Womöglich ist dies das größte konzeptuelle Kunstwerk, das die slowenische Kunstszene je realisieren konnte. Beim imposanten Rundbau, der an eine Raumstation erinnert und auch Anleihen beim berühmten Turmprojekt von Wladimir Tatlin genommen hat, handelt es sich in jedem Fall um eine derart ungewöhnliche Institution, dass man an ihre Existenz gar nicht so recht glauben kann.
Zumal dieses futuristische Bauwerk in einem 1.000-Seelen-Dorf gelandet ist, Vitanje, das bislang nur mit einem Holzfällerfestival für regionale Schlagzeilen gesorgt hatte. Selbst der Direktor dieses "Kulturzentrums für europäische Weltraumtechnologien" (Ksevt), Miha Tursic, wundert sich noch immer über dessen Existenz.
Nichtsdestotrotz, seit vergangener Woche ist Ksevt Realität. Zur Eröffnung kam Sloweniens Staatspräsident Danilo Türk, Kosmonaut Jurij Malentschenko sandte eine Grußbotschaft von der Internationalen Raumstation ISS, das Schweizer Avantgarde-Kollektiv Cod.Act performte.
Mit einem bescheidenen Budget von 2,8 Millionen Euro war das Zentrum innerhalb von zwei Jahren errichtet worden, hier will man sich fortan mit kulturellen und künstlerischen Aspekten der Weltraumfahrt beschäftigen.
Geplant sind Stipendienprogramme für junge Forscher und Künstler. Letztendlich wolle man bewirken, so Tursic, dass auch professionelle Künstler ins All geschickt werden: "Kasimir Malewitsch hatte seinerzeit keine Möglichkeit, sich im Weltall mit Suprematismus zu beschäftigen. Mittlerweile hätten wir dafür aber Werkzeuge."
Bisher waren Tursic und seine Kollegen in ihrer Überzeugungsarbeit sehr erfolgreich. Die Europäische Kommission finanzierte großzügig, mit dem Jurij-Gagarin-Trainingszentrum bei Moskau gibt es eine enge Zusammenarbeit, und mit Experten von der Nasa ist man im Austausch.
Zentrales Argument für eine derartige "abgespacte" Institution war der Raumfahrtvisionär Hermann Potocnik-Noordung gewesen. Ksevt-Koinitiator Dragan Zivadinov, einer der führenden slowenischen Theater-Avantgardisten, hatte sich seit mehr als zwanzig Jahre mit dem nahezu vergessenen Potocnik beschäftigt.
Der 1892 im kroatischen Pula geborene und 1929 mittellos in Wien verstorbene Diplomingenieur hatte ein einziges Buch veröffentlicht. In Das Problem der Befahrung des Weltraums formulierte er Grundlagen für spätere Nachrichtensatelliten und skizzierte als Erster konkrete Architektur für eine Raumstation. In langen Recherchen rekonstruierte Zivadinov Potocniks Wirkungsgeschichte, entdeckte etwa Querbeziehungen zum slowenischen Konstruktivismus.
In den 90ern war Zivadinov von einem Bewohner von Vitanje kontaktiert worden - Potocniks Großvater stammte aus dem Dorf. Immer wieder brachte er in den letzten Jahren Kosmonauten, Astronauten und Künstler nach Vitanje, es entstand die Idee für eine größere Institution. Wobei Zivadinov stets Avantgardistisches mit lokalen Elementen kombinierte und die Dorfbevölkerung integrierte. (Herwig G. Höller aus Vitanje, DER STANDARD, 13.9.2012)