Das Glück im Alter (v. li.): Bernd Marin (Altersforscher), Frank Hoffmann (Schauspieler), Elisabeth Pittermann (Pensionistenverband), Karin Bauer (Moderation), Johanna Stefan (Donauversicherung), Martin Haiderer (Wiener Tafel), Andreas Kumpf (Autor).

Foto: Standard/Andreas Urban

Nur gut drei Prozent der über 60-Jährigen engagieren sich ehrenamtlich. Anlässlich des 13-jährigen Bestehens der Wiener Tafel wurde - im Europäischen Jahr für aktives Altern und Solidarität der Generationen - der Frage nachgegangen, ob Ehrenamt im Alter glücklich mache. Inaktivität sei der größte Unglücksfaktor, sagt Bernd Marin, Soziologe und Altersforscher. "Zu viel zu arbeiten ist schlimm, gar nicht zu arbeiten ist aber dreimal schlimmer", zitiert er aus eigenen Erhebungen. Ehrenamtliches Engagement mache, nicht nur um selbst glücklich zu werden, Sinn - unabhängig vom Alter. Konkreter: "Wer sein Glück nur im Materiellen sucht, wird scheitern. Besser dran sind Leute, die sich familiären Werten verschreiben. Etwas für jemand anderen zu tun macht dreimal so glücklich", so weitere Ergebnisse seiner Forschungen. Nur: Menschen mit der meisten Tagesfreizeit - als Beispiele nennt Marin Hausfrauen, Studierende und Pensionisten - würden sich am wenigsten ehrenamtlich engagieren, ergänzt er.

Staatsaufgaben können nie ehrenamtlich sein

"Das heißt aber nicht, dass diese Personen ein sinnentleertes Leben hätten", hält Elisabeth Pittermann, Gesundheits- und Sozialsprecherin des Pensionistenverbands Österreich, entgegen und sieht dieses mögliche Potenzial an Freiwilligen durchaus kritisch. "Die Politik darf sich nicht aus den sozialen Dienstleistungen zurückziehen." Ehrenamtlich können notwendige Tätigkeiten eines Staates nicht übernommen werden, sagt Pittermann. "Es gibt ja auch keine ehrenamtlichen Beamten oder eine ehrenamtliche Müllabfuhr. Warum also muss Soziales immer ehrenamtlich sein?", so Pittermann.

Auch hier liefert die Sozialforschung eindeutige Ergebnisse: "Je besser ein Sozialstaat ausgebaut ist, desto mehr Personen engagieren sich freiwillig", sagt Marin. Beispiele dafür seien die Niederlande oder auch Skandinavien, weil Personen aus der unmittelbaren Not freigespielt sind.

Das Glück des Älterwerdens

Auch zur Motivation für freiwilliges Engagement weiß der Sozialforscher aus seinen Erhebungen Rat: "Die Leute direkt ansprechen." Denn ein Viertel der Personen, die keiner freiwilligen Arbeit nachgehen, wollen darum gebeten werden. Sobald sie konkret angesprochen werden, sind sie sofort dabei. "Manchmal braucht es nicht mehr", sagt er.

Andreas Kumpf, Autor des Buches Glück im Alter, hat sich auf die Suche nach der Glücksformel der älteren Generation gemacht. 21 Personen haben sich schlussendlich zu Interviews bereiterklärt. Und Glück im Alter habe nichts mit Luxus und Status der ersten 40 Lebensjahre zu tun, sondern damit, auch im Alter noch aktiv zu sein, so der einhellige Tenor der Befragten.

Neben intensiven Beziehungen zu Familie und Freunden ist auch im Alter etwas Neues dazuzulernen ein weiterer Glücksfaktor, der in Kombination mit alltäglichen Kleinigkeiten die Selbstwirksamkeit wahrnehmbar macht, und das wiederum kann Glücksgefühle auslösen, fasst Kumpf die Interviews zu einer Formel zusammen. "Ehrenamt ist eine gute Möglichkeit, seine Selbstwirksamkeit wahrzunehmen, es ist aber kein Garant für Glück und ein sinnerfülltes Leben", so Kumpf.

Engagement bei der Wiener Tafel

Damit man seinen Qualifikationen entsprechend eine passende ehrenamtliche Aufgabe übernimmt, werde bei der Wiener Tafel auch genau geschaut, was jemand machen kann, sagt Martin Haiderer, Gründer und Obmann des Vereins.

Immerhin engagieren sich bei der Wiener Tafel rund 300 Mitarbeiter freiwillig, der Jüngste ist 19 Jahre alt, die Älteste 72. "Wichtig ist die Eigenmotiviation, und die Freiwilligen müssen sich mit unseren Werten und Zielen identifizieren, weil sie auch unser Sprachrohr sind", sagt er. Kritisch steht er dem Trend des Corporate Volunteering gegenüber, denn nicht jeder Mitarbeiter macht dieses Volunteering tatsächlich freiwillig.

Anlässlich des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit 2011 wurde in der Vienna Insurance Group (VIG) der "social active day" eingeführt. Einen Tag lang können sich Mitarbeiter bei einer gemeinnützigen Organisation engagieren.

Das Feedback war durchwegs positiv. "Insgesamt haben sich dabei 200 Mitarbeiter für die Wiener Tafel entschieden", merkt Johanna Stefan, Generaldirektorin Donauversicherung bei der VIG, an und auch, dass diese Kooperation weitergeführt werde.

Frank Hoffmann, Schauspieler, Regisseur und Botschafter des Europäischen Jahres 2012, sieht den Vorteil im Alter auch darin, freier zu sein, ohne jemandem etwas beweisen zu müssen. Ein gesellschaftliches Umdenken sei aber erforderlich. "Denn die Alten dürfen nicht gegen die Jungen ausgespielt werden und umgekehrt", sagt er. (Gudrun Ostermann, STANDARD, 15./16.09.2012)