Man kann hier ruhig zu deftigen Worten greifen: Das ist eine Sauerei. Die Argumentation, mit der die Regierungskoalition den parlamentarischen Untersuchungsausschuss abdreht, ist ein Skandal. SPÖ-Klubchef Josef Cap erklärt der Öffentlichkeit allen Ernstes, dass Bundeskanzler Werner Faymann nicht vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Inseratenaffäre auszusagen braucht, weil er zuvor eh schon etwas im ORF- Sommergespräch dazu gesagt hat. Das ist eine Beleidigung der Intelligenz, nicht nur seiner. Das ist eine Verhöhnung der Öffentlichkeit und darüber hinaus ein Akt der Geringschätzung des Parlaments und der Abgeordneten - auch seiner eigenen Abgeordneten.

Dass sich diese das widerspruchslos gefallen lassen und sich willfährig in die üble Posse fügen, ist ein Trauerspiel für den Parlamentarismus. Der Kanzler will nicht in den Ausschuss kommen, der Klubobmann exekutiert das, und die Abgeordneten, die als willenlose Marionetten vorgeführt werden, zucken nicht einmal mit den Schultern. Sie haben sich offenbar in ihre Bedeutungslosigkeit gefügt.

Der Kanzler fürchtet im Ausschuss die Macht der Bilder. Dass er hier vorgeführt werden könnte, dass ein Pilz und ein Petzner ihr Mütchen an ihm kühlen - das würde wohl so sein. Aber da muss, da müsste der Kanzler durch, das muss ihm der Parlamentarismus wert sein. Und es ist für ihn auch eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Faymann soll vor dem Ausschuss darlegen, wie und warum er die ÖBB angehalten hat, Inserate mit seinem Konterfei im Boulevard zu schalten, wer das entwickelt und entschieden hat, auf welche Anweisung das schließlich bezahlt wurde. Das meiste ist bekannt. Es geht nicht darum, diese Vorgänge einer strafrechtlichen Beurteilung zu unterziehen, das geschieht parallel ohnedies bei Gericht. Es geht darum, diese Vorgänge auch politisch zu hinterfragen - und zu bewerten. Für Faymann muss es darum gehen, eine glaubwürdige Argumentation darzulegen - nicht nur vor der Staatsanwaltschaft, sondern auch vor den Abgeordneten. Das ist der Sinn dieses Ausschusses.

Dass sich auch die ÖVP vor den Karren spannen lässt, ist wenig verwunderlich: Sie desavouiert den Ausschuss, wo sie kann. Je eher er abgedreht wird, desto lieber ist es ihr. Dafür schonen die schwarzen Strategen auch den roten Kanzler.

Das ist auch für die ÖVP-Abgeordneten peinlich. Sie werden am Gängelband vorgeführt - noch dazu unter Berufung auf das Koalitionsabkommen.

Caps hanebüchene Argumentation ist ein weiterer Tiefpunkt in dieser ohnedies nicht erfreulichen Debatte, sie legt das Unappetitliche an der Politik offen, dieses Tarnen und Täuschen, das Verschleiern und Übersohrhauen.

Diese argumentative Anbiederung an das augenzwinkernde Ganoventum in der Politik treibt die Niveaulosigkeit weiter voran, das ist eine direkte Wahlkampfhilfe für die lauten und skurrilen Populisten im Land.

Mag sein, dass Cap hier selbst nur Befehlsempfänger ist. Er und seine Hintermänner, also auch die Berater des Kanzlers, nehmen es fahrlässig in Kauf, dass die Politikverdrossenheit neuerlich befeuert wird, dass die handelnden Akteure weiter an Glaubwürdigkeit verlieren. Ihre Message: Die Parteienpolitik ist es nicht wert, sich zu engagieren, sich seriös mit ihr auseinanderzusetzen. Diese Parteienpolitik nimmt ihre Kunden, die Bürger, nicht ernst. (Michael Völker, DER STANDARD, 12.9.2012)