Wien - Auf dem Papier wirkt es so, als ob das offizielle Österreich plötzlich ein schlechtes Gewissen bekommen hätte: 2012 wird das Land laut Prognose des Finanzministeriums fast doppelt so viel für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ausgeben als noch 2011. Mehr Menschen geholfen wird damit allerdings nicht - das zusätzliche Geld wird nämlich nicht bei Bedürftigen ankommen. Am Freitag wollen zahlreiche NGOs vor dem Parlament und der Hofburg dagegen protestieren.
Knapp 1,4 Milliarden Euro wird Österreich 2012 als sogenannte "Official Development Assistance" (ODA) deklarieren (0,47 Prozent des Bruttonationaleinkommens). 2011 waren es nur 769 Millionen. Der allergrößte Teil dieses Zuwachses - 561 Millionen Euro - entfällt allerdings nicht auf mehr Ausgaben, sondern auf Schuldenerlässe für Entwicklungsländer. Weitere 50 Millionen stammen aus erhöhten Beitragszahlungen für internationale Organisationen wie etwa die Uno.
Jenes Budget aber, aus dem direkt Projekte in Entwicklungsländern finanziert werden, sollen weiter gekürzt werden: So soll die Austrian Development Agency (ADA) 2012 nur mehr 53 Millionen Euro zu Verfügung haben. 2010 waren es noch 83 Millionen.
"Brauchen frisches Geld"
"Was wir vor allem brauchen, ist frisches Geld, dass man auch tatsächlich für EZA-Projekte verwenden kann", sagt Bea Gomes vom Institut für Internationale Entwicklung an der Uni Wien. Nicht nur die Anrechnung von Schuldenerlässen als Entwicklungszusammenarbeit sei ein Problem: "Es geht vor allem um die Frage, was überhaupt als ODA eingerechnet wird und wer darüber entscheidet." So wird derzeit jeder Euro, den die Uni Wien etwa für eine Stipendiatin aus Togo ausgibt, offiziell als Entwicklungszusammenarbeit verbucht - genauso wie bestimmte Zahlungen für Asylwerber.
Um mehr Geld für die tatsächliche Arbeit in den Empfängerländern zu bekommen, fordert ein Zusammenschluss österreichischer NGOs nun eine Vervierfachung der derzeit geplanten Mittel der ADA: Statt 53 Millionen solle die Agentur 200 Millionen zu Verfügung haben. Außerdem solle der Auslandskatastrophenfonds von derzeit fünf Millionen Euroa auf 20 Millionen erhöht werden.
2011 landete Österreich bei den Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit mit 0,27 Prozent des BNE auf Platz 13 der EU-15: Nur Italien und Griechenland gaben einen geringeren Prozentsatz aus. Bis 2015 haben sich sämtliche EU-Länder vertraglich dazu verpflichtet, diesen Anteil auf 0,7 Prozent zu erhöhen. (Tobias Müller, DER STANDARD, 14.9.2012)