Weil Herr Slobodan "tschuschig" aussieht, wollen manche Tschuschen seine Ware nicht kaufen. Also engagiert er mich, um für solche den "Austriaken" zu machen.

Foto: heribert corn

Weil Herr Slobodan "tschuschig" aussieht, wollen manche Tschuschen seine Ware nicht kaufen. Also engagiert er mich, um für solche den "Austriaken" zu machen. Das Konzept funktioniert zu meinem anfänglichen Misstrauen und Erstaunen perfekt! Doch manchmal gerate ich an Leute, deren Verhalten mein grundsätzliches Misstrauen, dass Homo tatsächlich auch sapiens ist, bestätigt. Und mich staunen lässt, wie locker ich meine Mitmenschen für 20 Euro belügen kann.

Die Story

Ich löse den Haushalt meiner Mutter auf, die mit Herrn Jorge nach Spanien übersiedelt ist, um Oliven zu malen. Künstler halt. Das ist meine immer gleiche Story, die als Hintergrund zur Herkunft meiner Waschmaschinen, Herde, Wäschetrockner, Backöfen, Ceranplatten und Kühlschränke herhält.

Der Mitternachtsmann

Mitunter erlebe ich skurrile und traurige Begegnungen mit Menschen, die mich glauben lassen, ein Elternführerschein wäre eine viel sinnvollere Einrichtung als dieser unendlich dumme Hundeführerschein.

Der Mann ist dem Akzent nach zu urteilen Südosteuropäer, vielleicht ein Rumäne oder Moldawier, und will eine Waschmaschine bei mir kaufen. Er will gegen 19 Uhr kommen und das Gerät begutachten. Kurz vor Mitternacht höre ich im Hof eine Männerstimme laut das Wort "Waschmaschine" brüllen. Alle meine Nachbarn hängen aus den hofseitigen Fenstern und ihre Blicke huschen verärgert vom Mann zu mir, der ich mittlerweile auch aus dem Fenster hänge.

Am liebsten würde ich diesem Vollidioten, der auch noch volltrunken ist, einfach die Fresse polieren, aber neben ihm steht im dunklen Hof auch ein kleiner Junge, nicht älter als fünf. Im Hof angelangt sehe ich, dass der Junge nur stumm mit einer Spielkonsole beschäftigt ist, die sein kleines Gesicht und die dunklen Augen erhellt. Der Mann ist seit dem Nachmittag auf Zechtour und hat auf unseren Termin vergessen, genauso wie er offenbar vergessen hat, dass eine Zechtour und diese Mitternachtseinlage nichts ist, wozu man ein Kind mitschleift.

Weil mir der Junge unendlich leidtut und damit meine Nachbarn mich nicht steinigen, setze ich den Preis herunter, lade schnell die Waschmaschine auf die Rodel und rolle sie durch das Haustor auf die Gasse. Auf meine Frage, wo sein Auto steht, lallt der Mann, er habe kein Auto und sei mit einem Taxi da. Ein Funke Verstand scheint noch in ihm vorhanden zu sein, weil er in seinem Zustand sein Kind nicht selbst durch die Nacht kutschiert. Allerdings bleibt die Frage offen, wie ich die Waschmaschine in ein Taxi verladen soll. Der Mann zeigt auf die Kreuzung, wo tatsächlich eines dieser englischen Taxis steht, die mindestens drei Waschmaschinen im Fahrgastraum aufnehmen. Der Fahrer ist ein Sikh, erkennbar am orangen Turban, und an seinen Blicken kann ich erkennen, dass er mein Mitleid mit dem Kind teilt. Das Taxi braust in die Dunkelheit, das Letzte, was ich sehe, ist das blasse Licht der Spielkonsole im Gesicht eines Kindes, dessen Vater eindeutig ein Arschloch ist.

Der Zeitungsleser

Er ist ein Chinese oder Koreaner, so genau kann ich das als "Langnase" nicht beurteilen. Die Kommunikation ist schwierig, und der schwierigste Teil darin ist, dem Mann zu erklären, dass die zwei hinteren Platten des Herdes, den ich ihm verkaufe, Expressplatten sind, während die zwei vorderen Platten fürs gemütliche Dünsten und Kochen ohne Eile dienen. Der Mann kauft und fährt.

