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Ab 9. Dezember ist der Wiener Hauptbahnhof für Reisende geöffnet.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Auf einem Bahnhof sind nicht nur Reisende unterwegs. Die gute Infrastruktur, lange Öffnungszeiten und der Schutz vor dem Wetter ziehen auch Menschen an, die am Rand der Gesellschaft stehen. Bei der Planung des Wiener Hauptbahnhofs, der ab Dezember 2012 seine Türen zum Teil öffnet, wurde darauf geachtet, dass sich keine Drogenszene wie etwa früher am Karlsplatz ansiedelt.

"Es geht uns nicht in erster Linie um die Verhinderung einer Drogenszene", erklärt Andrea Jäger von der Sucht- und Drogenkoordination der Stadt Wien, die bei der Planung des Hauptbahnhofs eine beratende Funktion innehatte. "Aber die Stadt hat das Ziel, in und um Bahnhöfe für eine sozial verträgliche Situation zu sorgen."

Keine Nischen und viel Licht

Daher wurden bauliche Maßnahmen ergriffen, um den Hauptbahnhof besucherfreundlich zu machen. Statt engen Nischen soll es weite Hallen geben. "Das erhöht das subjektive Sicherheitsgefühl", so Jäger. Auch die Lichtausgestaltung in Unterführungen sei ein wichtiges Thema bei der Planung gewesen. Allgemein wolle man durch lichtdurchlässige Öffnungen im Dach möglichst viel Tageslicht in die Hallen bringen, erklären die ÖBB. Außerdem wurden die Stiegen am gesamten Bahnhofsgelände möglichst breit geplant, damit Leute, die sich darauf niederlassen, nicht den Durchgang für andere Menschen blockieren.

Platz für Obdachlose

Laut Andrea Jäger ist es aber nicht das Ziel, Obdachlose gänzlich vom Bahnhof zu vertreiben: "Ich kann nicht nur sagen: 'Ich will sie nicht sehen.' Ich muss auch sagen, wo sie sich aufhalten können." Es sei daher wichtig, sich im Vorfeld zu überlegen, wie unterschiedliche Gruppierungen hier mit- und nebeneinander leben können. So habe man etwa die Erfahrung gemacht, dass ausreichend Sitzplätze zu einer Entspannung der Situation beitragen können.

In der Nähe des Hauptbahnhofs soll außerdem ein Tageszentrum für wohnungslose Menschen eröffnet werden. Damit wolle man verhindern, dass diese untertags auf den öffentlichen Raum angewiesen sind. Am Bahnhof selbst wird es ab Dezember 2014 auch ein Büro für mobile Sozialarbeiter von der Suchthilfe geben.

Aufteilung der Geschäftslokale

Ein weiterer wichtiger Aspekt für einen reibungslosen Ablauf am Bahnhof ist die Auswahl der Geschäfte, die sich einmieten. "Man muss sich sehr gut überlegen, wo man Geschäfte haben will, die billigen Alkohol verkaufen", sagt Jäger. "Ob man eine Bäckerei, oder einen Würstelstand, der Bier verkauft, gleich beim Eingang hat, macht einen Unterschied." Im Hauptbahnhof wird daher zum Beispiel der Supermarkt erst im ersten Stock zu finden sein.

Erfolgreiche Projekte

Als Beispiel für gelungene Maßnahmen diene der Westbahnhof, der vergangene Woche zum schönsten Bahnhof Österreichs gekürt wurde. "Früher war der Westbahnhof ein Aufenthaltsort für unterschiedliche marginalisierte Menschen, diese Probleme haben wir derzeit nicht mehr", sagt Jäger.

Auch bei der Planung der vor kurzem neueröffneten Karlsplatz-Passage war die Wiener Sucht- und Drogenkoordination als Beraterin tätig und ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden. "Früher waren hier pro Tag mindestens siebzig Wohnungslose, heute sind es nur noch sechzehn."

Kritische Stimmen

Auf die Frage, wohin die Szene verschwunden sei, antwortet Jäger: "Die sind jetzt integriert." Sie verweist etwa auf die Einrichtung Jedmayer, die viele Suchtkranke betreut. Ein Aktivist von der Initiative Drogenkonsumraum sieht das ganz anders: "Es kann nicht als Erfolg verzeichnet werden, wenn man Suchtkranke polizeilich vertreibt und zu Nomaden macht."

Auch die mobilen Sozialarbeiter, die ab 2014 am Bahnhof stationiert sein sollen, sieht er kritisch. Diese würden einem Allparteienansatz folgen, also vom Anrainer bis zum Obdachlosen für alle da zu sein versuchen. "Da wird es sicher zu Konflikten kommen, bei denen gegen die Interessen der Suchtkranken entschieden wird." (Franziska Zoidl, derstandard.at,18.9.2012)