Der Protagonist: Ein elektrifiziertes Lotus-Derivat des US-Herstellers Tesla Motors. 288 PS, 53 kWh maximale Ladekapazität.

Foto: hillinger

Manfred Hillinger unter seinem Solar-Hardtop. Holt im Idealfall zusätzlich zehn Kilometer Reichweite heraus.

Foto: hillinger

Ankunft mit Co-Pilot Andreas Ranftl am Etappenziel Turin.

Foto: hillinger

Der Nebenjob des Manfred Hillinger: Werbereisen in Sachen E-Mobilität. Ohne Saft ist der Sommereiner mit seinem Tesla übrigens noch nie ausgerollt.

Foto: hillinger

Ein Konkurrent bei der Wave: Citroën C-Zero aus Osnabrück.

Foto: wave

Man beachte die eingeklappten Stützräder: Zerotracer einer Schweizer Designschmiede.

Foto: wave

Ging 1994 an den Start und blieb eine Rarität: Der Citroën AX Electrique, hier für Frankreich am Start.

Foto: wave

Exotischer Beitrag bei der Wave 2012: Der Citysax von Jack Albani, Deutschland.

Foto: wave

Manfred Hillinger ist sauer. Eben ist der Akku seines Handys kaputt gegangen, also muss sein Tesla Roadster als Stromlieferant herhalten. "Das Auto ist zuverlässig, das Handy nicht. Leider." Auf die 6.831 Batteriezellen, die im Heck seines Zweisitzers stecken, wartet ohnehin eine größere Aufgabe: 2.700 Kilometer wollen der Niederösterreicher und sein Co-Pilot Andreas Ranftl bis 22. September im Rahmen der Wave 2012 bewältigen. Von Genua über die Schweizer Alpen durch Deutschland bis nach Amsterdam führt diese anspruchsvolle Tour für Elektroautos, an der 17 Teams teilnehmen. Hillinger ist Österreichs einziger Beitrag zur "World Advanced Vehicle Expediton". 

Die Wave, die dieses Jahr zum zweiten Mal in Szene geht, ist eine Roadshow im eigentlichen Sinn des Wortes. Jeden Tag hält der Elektro-Tross vor Schulen, öffentlichen Einrichtungen oder am Werkshof von Zulieferern, um Interessierten die Vorzüge der E-Mobilität nahezubringen. Das Starterfeld ist bunt gemischt: Das Renault-Werksteam fährt Fluence, ein regionaler Energieversorger bringt den Citroën C-Zero an den Start; dessen Urahn, ein Elektro-AX, und rundgelutschte Prototypen sind ebenfalls vertreten. Organisator der Aufklärungstournee ist der Schweizer Louis Palmer, Elektroauto-Pionier und so etwas wie der Guru der Szene, Öko-Mission inklusive.

Hillinger kümmert derlei weniger. Der Softwareanalyst würde sich "nie als Umweltfreak oder Öko" bezeichnen. Der Sommereiner wurde nach einem Dachausbau elektrifiziert: Der 40-Jährige suchte einfach nach einer Möglichkeit, den Überschuss, den seine neue Photovoltaikanlage produzierte, sinnvoll zu verwenden, und kam so aufs Elektroauto. Nach langer Suche blieb der Tesla Roadster als einzige Option. "Der hat mich sofort fasziniert. Gleichzeitig ist mir bewusst geworden, dass uns Ölkonzerne und Autohersteller seit Jahren an der Nase herumführen."

Doch erst ein ausgeklügelter Finanzierungsplan und das Auflösen des Sparbuchs ermöglichte Hillinger die Anschaffung des 115.000 Euro teuren Elektrogeräts. Das war vor einem Jahr, seitdem pendelt der Niederösterreicher mit seinem 288-PS-Zweisitzer täglich 100 Kilometer nach Wien und retour, selbst im Winter. 23.000 Kilometer hat die Öko-Flunder mittlerweile auf der Uhr, nicht zuletzt weil Hillinger in seiner Freizeit mit dem Tesla an Promotion-Veranstaltungen teilnimmt und für nachhaltige Energie und Elektromobilität wirbt.

