Riad/Kairo - Das hatte es im saudischen TV noch nie gegeben. Vor wenigen Tagen traten acht Frauen in bunten Kopftüchern und farbigen Kleidern und nicht in dem landesüblichen Schwarz in einer Diskussionssendung auf und wagten sich an Tabuthemen wie das Recht auf Autofahren und politische Partizipation. "Die Rechte werden uns nicht gegeben. Wir müssen sie einfordern", sagte eine der Teilnehmerinnen. Es war das erste Mal, dass saudische Frauen im Fernsehen ihre Kritik offen anbringen konnten.

Das Programm war Teil einer Liberalisierung in den Medien, die nach den Bombenanschlägen in Riad vom 12. Mai (35 Tote) und dem in Mekka aufgedeckten Terrorkomplott eingesetzt hat. Diese beiden Ereignisse hatten die letzten Zweifel beseitigt, Saudi-Arabien könnte immun sein gegen Muslimextremisten und die Gefahr durch Osama Bin Ladens Al-Kaida, die für die Anschläge in Riad verantwortliche gemacht wird.

Drahtzieher

Donnerstag hat sich der vermutliche Drahtzieher hinter den Anschlägen vor Riad, der 30-jährige Sprengstoffexperte Ali Abdulrachman Al-Faqaasi Al-Ghamdi, den saudischen Behörden gestellt. Ghamdi stand ganz oben auf der Liste der meistgesuchten Terrorverdächtigen. Dem Ex-Afghanistan-Kämpfer wird nachgesagt, dass er die Schlüsselfigur der Al-Kaida im Königreich ist, der die Anschläge in Riad vorbereitet hat und über geplante Attacken Bescheid weiß. Die Polizei erhofft sich nun weitere Informationen über Al-Kaida-Zellen im Land.

Seit Mitte Mai hat die saudische Polizei rund 40 Terrorverdächtige festgenommen. Die Behörden haben diesmal aber nicht bei den "Heiligen Kriegern" Halt gemacht, sondern sich zum ersten Mal auch an jene mächtigen islamischen Geistlichen gewagt, die den Boden für die Gewaltideologie bereiten. So wanderten drei Scheichs in Haft, die nach den Anschlägen eine Fatwa, einen religiösen Rechtsspruch, erlassen hatten, der Gläubige zur Unterstützung der Täter verpflichtete.

Auch das Ministerium für religiöse Stiftungen führte eine groß angelegte Säuberungsaktion gegen fast 2000 Angestellte der Moscheen durch. Einem Teil davon wurde es verboten zu predigen, andere bekamen Nachhilfeunterricht in Koran-Recht.

Neben der Repression gegen Extremisten hat Kronprinz Abdullah auch seinen Öffnungskurs vorangetrieben und einen Dialog mit jenen Kreisen eingeleitet, die liberale Reformen verlangen. Vor wenigen Tagen traf er Intellektuelle und Geistliche, die mehr politische Mitsprache, eine gerechte Verteilung des Reichtums und Änderungen im Bildungswesen verlangten. Abdullah hat erstmals auch saudische Schiiten getroffen, die Gleichstellung für ihre Minderheit verlangen.

"In wenigen Jahren werden wir ein gewähltes Parlament als gesetzgebende Versammlung haben", gab sich Prinz Turki Al-Faisal Al-Saud beim Weltwirtschaftsforum in Jordanien überzeugt. Ob damit auch die absolute Macht des Königshauses gebrochen werde, wollte sich der Leiter des König-Faisal-Forschungszentrums nicht sagen. Die neue Freiheit hat aber auch Grenzen. Jamal Khashoggi, neuer Chefredakteur von Al-Watan, wurde nach einem Monat gefeuert, weil er zu viel über Übergriffe der Religionspolizei in seinem Blatt veröffentlicht hatte. (DER STANDARD, Printausabe, 30.6.2003)