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Finanzministerin Maria Fekter ist für Euro optimistisch.

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Finazministerin Maria Fekter im Gespräch mit Standard-Redakteuer Thomas Mayer.

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Interview mit Finanzministerin Maria Fekter nach dem Ecofin in Nicosia: Sie bestätigt, dass mit dem Start des Europäischen Rettungsschirms, der "pragmatischen Haltung" der EZB bei der Marktstabilisierung eine gewisse Wende im Eurokrisenmanagement eingetreten sei. Kein einziger Finanzminister habe inzwischen Zweifel daran, dass das Bündel an Maßnahmen, Hilfen und Reformen, das man seit zwei Jahren geschnürt habe, "der richtige Weg" sei.

Szenarien über ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euroraum seien durchgespielt worden. Jetzt sei aber klar, dass das kein Thema mehr sei. Griechenland werde im Euro bleiben, nicht mehr Geld bekommen, aber bei der Umsetzung der Reformen einen gewissen zeitlichen Spielraum bekommen. Das nächste große Thema werde Spanien und die Hilfe für die dortigen Banken: der Zug zur Rekapitalisierung von Spaniens Banken sei voll im Laufen, man werde deutlich weniger als die eingeplanten 100 Milliarden Euro brauchen.

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STANDARD: In Nicosia zeigten sich die Finanzminister in Bezug auf die Lösung der Eurokrise so optimistisch wie seit langem nicht, warum?

Fekter: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Fülle von Regularien, von Maßnahmen aufgesetzt, um das Krisenmanagement überhaupt bewältigen zu können. Dazu gehören die Reformen im Bankenbereich oder im institutionellen Bereich der Union, dazu gehört, dass jeder seine Hausaufgaben machen muss, dass daheim die Budgetkonsolidierung gelingt. Und dabei schwebte immer die Frage im Raum: "Funktioniert das denn überhaupt? Wirken die Maßnahmen? Werden die Beschlüsse in den nationalen Parlamenten überhaupt umgesetzt?"

STANDARD: Und jetzt sind diese Zweifel weg?

Fekter: Richtig. Mit der Implementierung des ESM, des ständigen Eurorettungsschirmes, der ja ursprünglich erst Mitte 2013 kommen sollte, oder mit der Umsetzung der Regelung, dass Banken mit neun Prozent Stammkapital ausgestattet werden müssen, oder mit dem Fiskalpakt für strenge Haushaltsregeln, ist die Lage jetzt anders. Der Reformdruck auf alle wurde erhöht und bewerkstelligt. Vergangene Woche war als letztes großes Element noch die Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichts, ob der ESM verfassungskonform ist. Zeitgleich hat die Europäische Zentralbank einen sehr pragmatischen Weg eingeschlagen, um Liquidität in den Markt zu bringen, damit zugunsten mancher Staaten etwas Druck in den Märkten weggenommen wird. Die Kombination all dieser Dinge, dass das alles gegriffen hat, das hat zu einem Durchatmen geführt.

STANDARD: Spielt dabei die Hauptrolle, dass Eurofinanzminister und EZB mit alle den genannten Instrumenten fast eine Billion Euro im Kasten haben, um für den Euro zu intervenieren?

Fekter: Auf Zahlen möchte ich mich da nicht einlassen. Es genügt, wenn die Märkte zu diesen Maßnahmen so viel Vertrauen haben, dass die Spekulationen beendet werden. Das ist signifikant so geschehen.

STANDARD: Ähnliches hat man bereits im Frühjahr gesehen, wie lange wird das anhalten?

Fekter: Spekulation zeigt sich an derivativen Produkten, an Leerverkäufen, die sind zum Beispiel schlagartig zurückgegangen, ohne dass EZB auch nur eine einzige Anleihe gekauft hat.

STANDARD: Warum sollte das jetzt so bleiben?

Fekter: Die Zweifel, ob wir das richtige Tun, ob wir auf dem richtigen Weg sind, sind auch dadurch beseitigt worden, weil es ganz konkrete Erfolge gibt. Irland zum Beispiel konnte im Sommer auf den Märkten wieder Anleihen begeben, zu einem akzeptablen Preis. Das heißt, das Prinzip "helfen, reformieren, kontrollieren" hat in Irland funktioniert. Genau diese Vorgangsweise haben wir bei den anderen Ländern durchgeführt. In Nicosia haben wir Berichte bekommen aus allen Programmländern. Und die haben keine bösen Überraschungen gebracht, auch wenn es da und dort Anpassungsbedarf gibt. Aber es wird kein neues Geld geben müssen.

