoben

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Die Uni in Leoben unterscheidet sich von anderen in Österreich. Sie ist klein, liegt am Land, bietet sehr spezifische Studienrichtungen an und zeichnet sich durch eine intensive Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aus. Gerade diese ermöglicht Forschungsprojekte, die sonst nicht zustande kommen würden, andererseits nützen diese Forschungsprojekte der Industrie.

Herbert Hofstätter, Professor für Erdölwissenschaft in Leoben, hat jahrelang in der Industrie gearbeitet. Jetzt erforscht er unter anderem die Möglichkeiten, in tiefen Gesteinsschichten vorhandene Gasvorkommen durch sogenanntes Fracking schonend zu gewinnen. Für Österreich hat die OMV diese Art der Gasgewinnung unlängst aus Kostengründen abgelehnt (derStandard.at berichtete). Im Interview mit derStandard.at spricht Hofstätter über Drittmittelfinanzierung, das Arbeiten an einer kleinen Universität und die Zusammenarbeit mit der Industrie.

derStandard.at: Sie waren sehr lange in der Wirtschaft tätig. Warum sind Sie an die Uni in Leoben zurückgewechselt?

Hofstätter: Ich habe in der Industrie auf der ganzen Welt Erfahrung in der Erdölbranche sammeln können. Ich hatte immer den Plan, wieder an die Universität zurückzugehen und wissenschaftlich zu arbeiten. Es war in diesem Fall aber ein reiner Zufall. Die Uni hat mich gefragt, die Industrie hat mich gebeten, die Ausbildung zu übernehmen, das Wirtschaftsministerium hat mich motiviert – ich habe mir gedacht, wenn alle drei in das gleiche Horn stoßen, dann sollte ich das übernehmen.

derStandard.at: Was ist der größte Unterschied zwischen der Arbeit in der Industrie und an einer Universität?

Hofstätter: Ein ganz wesentlicher Vorteil ist, dass ich die Freiheit des Denkens habe. Natürlich haben wir auch Vorgaben, die wir erfüllen müssen, aber wir können uns auf die Arbeit konzentrieren, die wir als wichtig erachten und die wir für die Ausbildung als wichtig ansehen. In der Industrie ist das nicht so einfach, da muss man Zielvorgaben nachlaufen. An der Uni ist es nicht weniger anstrengend, ich könnte mich aber nicht beschweren, dass ich überlastet bin, auch wenn sehr viel zu tun ist.

derStandard.at: Dass sie gleich an einer Uni bleiben, war für Sie keine Option?

Hofstätter: Mir war vollkommen klar, dass man zuerst einmal industrielle Erfahrung sammeln muss, ehe man sich in die wissenschaftlichen Arbeit vertieft und das Wissen weitergibt. Ich mache keine Grundlagenforschung. Man kann die Schwachstellen in der Industrie nicht identifizieren, wenn man eine reine Uni-Karriere macht. Da muss man schon die eigene Berufserfahrung mitbringen.

Das Netzwerk, das ich mir in 27 Jahren in der Wirtschaft aufbauen konnte, ist natürlich auch wichtig. Es freut mich, dass sie mich nach wie vor an der Universität unterstützen. Ohne diese Unterstützung eines Lehrstuhls würden wir heute nicht mehr auskommen.

derStandard.at: Wie schwierig ist der Spagat zwischen der Vorgabenerfüllung aus der Wirtschaft und der Uni-Tätigkeit?

Hofstätter: Für mich ist das nicht ein Spagat. Ich denke, wie die Industrie denkt, weil ich aus der Industrie komme. Mir ist das nicht schwer gefallen, auch da muss ich der Industrie attestieren, dass sie größtenteils Verständnis für die Bedürfnisse einer Universität hat. Ich habe bislang nicht ansatzweise ein Problem gesehen.

derStandard.at: Ist es schwierig, junge Menschen dazu zu bewegen, nach ihrem Masterstudium an der Uni zu bleiben?

Hofstätter: Eigentlich gehen fast alle Studierenden in das Masterstudium, was auch von der Industrie gewünscht ist. Gott sei Dank stellt sich die Industrie um unsere Absolventen an. Die Leute haben zum Teil schon fixe Jobzusagen, bevor sie fertig werden. Aus der Sicht des Studenten ist das natürlich besonders erfreulich.

Natürlich hätte ich gern den einen oder anderen Spitzenmann für wissenschaftliche Zwecke behalten. Das spielt es einfach nicht. Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe, und ich habe wirklich sehr gute Doktoranden am Lehrstuhl. Es ist eine internationale Truppe, die hier arbeitet, mit einem Frauenanteil von 50 Prozent. Darauf bin ich ganz besonders stolz.

derStandard.at: Gibt es etwas, das man verbessern könnte?

