Wien - 570 Seitenstark  ist die am Dienstag präsentierte OECD-Bildungsstudie, in Österreich fokussierte sich die Debatte am Tag "danach" vor allem auf eines: ob Lehrer hierzulande zu wenig Zeit im Klassenzimmer verbringen und dafür vielleicht auch noch zu viel Geld verdienen.

Debatte über Arbeitszeit "Themenverfehlung"

Für Bildungswissenschafter Stefan Hopmann von der Universität Wien ist das eine glatte Themenverfehlung. Auch die "ewigen Mantras" von Ganztagsschule und Gesamtschule würden dringend nötige Reformschritte nicht beschleunigen. Hopmann im Gespräch mit dem STANDARD: "Es kommt schlicht und einfach darauf an, dass in Österreich die gezielte Förderung von denjenigen, die Förderung brauchen, schlecht dasteht." Denn das Schulwesen funktioniere hierzulande immer noch nach dem Prinzip " ein Lehrer, eine Klasse, ein Fach", was dazu führe, dass das System Schule "nicht ausreichend flexibel reagieren" könne.

Da gehe es um ein vernünftiges Wechselspiel von Kleingruppen, Großgruppen, und der Möglichkeit, "dass man mal Einzelne herausfischt und gezielt fördert". Dieser starre Schulalltag bevorzuge jene, die zu Hause Unterstützung haben. So weit, so bekannt, so veränderungsresistent. "Diese blödsinnige Fixierung darauf, ob jetzt jeder Lehrer mehr Stunden erteilen soll", ist für Hopmann relativ wertlos. "Wichtig wäre eine reale, lokale Schulautonomie. Aber solange man am Minoritenplatz (Sitz des Bildungsministeriums, Anm.) nicht bereit ist, den Schredder anzustellen und sich einfach rauszuhalten aus Sachen, funktioniert das nicht."

"Vorschriften, die kein Mensch braucht"

Das zeige sich auch am Beispiel Neue Mittelschule, deren Einführung nach Ansicht Hopmanns "wieder "von einem Haufen Vorschriften begleitet wurde, die kein Mensch braucht". Ziel müsse vielmehr sein, die Schulverwaltung "auf eine Armlänge Distanz zur Politik" zu bringen, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Denn " halbgare Schritte", wie er sie in der österreichischen Schulpolitik des Öfteren erlebt, "sind meist sogar schädlich".

Am Tag eins nach der Präsentation der OECD-Studie meldete sich auch Hannes Androsch, Initiator des Bildungsvolksbegehrens, zu Wort. Seine Botschaft: Auch wenn das Volksbegehren im Nationalrat "enderledigt" worden ist, seien dessen Anliegen wichtiger denn je. Die "dunklen machtpolitischen Kräfte", die die Forderungen blockieren, sollen bei den Wahlen "abgestraft" werden.

Androsch sieht den Widerstand ohnehin "bröckeln" - ein Indiz dafür seien die Gesamtschulpläne des Tiroler Landeshauptmannes Günther Platter (VP). Androsch will dafür sorgen, dass das Thema Bildung breit beim SPÖ-Parteitag diskutiert wird. Grünen-Bildungssprecher Harald Walser will als "parlamentarischer Arm der außerparlamentarischen Bildungsopposition" die Themen des Volksbegehrens erneut in den Nationalrat bringen. (Peter Mayr/Karin Riss, DER STANDARD, 13.9.2012)