STANDARD: IWF-Chefin Lagarde hat sehr stark Portugal als Erfolg hervorgehoben. Trägt zur Entspannung bei, dass man inzwischen viel stärker zwischen einzelnen Eurokrisenländern differenziert?

Fekter: Das haben wir immer getan.

STANDARD: Sie haben sich bisher immer sehr streng zu Griechenland geäußert, kompromisslos auf harte Sparmaßnahmen gepocht, hier klingen sie viel milder, warum?

Fekter: Bei diesem Treffen war etwas signifikant spürbar: der unbändige Wille zusammenzuhalten. Die Entscheidung der EZB war auch getragen von diesem Willen in der Krise zusammenzustehen.

STANDARD: Gibt es im Kreis der Finanzminister keinen, der das in Zweifel zieht.

Fekter: Nicht einen einzigen. Es gab Zeiten, wo man sich mit Szenarien eines solchen Exits von Griechenland befasst hat. Nur ist man draufgekommen, dass ein Zerbrechen der Eurozone für alle, für wirklich alle, negative Effekte bringen würde. Und dass das alles unvergleichlich teurer wäre als der Weg, den wir gehen. Daher befasse ich mich nicht mehr mit solchen Szenarien. Ich weiß jetzt, dass ich das nicht will. Und genauso denken alle meine Kollegen.

STANDARD: Auch der Deutsche Wolfgang Schäuble?

Fekter: Alle denken so. Es gibt eine einheitliche Positionierung die sagt: Eurozone stabiliseren, Programmländer reformieren, was eben strukturelle Reformen und fiskalpolitische Disziplin voraussetzt. Dieses Bündel von Maßnahmen ist der Weg. Das wird uns wahrscheinlich am Ende gestärkt aus der Krise herauskommen lassen.

STANDARD: Die Frage ist, ob die Bürger ihnen das abnehmen, deren Skepsis ist ja nicht unbedingt kleiner geworden.

Fekter: Es wird oft vergessen in der punktuellen Debatte, dass wir mehrere Krisen gleichzeitig haben: eine Bankenkrise, eine Schuldenkrise, eine Wachstumskrise, die wir alle mit eigenen Maßnahmen angehen müssen. Und wir haben eine politische Krise. Griechenland hat zweimal gewählt in diesem Jahr, anderswo werden ständig Regierungen abgewählt. Da müssen wir schauen, dass wir zu stabilen proeuropäischen Regierungen kommen, so wie zuletzt in den Niederlanden, oder in der Slowakei. Wir müssen die Rechtsextremen außen vor lassen, damit die antieuropäischen Populismen nicht weiter in Vormarsch kommen. Wir müssen viel, viel mehr mit den Bürgern reden, erklären, was wir in Europa tun, das stimmt.

STANDARD: Mit einem Rückgewinnen an Handlungsfähigkeit im Krisenmanagment wird aus Europa noch keine wirtschaftlich blühende Union?

Fekter: Bei vielen Bürgern ist zu Beginn in Zweifel gestanden, ob wir überhaupt wissen, was wir da tun, und ob es richtig ist, was wir tun. Beides haben wir eindeutig beantwortet. Es ist klar, wohin der Kurs geht, das Ziel ist erkennbar. Aber es ist ein laufender Prozess, das wird noch Jahre weitergehen. Denken Sie zurück, erst im Sommer ist eine große Vision der Regierungschefs dazugekommen.

STANDARD: Meinen sie die Pläne zur Schaffung einer europäischen Bankenunion mit strengerer gemeinsamer Kontrolle der Bankgeschäfte?

Fekter: Ich war damals ein wenig überrascht, denn wir Finanzminister hatten das Feuer am Dach, aber die Regierungschefs befassen sich mit Visionen, wie wir in Zukunft mit Bränden umgehen werden. Inzwischen hat aber Kommissionspräsident José Manuel Barroso den Pfad hin zu dieser Vision klarer gezeichnet, sehr konkret gemacht.

STANDARD: Bleiben wir zunächst noch bei Griechenland. IWF-Chefin Lagarde hat davon gesprochen, dass man bei der Griechenlandhilfe bereit ist, über den Faktor Zeit zu reden. Ist denkbar, dass Athen mehr Zeit bekommt zur Umsetzung seines Reformprogramms? Ein Jahr, zwei Jahre?