Hofstätter: Verbesserungspotenzial könnte man sich immer wünschen. Ich würde mir wünschen, dass junge Absolventen zwar schon in der Firma mitarbeiten, sich gleichzeitig aber der wissenschaftlichen Arbeit widmen können. Unsere Doktoranden müssen aber auch die Chance nutzen, für eine gewisse Zeit in der Industrie mitzuarbeiten. Die Uni kann nicht alles bieten.

derStandard.at: Wie schwierig ist es, in einem Land zu forschen, in dem die Rohstoffvorkommen sehr gering sind?

Hofstätter: Das ist nicht unbedingt ein Nachteil, natürlich haben wir kleinere Budgets. Aber die Zusammenarbeit mit internationalen Universitäten ist gut. Es ist sicher kein Nachteil, in Leoben zu arbeiten, eher sehe ich das als Chance und Vorteil an, zum Beispiel die hohe Flexibilität und die Chance, mit allen verschiedenen Lehrstühlen zu kooperieren.

derStandard.at: Können Sie sich auch vorstellen, an einer großen Massenuniversität zu arbeiten?

Hofstätter: Vorstellen schon, ich halte auch Gastvorträge an größeren Universitäten. Der Punkt ist aber: Ich kenne in Leoben gegen Ende des Bachelorstudiums alle Studierenden beim Namen. Wir haben ein Verhältnis Professor zu Student von eins zu sieben. Das findet man auf anderen Universitäten nicht, da ist es unter Umständen eins zu hundert. Diese Anonymität würde ich nicht schätzen. Ich schätze die kleine Struktur.

derStandard.at: Wie gehen Studierende mit dem Studieren in einer kleineren Stadt um?

Hofstätter: Ich orte hier grundsätzlich eine große Motivation bei den Studierenden. Und Motivation muss man mitbringen, das ist nicht unbedingt ein Honiglecken, aber es macht sich bezahlt. Die Studierenden sind, glaube ich, gerne in Leoben. Ich bin selbst wieder gerne nach Leoben zurückgegangen.

derStandard.at: Wenn Sie es vergleichen mit Ihrer Anfangszeit, wie hat sich das entwickelt?

Hofstätter: Ich glaube schon, dass wir mit den heutigen Mitteln mehr machen können als vor 30 Jahren. Das Bild hat sich verändert. Was ich in Leoben besonders schätze, ist, dass wir bereichsübergreifend arbeiten. Das hat sich gegenüber meiner Studienzeit geändert. Da war man darauf bedacht, in seinem eigenen Lager zu bleiben.

derStandard.at: Wie hat sich die Studierendenzahl in den letzten Jahren verändert?

Hofstätter: Es zeichnet sich ein positiver Trend ab. Aber wir haben uns schon sehr bemüht, mehr Leute anzuwerben. Das war auch eine Vorgabe der Industrie: Wir brauchen mehr Leute, diese Leute müsst ihr uns bringen. Diese können wir aber nur dann bringen, wenn wir im Vorfeld genug Erstsemestrige anwerben, die sich dann für dieses Studium entscheiden. Die Industrie, vor allem die heimische Industrie, hat uns dabei unterstützt.

derStandard.at: Wie hoch ist bei Ihnen der Anteil von Arbeiten für die Industrie, wie viel ist Forschung ohne Projektauftrag?

Hofstätter: Wir haben sehr unkonventionelle Arbeitszeiten an Universitäten. Den überwiegenden Anteil hat die Forschungsarbeit für die Industrie, das muss auch so sein, es haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändert. Man ist heute verpflichtete, Drittmittel für die Universität einzutreiben. Das bedeutet einen entsprechenden Aufwand, das muss man offen sagen. Ohne die Drittmittel, alleine mit den Steuergeldern, könnte man eine Universität nicht betreiben.

derStandard.at: Was ist das größte Problem in Ihrem Arbeitsalltag?

Hofstätter: Es ist sicher ein Handicap, dass wir beschränkte Mittel haben. Wir hätten gerne eine bessere Ausrüstung und bessere Einrichtungen. Damit muss man leben. Das muss sicher auch noch wachsen, das braucht noch Zeit.

derStandard.at: Wie ist der derzeitige Stand beim Fracking?

Hofstätter: Wir sind noch nicht so weit, das auf der großen Skala auszuprobieren, aber auf dem besten Weg dazu. Das ist bei Forschungsarbeiten üblich. Auf der kleinen Skala im Labor versucht man, wie das System funktionieren kann, dann macht man einen kleinen Feldversuch, und dann geht man aus Kostengründen dazu über, das auf der größeren Skala zu probieren. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 19.9.2012)