Nach etwa einer Stunde ruft er mich jedoch an und es dauert eine Weile, bis ich begreife, dass er der Meinung ist, der Herd sei kaputt. Das kommt daher, dass mein Käufer irgendwas von Zeitung brüllt. Ich begreife schließlich, er habe den Herd ausprobiert und festgestellt, dass er bei den zwei Expressplatten ohne Licht Zeitung lesen kann, während das bei den zwei vorderen Platten nicht möglich ist. Also brülle ich das Wort Expressplatte mehrmals in den Hörer, hoffend, dass er versteht. Leider nein. Am Ende fällt mir ein, wie ich mich verständlich machen kann: "Hinten Wok!", so brülle ich, "und vorne Tee!" Schweigen, dann ein erkenntnisreiches "Aaaaaha!", gefolgt vom "Klick", als er grußlos auflegt.

Der Reservierer

So nenne ich Leute, die mir versichern, sie würden hundertprozentig die Ware kaufen und mitnehmen, allerdings erst nächste Woche. Hm. Überflüssig zu sagen, dass keiner der Reservierer auch tatsächlich kommt.

Diese Erfahrung mache ich, als ich einmal guten Glaubens und Willens einem Austriaken sage und schreibe drei Wochen lang einen Trockner reserviere, weil der gute arme Mann angeblich noch auf die Bezugsfertigkeit seiner Wohnung wartet. Dieses Gespräch führe ich mit diesem Mann noch dreimal und reserviere den Trockner noch zwei weitere Wochen für ihn. Auf dem Trockner bleibe ich am Ende sitzen. Doch einige Wochen später ruft derselbe Mann wieder an. Inzwischen habe ich meinen "Namen" auf der Internetplattform zum Privatverkauf geändert und der Mann glaubt, er habe es mit jemand anderem zu tun. Es geht aber wieder um einen Trockner und dessen Reservierung. Ich beschließe, dass nun die Gelegenheit da ist, das Imperium zurückschlagen zu lassen.

Also vereinbaren wir einen Termin in zwei Wochen in Gols im Burgenland, wo ich angeblich zu Hause bin. Dass der Mann tatsächlich hinfährt, merke ich an den verzweifelten Anrufen, die zwei Wochen später, gegen 10 Uhr abends, mein Handy erschüttern, das ich nach dem zweiten Anruf ausschalte. Am nächsten Morgen sehe ich auf dem Display, dass der Reservierer sage und schreibe 27-mal angerufen hat. Seitdem schreibe ich in jede Anzeige, eine Reservierung sei nicht möglich, wer zuerst kommt, mahlt auch zuerst.

Die Beleidiger

Um einen Kühlschrank zu kaufen, sind dieser Mann, seine drei Söhne und seine Frau angerückt. Der Mann ist gekleidet, als ob er noch immer in seinem Dorf in Anatolien lebt, seine Frau ebenfalls, die drei Söhne haben Jeans und T-Shirts an. Bevor ich noch irgendwas sagen kann, will der Mann um den Preis verhandeln, was ich mit dem Hinweis auf den ohnehin geringen Preis ablehne. Inzwischen will ich höflich sein und begrüße jeden der anwesenden mit einem Guten-Abend-Wunsch und einer Handreichung. Die Frau lässt meine Hand stumm und unberührt in der Luft schweben. Genau in diesem Moment der peinlichen Grußverweigerung sagt der Mann etwas zu laut, er sei leicht beleidigt, dass ich nicht feilschen will, was in seiner Heimat so üblich sei.

Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Rassist oder auch nur ansatzweise fremdenfeindlich bin - wie könnte ich das bei meiner Herkunft auch. Aber es ärgert mich, dass ich der unhöfliche Beleidiger in dieser Geschichte sein soll. Und ich beschließe, dem Mann seine eigene Logik deutlich vor Augen zu führen. Deswegen sage ich: "Guter Mann, in meiner Heimat ist es üblich, Menschen bei der Begrüßung zurückzugrüßen und die Hand zu geben. Wenn Sie eine Waschmaschine und eine Begrüßung nach anatolischem Brauch wollen, kaufen Sie bitte die Waschmaschine in Anatolien." Ja, auch mir platzt manchmal der humanistische Kragen. (Bogumil Balkansky, daStandard.at, 14.9.2012)