Fekter: Ich will Lagarde nicht interpretieren. Aber es gibt nur einen Zeitfaktor, der sich auf den Endbericht der Troika bezieht. Wie lange hat Griechenland in den kommenden Wochen noch Zeit, jene Maßnahmen aufzuholen, die sie durch die Wahlkämpfe vor dem Sommer versäumt hat?

STANDARD: Wie lange hat Athen Zeit?

Fekter: Da geht es um Wochen. Sie müssen etwas liefern, ob das Maßnahmen zur Privatisierung sind, oder andere Maßnahmen zur Reform. Davon hängt ab, wie die Beurteilung der Troika aussieht, wie man bewertet, ob das Hilfsprogramm in der Spur ist, und ob dann die nächste Tranche der Hilfen ausgezahlt werden.

STANDARD: Haben Sie den Eindruck, dass die griechische Regierung auch einen unbändigen Willen hat, die Reformen in die Tat umzusetzen?

Fekter: Ja, das sehe ich. Die Reisediplomatie im Sommer hat dazu einiges beigetragen. Der Vorstellung, dass man das griechische Programm zeitlich einfach um ein, zwei Jahre nach hinter verschiebt, der ist eine Absage erteilt worden. Man hat klipp und klar gesagt, dass es das nicht spielt. Eine einfache Verschiebung hätte bedeutet, dass es mehr Geld geben muss. Das hat zu einem Umdenken geführt. Die griechische Regierung hat selber gesehen, dass sie mehrere Optionen hat. Pleite gehen oder aus der Eurozone austreten, das sind Szenarien, die für Griechenland unakzeptabel sind, weil sie noch mehr und größere Probleme schaffen. Also haben sie sehr intensiv begonnen, ein Konsolidierungspaket für 2013 zu beschließen, um aufzuholen, was sie 2012 versäumt haben. Es ist erkennbar, dass sie willens sind. Und dafür wird man Athen nun noch ein paar Wochen Zeit geben.

STANDARD: Also keine Verschiebung der Reformen in die Zukunft.

Fekter: Es geht nur um einen kurzfristigen Aufschub. Aber die nächste Tranche an Eurohilfen muss im Herbst ausgezahlt werden, bis dahin muss die griechische Regierung liefern. Es soll aber nicht auf den einen oder anderen Tag ankommen. Das wird auch Lagarde gemeint haben.

STANDARD: Was wollte Athen denn ursprünglich?

Fekter: Die Griechen haben sich gewünscht, dass das ganze Programm nach hinten verschoben wird. Dem hat man auf europäischer Ebene eine Absage erteilt. Es gibt nicht mehr Geld, es gibt auch kein drittes Hilfsprogramm. Wenn Griechenland sich nicht reformiert, kommt es nicht auf eigene Beine. Das ist das Um und Auf. Das Land muss wettbewerbsfähig werden.

STANDARD: Zu Spanien, worauf kommt es da in den kommenden Wochen an?

Fekter: Es wird das Beraterunternehmen Berger den Stresstest vorlegen in den kommenden Wochen, aus dem hervorgeht, wie viel Geld welche Bank braucht. Daraus ist das Gesamtvolumen ermittelbar. Wir hören, dass der Bedarf weit unter den 100 Milliarden liegt, die als Rahmen beschlossen sind.

STANDARD: Wie weit unter 100.

Fekter: In etwa um die 60 Milliarden Euro. Dann muss Spanien einige technische Dinge aufstellen, es muss einen Fonds geben, der den Mittelzuschuss mit der spanischen Regierung abwickelt. Und drittens stellt sich die Frage, wie man die maroden Teile der Banken herauskristallisiert und in Bad Banks bringt, damit die Banken von sich aus lebensfähig sind. Dafür muss einiges an legistischen Umsetzungen gemacht werden. Gleichzeitig muss die Regierung die Vorgaben der EU-Kommission erfüllen im Verfahren zum übermäßigen Defizit. Das ist also ein enormes Programm, das da bevorsteht, eine Megaherausforderung für Regierung, Parlament und die spanischen Regionen vor dem Hintergrund, dass es Demonstrationen gibt. Aber der Spanienzug fährt, die Bankenhilfe wurde vor dem Sommer bereits beschlossen. Das Bankenrekapitalisierungspaket ist auf Schiene.