Wir erreichen Hillinger am vierten Tag der am Sonntag gestarteten Tour bei einem Zwischenstopp in Schlieren, einem Vorort von Zürich. Hinter dem Team liegen der San-Bernardino-Pass (Scheitelhöhe 2.065 Meter) und ein erstes Erfolgserlebnis.

derStandard.at: Die Wave 2012 ist nicht als Rennen, sondern als Gruppenreise angelegt. Hand aufs Herz: Haben Sie nicht manchmal den sportlichen Ehrgeiz, als Erster im Etappenziel anzukommen?

Hillinger: Im Vordergrund steht ganz klar das Zusammengehörigkeitsgefühl. Aber natürlich kribbelt es mich, wenngleich im Rahmen der Straßenverkehrsordnung. Dass ich gleich in den ersten Tagen einen Etappensieg landen konnte, hat mich riesig gefreut. Aber nur, weil ich danach einfach gewusst habe: Aha, das Auto kann das auch.

derStandard.at: Die respektablen 3,7 Sekunden, die Ihr Elektro-Roadster auf Tempo 100 benötigt, spielen Sie also nie aus?

Hillinger: Der sportliche Charakter des Autos ist bei dieser Fahrt schon ein Vorteil und macht auch Spaß, aber entscheidend ist die im Vergleich wirklich große Reichweite des Tesla. Ich muss dank der großen Ladekapazität nicht bei jedem Zwischenstopp an die Steckdose.

derStandard.at: Den Werksangaben zufolge hat der Tesla eine Reichweite von 300 Kilometern. Ist diese Marke im verschärften Praxisbetrieb realistisch?

Hillinger: Das hängt von der Fahrweise ab. Ich komme in der Regel auf 300 bis 340 Kilometer, mein persönlicher Rekord liegt bei 410 Kilometern. Aber selbst im Winter bin ich schon einmal mit eingeschalteter Heizung in einem Rutsch 350 Kilometer nach Salzburg gefahren.

derStandard.at: Sie entkommen also am Etappenzielort dem Gerangel um die Steckdose?

Hillinger: Meistens. Aber wir Elektroautofahrer passen generell aufeinander auf. Man drückt sich an der Ladestation gegenseitig die Stecker in die Hand - da gibt es keine Konkurrenz.

derStandard.at: Wie lange dauert beim Tesla eine komplette Batterieaufladung?

Hillinger: Das hängt von der Anlage ab. Zu Hause benötige ich acht Stunden, bei einer normalen Steckdose bis zu 17 Stunden. Mit einer Schnellladestation sind es dreieinhalb Stunden.

derStandard.at: Gab es im Starterfeld schon technische Probleme, speziell bei den Batterien?

Hillinger: Nein, bislang hatten wir keine Ausfälle. Das größte Problem sind die geringen Reichweiten einzelner Fahrzeuge, die auf den teils anspruchsvollen Strecken deutlich unter den Werksangaben liegen.

derStandard.at: Aber dem Veranstaltungsplan zufolge sind doch ohnehin alle 60 Kilometer Ladepausen vorgesehen. Das wären ja Werte, die ein E-Auto bereits vor 20 Jahren geschafft hätte.

Hillinger: Das stimmt leider. Es gibt hier im Feld einige neue Serienfahrzeuge, deren Aktionsradius unter den Herstellerangaben liegt. Das kennt man auch von den Verbrennungsmotoren. Es handelt sich um Angaben, die unter idealen Bedingungen zustande kommen, in der Praxis aber nicht halten.

derStandard.at: Der große Entwicklungssprung bei den E-Autos ist also nicht in Sicht?

Hillinger: Ich denke, dass Elektromobilität viel mehr eine Einstellungs- als eine Reichweitenfrage ist. Solange die Menschen nicht realisiert haben, dass sie durchschnittlich ohnehin nur 30 Kilometer am Tag fahren, wird auch der größte Entwicklungsschub nichts bringen. Diese Werte erreicht man aber schon mit aktuellen E-Mobilen.

