Wien - Mitten in einer der größten Neuregulierungen des Finanzsystems in Europa mehren sich selbst bei Notenbankern und Bankenaufsehern kritische Stimmen vor den immer komplizierteren und teuren Regulierungen. Laut FMA-Vorstand Helmut Ettl sollten Komplexitäten aus den Finanzmärkten herausgenommen werden. Österreichs Notenbankgouverneur Ewald Nowotny beklagte ein Wettrüsten von Aufsehern auf der einen und der Finanzindustrie und ihrer gut bezahlten Anwälte auf der anderen Seite.

Nowotny sagte, dass man in der Phase der Deregulierung zu weit gegangen sei, was mitschuld an der Finanzkrise war. Aber jetzt stoße man wieder an andere Grenzen. "Es gibt in der Finanzbranche keine einfachen Lösungen", sagte Nowotny bei der FMA-Aufsichtskonferenz am Donnerstag. "Aber meiner Erfahrung nach kommt man in manchen Fällen besser voran mit einfachen und klaren Verboten statt differenzierter Detail-Regulierungen". Die führten immer dazu, dass die andere Seite gleich wieder detaillierte Auswege suche. Da brächte eine scharfe, aber einfache Regelung mehr.

Als österreichisches Beispiel nannte Nowotny die Fremdwährungskredite, denen man nur mit einem de-facto-Verbot zu Leibe rücken konnte. Oder international der Hochfrequenzhandel: "Da ist nichts zu regulieren, das ist zu verbieten, es gibt keinen messbaren ökonomischen Vorteil."

Markt nehme Politik einst

"Das Pendel schlägt wieder zurück", meinte auch der Banker Stephan Koren in der heutigen Regulierungsdebatte. "Wir brauchen mehr Gleichschritt in Europa und müssen aufpassen, den Sektor nicht zu überfordern." Europa sei in der Krise und werde das noch Jahre sein. Krisenmärkte seien immer überbesetzte Märkte, die unter Druck stünden. "Die Branche ist nicht extrem belastbar". Alles was an regulatorischen Maßnahmen nur geplant sei, werde vorgezogen und vom Markt schon vorweg als Realität betrachtet.

Koren hatte heute seinen ersten öffentlichen Auftritt als Chef der seit April teilstaatlichen Volksbanken AG (ÖVAG). Er war allerdings ursprünglich als Aufsichtsratschef der Banken-ÖIAG Fimbag eingeladen worden, wie er heute verriet. Diese Position hat er per Anfang September zurückgelegt, seit zwei Wochen ist er ÖVAG-Vorstandschef. Über sein Bankstrategiekonzept will er erst in der kommenden Woche informieren.

Strukturierte Produkte kritisch beäugt

Was verboten werden sollte, wenn mehr verboten werden soll, wurde von den Experten bei der Diskussionsveranstaltung in Wien heute freilich nicht geklärt. In der Kritik stehen unter anderem strukturierte Produkte. Oft erkenne man, so warnte Koren, in komplexen und volatilen Sparten nicht auf den ersten Blick, was folge, wenn man einzelne Produkte herausnehme.

Alles sicherheitshalber zu verbieten, mache die Welt nicht besser, räumte auch SP-Staatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) ein. Als Beispiel nannte er "Versicherung gegen Ernteausfälle versus Spekulation". Da werde eine Maßnahme einmal zu weich und ein anderes Mal zu scharf sein.

Der ehemalige Schweizer Finanzmarktaufsichtschef Daniel Zuberbühler sprach vielen Beaufsichtigten bei der FMA-Konferenz offenbar aus der Seele: Man solle bloß nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Er riet zur Verhältnismäßigkeit. "Wir sollten nicht durch übermäßig komplexe und kostentreibende Regelwerke Strukturpolitik bis hin zur Markträumung betreiben." (APA, 13.9.2012)