STANDARD: Nun haben die Staats- und Regierungschefs auch beschlossen, dass Bankenhilfe aus dem ESM möglich sein soll, wenn es eine Bankenaufsicht, eine Bankenunion gibt. Wie realistisch ist das, in Nicosia sind viele Gegensätze zutage getreten?

Fekter: Die zentrale Aufsicht muss kommen , und sie muss installiert sein, wenn es Bankenhilfen geben soll. Es müssen Vorbedingungen erfüllt sein. Das Problem ist, dass die, die sich eine solche Hilfe wünschen, auch wollen, dass der ESM möglichst rasch operativ tätig werden kann.

STANDARD: Eine Gruppe von südlichen Ländern, angeführt von Frankreich.

Fekter: Ja. Die anderen sagen, das kann nicht unbegrenzt ein Selbstbedienungsladen für die sein, die schlecht wirtschaften. Es muss ein Kontrollorgan geben, eine Aufsicht, die effizient eingreifen kann, um Schlagseiten schon im Ansatz zu verhindern.

STANDARD: Wozu vor allem Deutschland gehört.

Fekter: Die beiden Elemente - Aufsicht und Bankenhilfe - sind unverrückbar miteinander verknüpft. Das ist Beschlusslage der Staats- und Regierungschefs.

STANDARD: Stehen sie auf der Seite Deutschlands?

Fekter: Das ist richtig. Aber wir wissen, dass wir rasch diese zentrale Aufsicht brauchen, im Interesse Österreichs, weil unsere Bankenwelt hauptsächlich außerhalb Österreichs tätig ist. Daher ist es in meinem höchsten Interesse, dass wir eine zentrale Regelung und eine zentrale Exekutive der Aufsicht, zentrale Methoden haben.

STANDARD: Der deutsche Finanzminister Schäuble bremst, glaubt nicht an einen Start schon mit dem 1. Jänner 2013, wie die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Wollen sie, dass es rasch geht?

Fekter: Wo ich bei den Deutschen bin, ist der Zeitfaktor. Es darf nicht die Eile die Qualität verwässern. Wenn wir aus Gründen der Qualität den einen oder anderen Monat brauchen, dann wird das notwendig sein. Aber wir reden da maximal von Monaten.

STANDARD: Was ist qualitativ wichtig?

Fekter: Da ist ganz wichtig, die Beziehung zwischen der bestehenden Europäischen Bankenaufsicht, der EBA, für 27 EU-Länder und der künftigen Aufsicht durch die Zentralbank, die EZB, zu klären. Es wäre ein Leichtes, die EZB einfach zu ermächtigen, dass sie ab sofort die Aufsicht hat über die europäischen Banken. Das würde aber für uns Österreicher eine gewisse Herausforderung darstellen. Denn dann gibt es bei der Aufsicht im Euroraum möglicherweise andere Strukturen als unsere Banken in Ungarn, in Rumänien oder in Bulgarien vorfinden, außerhalb des Euroraumes. Es ist im absoluten Interesse Österreichs, ein regulativ für die EU-27 anzupeilen.

STANDARD: Die Briten wollen nicht mitmachen, offenbar.

Fekter: Oder sagen wir, 27 minus x, so ähnlich wie das auch beim Fiskalpakt war.

STANDARD: Was ist der Unterschied zu Deutschland?

Fekter: Dort spielt natürlich die Philosophie der Bundesbank eine Rolle. Da sind wir mit unserer Nationalbank ein wenig pragmatischer, was unsere Position innerhalb der EZB anlangt. Den Deutschen ist auch noch das geplante exekutive Recht für die Aufsicht, das Recht durchgreifen zu können, ein Megaanliegen. Da stellt sich die Frage: Worauf durchgreifen? Auch in Hinblick auf Insolvenzgefahr, auf die Einlagensicherheit, auf Eigenkapitalausstattung oder makroökonomische Ungleichgewichte? Dieses exekutive Recht ist in Wahrheit der Schlüssel zu einer effizienten europäischen Aufsicht.

STANDARD: Was ist ihre Position dazu?

Fekter: Ich befürworte das, aber ich habe noch große Probleme mit der zentralen Einlagensicherung. Da dürfen wir nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Wenn wir gute nationale Elemente haben, so wie wir bei der Einlagensicherung, dann soll man die nicht zerstören zugunsten eines Zentralismus, der das nicht leisten kann.

STANDARD: Wie könnte eine Lösung aussehen?

Fekter: Weil das so schwierig ist, würde es im Vorschlag der Kommission zunächst ausgeklammert. Das Insolvenzrecht wird man noch ins Package der Aufsicht mit hineinkriegen, aber die Einlagensicherung wird ausgeklammert.