Ein weiteres Manko ist natürlich der hohe Preis der Fahrzeuge. Wenn man aber die Gesamtbetriebskosten sieht, also das, was man zusätzlich für Treibstoff und Reparaturen über eine Nutzungsdauer von acht Jahren ausgibt, rechnet sich ein Elektroauto jetzt schon. Ganz abgesehen von den ökologischen Vorteilen.

derStandard.at: Energieregulator Walter Boltz hat unlängst im STANDARD gemeint, dass das E-Auto - bei einem europäischen Strommix - nichts weniger als ein "Kohleauto" sei. Anders als in Österreich mit seinem relativ sauberen Strom-Mix fällt in anderen Ländern die Verringerung der CO2-Emissionen als Argument für E-Mobilität weg. Was bleibt dann noch von der schönen neuen Stromer-Welt?

Hillinger: Das ist eine zu einseitige Sichtweise. Ziel muss einfach sein, dass viel mehr Strom aus nachhaltigen Quellen gewonnen wird. Wasserkraft, Photovoltaik, Wind. Je ökologischer die Energiegewinnung, um so sauberer wird auch das Elektroauto.

Meiner Meinung nach sind heute bereits E-Antriebe mit dem schmutzigsten Strom-Mix über die gesamte Lebensdauer effizienter und CO2-freundlicher als Verbrennungsmotoren. Schließlich fließt in die Emissionsbilanz eines herkömmlichen Fahrzeugs nie der enorme Energieaufwand für die Förderung, die Aufbereitung und den Transport des Treibstoffes ein. Das ist ein X-Faches im Vergleich zu den Kohlekraftwerken, die ihren Strom ins europäische Netz einspeisen. Klar ist aber: Das eigentliche Ziel muss sein, dass der Verbraucher seinen Strom mittels Photovoltaik selbst produziert. Dann geht die Rechnung locker auf.

derStandard.at: Besteht nicht die Gefahr, dass die Abhängigkeit vom Rohöl durch die Abhängigkeit von sogenannten Seltenen Erden abgelöst wird, die zum Bau der Elektromotoren und Batterien erforderlich sind?

Hillinger: Zumindest bei den Motoren könnte es bald serienreife Alternativen geben. So gibt es bereits Aggregate, die ohne Magnete und damit ohne Einsatz von Seltenen Erden auskommen.

derStandard.at: Insgesamt scheint die Elektroauto-Euphorie der vergangen Jahre verflogen zu sein. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Neuzulassungen deutlich gesunken. Es scheint, als würde die Botschaft, die Politik und Hersteller aussenden, beim Käufer nicht ankommen.

Hillinger: Das Thema ist natürlich von der Wirtschaftskrise aus den Medien verdrängt worden. Persönlich bemerke ich aber schon ein gestiegenes Interesse, vor allem an Elektro-Motorrädern und vor allem -Fahrrädern. Bei den Autos wurde viel geredet, aber das Angebot war einfach nicht da - was nicht zuletzt an den Herstellern liegt. Die Konzepte gab es, die Technik ist ja nichts Neues, das hätte schon vor Jahren forciert werden können. Gleichzeitig hat die Politik zu wenig gemacht.

derStandard.at: Der Anfang 2010 von der Bundesregierung präsentierte Nationale Aktionsplan Elektromobilität besteht nur aus Überschriften?

Hillinger: So hart würde ich es nicht formulieren. Thematisch wird zwar daran gearbeitet und jeder Politiker gibt sich bei den einschlägigen Veranstaltungen bereitwillig einen Öko-Touch, aber die Botschaft kommt beim Bürger nicht an.

In den acht Modellregionen passiert aber tatsächlich viel, etwa in Vorarlberg, in Salzburg und in meinem Heimatland Niederösterreich. Auch in Wien kommt langsam etwas in Gang, wobei immer das Gesamtverkehrskonzept zu berücksichtigen ist: Es bringt halt nichts, wenn du statt in einem Spritschlucker in einem E-Auto im Stau stehst. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 13.9.2012)