STANDARD: Was wird bis Jahresende vorliegen?

Fekter: Wir können eine intensive Debatte in Richtung Umsetzung des politischen Willens erwarten. Es gibt bereits einen legistischen Vorschlag der Kommission. Der nimmt aber zu wenig Rücksicht auf die Position der Nicht-Euroländer, für uns der osteuropäischen Nachbarn. Daher wird man das um Elemente erweitern müssen, damit man diese Länder organisatorisch einbinden kann. Das ist technisch hochkomplex. Da wird es noch eine intensive Debatte geben. Alle sind willens es so abzuschließen, dass es operativ möglichst zu Beginn 2013 in Kraft tritt.

STANDARD: Nicht am 1. Jänner, sondern etwas später?

Fekter: Na ja, der Vorschlag sieht einen Stufenplan vor, weil die EZB ja gar nicht die entsprechenden Prüfkapazitäten hat.

STANDARD: Die Genossenschaftsbanken, die Sparkasse in Österreich haben bereits Bedenken angemeldet, sie wollen nicht von der EZB direkt kontrolliert werden. Teilen sie das?

Fekter: Wir haben diese Bedenken eingebracht, das läuft unter dem Stichwort der Angemessenheit. Darauf wird Rücksicht genommen. Es hat die zentrale Spitze ja nicht die Struktur, um etwa die Raika Buchkirchen zu prüfen. Gut funktionierende Strukturen soll man nicht zerschlagen.

STANDARD: Und das legistische Durchgriffsrecht der EZB?

Fekter: Das stelle ich nicht in Frage. Es müssen die Regularien einheitlich sein, für alle gleich, auch die Methode der Prüfungen muss einheitlich sein. Es kann nicht sein, dass Banken im Norden anders geprüft werden als Banken im Süden, zum Beispiel. Es müssen dieselben Schwerpunkte gesetzt werden. Aber bei der operativen Umsetzung muss eine Proportionalität gewahrt werden, was die bestehenden Strukturen betrifft.

STANDARD: Was bedeutet das, wenn die Nicht-Eurostaaten etwa in Osteuropa nicht eingebunden werden, wenn das nicht gelingt?

Fekter: Das ist undenkbar, weil es die EBA ja schon gibt. Das ist das Aufsichtsorgan der EU-27. Bei Streitereien der Notenbanken untereinander ist die EBA die Schlichtungsautorität. Daher ist es nicht denkbar, dass da gar nichts kommt. Was wir aber besser ausgestalten müssen, ist das Zusammenspiel zwischen EZB und EBA in Zukunft. Ein Beispiel: Die EZB hat den Gouverneursrat mit allen Notenbankgouverneuren für die Geldpolitik im Euroraum. Der Vorschlag der Kommission sieht nun für die Aufsicht ein neues Gremium vor, das nicht dem Gouverneursrat entspricht, das sind andere, um den Aufsichtsprozess zu managen. Jetzt sagen Länder wie Schweden oder Polen zu Recht, so kann es ja nicht sein, dass im Aufsichtsgremium nur Vertreter von Euroländern sitzen, dass sie sich zwar einklinken können, aber nichts mitzureden haben. Das muss man ändern. Es muss da Gleichberechtigung geben, hier wäre eine Bevormundung der Nicht-Eurostaaten durch die EZB unpassend.

STANDARD: Sie haben gesagt, der Fiskalpakt könnte Vorbild sein, an dem sich ja auch nicht nur die Eurostaaten, sondern auch alle EU-Mitglieder mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien beteiligen. Ist das das Modell?

Fekter: Nachdem Tschechien inzwischen erklärt hat, dass es den Fiskalpakt unterzeichnen wird, bliebe nur Großbritannien übrig, das nicht mitmacht.

STANDARD: Nicht dabei zu sein, bringt Standortnachteile, weil Investoren wohl eher in sicherere Länder investieren werden, gilt das auch für die Aufsicht?

Fekter: Es haben so gut wie alle begriffen, dass die Vorschläge, in denen die EU das übermäßige Defizit kritisiert oder makroökonomische Ungleichgewichte ausgleichen will, Sinn haben. Das hat ja Hand und Fuß. Daher haben sich fast alle EU-Länder auch dem Fiskalpakt angeschlossen, weil sie ja in Wahrheit genau wissen, was notwendig ist. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 17.9.2012)